Von Alexander Fröhlich: Unrecht verstehen
Rot-Rot in Brandenburg ist mit der DDR-Geschichte in der Rechtfertigungsfalle
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Potsdam – An der DDR-Geschichte haben SPD und Linke in Brandenburg noch heftig zu knabbern, sie sitzen in der Rechtfertigungsfalle. Ein falsches Wort – andere nennen es Verharmlosung - und schon tost ein Sturm der Entrüstung los. Volkmar Schöneburg (Linke) hat es erlebt, weil der Justizminister in einem Aufsatz einmal den Begriff Unrechtsstaat für die DDR als unwissenschaftlich abgelehnt hatte. Am Freitag lud die rot-rote Landesregierung daher in ihre Landesvertretung nach Berlin und ließ Experten reden, sie sollten Antwort geben auf die Frage „DDR: Unrechtsstaat – oder was?“
Doch die Veranstaltung hatte ein Problem, das zeigte sich schon zu Beginn. Zwei Rechtswissenschaftler verteidigten Schöneburg, aber wissenschaftlich. Heraus kam: Das Begriffspaar Rechtsstaat und Unrechtsstaat ist unbrauchbar, so was würde man Äpfel mit Birnen vergleichen.
Ingo Müller, emeritierter Strafrechtsprofessor der Hamburger Polizeihochschule, sagte, nur weil die DDR keine Rechtsstaat gewesen sie, könne sich nicht mit dem politischen Kampfbegriff Unrechtsstaat belegt werden. Der Rechtssoziologe Hubert Rottleuthner von der Freien Universität, selbst einst Gutachter im Prozess gegen Staatsanwälte und Richter des SED-Regimekritikers Robert Havemann, ging noch weiter. Er hält den Begriff Unrechtsstaat für die DDR nicht nur wissenschaftlich sondern auch „volkspädagogisch“ für unangemessen, ja sogar für gefährlich. Dies sein ein Propagandabegriff aus dem kalten Krieg und werden noch heute gern zur „Delegitimierung“ der DDR genutzt, etwa bei der Gleichsetzung mit dem NS-Regime. „Die DDR war kein Rechtsstaat und wollte keiner sein“, sagte Rottleuthner aber auch.
Es war ein Expertendiskurs und Rottleuthner wusste auch: „Verkaufen sie das mal medienwirksam.“ Derlei ist nämlich kaum nachzuvollziehen, „weit von der Realität entfernt“, wie es der Vertreter eines SED-Opferverbandes sagte. „Diese Art des Umgangs ist beleidigend.“ Beate Blechinger, bis zur Landtagswahl Justizministerin für die CDU, fragte denn auch, als was die DDR angesichts der Maueropfer denn bezeichnet werden können, wenn nicht als Unrechtsstaat.
Volkmar Schöneburg selbst ließ nichts anbrennen und trug frei redend allerhand Details zum Strafrecht in der DDR vor. Das war schließlich als Wissenschaftler an der Humboldt-Universität sein Metier. Er spricht auch von Repressalien und Unterdrückung, von der Verfolgung Andersdenkender spricht er auch. Am Ende sagt er schließlich noch, er habe Verständnis dafür, wenn politische Opfer die DDR als Unrechtsstaat bezeichnen.
Immerhin! Als sich SPD und Linke vergangenen Herbst ihre Koalition bildeten, hagelte es heftige Kritik. Die CDU hatte einen Aufsatz aus dem Jahr 2002 hervorgekramt und genüsslich zitiert. In einem Fachbeitrag zu den Mauerschützenprozessen hatte Schöneburg den Begriff Unrechtsstaat als „unwissenschaftliche, moralisierende Verdrängungsvokabel“ bezeichnet. Seine Fachkollegen gaben ihm nun auf öffentlichem Podium der Landesregierung recht.
Die brandenburgische Beauftragte für die Aufarbeitung der SED-Diktatur, Ulrike Poppe, hätte sich deutlichere Worte des Ministers zum Unrechtssystem DDR erhofft. „1989 wurden wir Bürger, bis dahin waren wir Untertanen“, sagte sie und erklärte wenigstens, worum es beim Unrechtsstaat DDR ging. „Es war nicht denkbar, dass ein Bürger als Individuum seine Rechte einklagen konnte.“
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