Brandenburg: Unwürdige Zustände im Jugendgefängnis
Bundesstelle rügt Berliner Haftanstalten
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Berlin - Dreckig, verwahrlost, ekelerregend – in der Jugendhaftanstalt in Berlin-Plötzensee soll es massive Missstände gegeben haben. Dies geht aus einem Bericht der „Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter“ hervor, der Dienstag veröffentlicht wurde. Die Bundesstelle wurde auf Initiative der Vereinten Nationen eingerichtet, ihre Gutachten sollen Behörden zeigen, wo Verbesserungen nötig sind. Die Experten überprüften Einrichtungen bei Zoll, Polizei und Justiz in ganz Deutschland.
Das Gefängnis Plötzensee besuchten die Kontrolleure im April 2011. Vor allem ein besonders gesicherter Haftraum dort befand sich demnach in einem „unhygienischen, ekelerregendem Zustand“. Die Matratze sei voll „undefinierbarer Flecken“ gewesen, übersät mit Insekten und ohne Überzug. „Die Toilette sowie der Trinkwasserspender waren völlig verdreckt“, dazu komme eine „kärgliche Ausstattung“. Insassen hätten berichtet, dass „Bedienstete bisweilen nicht genügend Vertraulichkeit“ im Umgang mit Hinweisen auf Misshandlung durch Mitgefangene aufbrächten. Außerdem seien Fenster durch Sichtblenden verdeckt, so dass nur wenig Tageslicht und Frischluft in das Gebäude kämen. Einen Tag später besuchten die Inspekteure die Abschiebehaftanstalt in Köpenick. Dort sei die psychologische Betreuung nicht ausreichend. Die Forderung der Kontrolleure nach Trennwänden in den Duschen wurde zurückgewiesen, in Schwimmbädern sei dies ebenfalls nicht überall üblich.
Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) sagte: „Sofort, nachdem der Justizverwaltung im Juni 2011 von den Zuständen berichtet wurde, sind die Missstände beseitigt worden.“ Zu dieser Zeit war die frühere Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) im Amt. Im Oktober habe man die Verbesserungen der Anti-Folter-Stelle amtlich dokumentiert mitgeteilt, sagte eine Justizsprecherin. Die monierten Sichtblenden vor den Fenstern seien angebracht worden, um zu verhindern, dass Häftlinge wie beobachtet Drogen durch die Fenster schmuggeln könnten. Die Opposition fordert dennoch Konsequenzen. Der Jugendstrafvollzug habe einen besonderen Erziehungsauftrag, erklärte etwa die Linke: „Ein Staat, der diesen ernst nimmt, steckt keine straffällig gewordenen Jugendlichen in verkommene Anstalten.“
Der Senator muss sich nicht nur mit dem Bericht der Anti-Folter-Stelle beschäftigen: Wie berichtet, bereiten ehemalige und noch einsitzende Häftlinge der Justizvollzugsanstalt Tegel wegen der dortigen Haftbedingungen Anträge auf Entschädigung vor – mit Aussicht auf mehrere 10 000 Euro. Wie diese Zeitung erfuhr, sind in den vergangenen Wochen mehreren Ex-Häftlingen bis zu 7000 Euro zugesprochen worden. Der Justizverwaltung zufolge gebe es noch keine Entschädigungsklagen von Insassen in Plötzensee. Sidney Gennies/ Hannes Heine
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