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Brandenburg: Vattenfall an der langen Leine Stockholms

Schwedens Regierung will trotz Klimaschutzzielen Tagebaupläne in der Lausitz nicht stoppen

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Stockholm/Potsdam - Die schwedische Regierung hat nichts dagegen, dass der staatliche Energiekonzern Brandenburg weiter zu Deutschlands Klimakiller Nummer eins macht. Der zuständige schwedigsche Minister für Finanzmärkte, Peter Norman, sagte am Freitag im Reichstag in Stockholm, die Regierung wolle den Energiekonzern Vattenfall nicht daran hindern, neue Kohletagebaue in der Lausitz zu erschließen. Er reagierte damit auf eine Anfrage der Grünen, die vor allem den Ausstoß des Klimagases CO2 bei der Kohleverbrennung kritisieren.

Die schwedische Umweltpartei warf der Mitte-Rechts-Regierung widersprüchliches Handeln vor. Sie verhindere nicht, dass der Staatskonzern Vattenfall in die Braunkohle investieren und fünf neue Tagebaue plane, obwohl staatliche Unternehmen per Eigentümerdirektive und Nachhaltigkeitsstrategie zum Schutz der Umwelt verpflichtet seien.

Unterstützung kam von den Brandenburger Grünen. Greenpeace Deutschland sprach von einer „Bankrotterklärung für Schwedens Klimapolitik“. Dagegen begrüßte die märkische CDU-Landtagsfraktion die Haltung des Ministers, weil somit Braunkohle auch künftig ein fester Bestandteil der brandenburgischen Energiestrategie bleibe.

„Ursprünglich ist es die Position der Regierung, nicht in Kohlekraftwerke zu investieren“, räumte Minister Norman ein, „es sei denn, es gibt keine Alternativen, den Bedarf an Energie zu decken.“ Allerdings entscheide Deutschland selbst über seine Art der Energiegewinnung. Wegen der umfangreichen Investitionen Vattenfalls in die Braunkohle sei ein langfristiger geordneter Übergang nötig, um zu verhindern, dass Kapital des Unternehmens in größerem Umfang vernichtet wird.

Vattenfall fördert in Brandenburg und Sachsen jährlich rund 60 Millionen Tonnen Braunkohle aus fünf Tagebauen, das ist ein Drittel der deutschen Produktion. Die Braunkohlekraftwerke Vattenfalls in der Lausitz gehören zu den dreckigsten Europas, der Konzern stößt damit in Deutschland größere Mengen des klimaschädlichen CO2 aus als ganz Schweden, wo Vattenfall nur Wasser- und Atomkraftwerke betreibt.

Die schwedische Grünen-Abgeordnete Lise Nordin gab zu bedenken, Vattenfall sei der zweitgrößte Produzent von Treibhausgasen in Europa. Der schwedische Konzern solle vielmehr einen Beitrag zu der Umstellung auf ökologisch vertretbare Energiegewinnung leisten. Doch Norman hielt dagegen: Vattenfall habe sich selbst das Ziel gesteckt, bis 2020 den CO2-Ausstoß auf 65 Millionen Tonnen jährlich zu verringern. Es sei aber allein Sache der Unternehmensführung, wie dieses Ziel zu erreichen ist.

Axel Vogel, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Brandenburger Landtag, bemerkte: „Ich habe keine andere Antwort der konservativen Minderheitsregierung in Schweden erwartet, weil sie nicht grün eingefärbt ist.“ Vogel warf der schwedischen Regierung vor, sich als Eigner des Konzernes Vattenfall aus ihrer klimapolitischen Verantwortung zu stehlen. Dadurch könne sie „unverändert mit Milliardengewinnen aus der Ausbeutung von Mensch und Umwelt in der Lausitz ihren Staatshaushalt finanzieren.“ Die Argumentation der schwedischen Regierung sei ein Ablenkungsmanöver, da die Anträge auf den Aufschluss neuer Tagebaue von Vattenfall und von niemand anderem gestellt werden. Vogel setzt nun auf Regierungsbeteiligung der schwedischen Grünen im nächsten Jahr, wie es die Umfragen bislang andeuten. Mit den Grünen in Schweden wolle die Landtagsfraktion Aufklärung über die Folgen der Kohleverstromung in Deutschland in Zukunft noch verstärken. „Gerade Schweden, das in den letzten Jahrzehnten immer wieder versuchte, eine Vorreiterrolle im Klima- und Umweltschutz zu übernehmen, darf nicht länger über die Konsequenzen seines Engagements in der Lausitz hinweggehen“, sagte Vogel.

Nordin äußerte sich außerdem besorgt um das Ansehen Schwedens. Bei einem Besuch in Brandenburg habe sie festgestellt, dass die ganze Region gegen Vattenfall und Schweden aufgebracht sei. Zudem gebe es die Besorgnis, dass Vattenfall seine Kohlesparte verkaufen will, es gebe etwa Interesse der polnischen PGE.

Für die Weiterführung der drei Lausitzer Tagebaue Welzow-Süd, Jänschwalde (Südbrandenburg) und Nochten (Ostsachsen) laufen derzeit Planverfahren. Dafür müssten etwa 2300 Menschen umgesiedelt werden, wogegen es Proteste von Betroffenen sowie von Umweltschützern gibt. Außerdem will Vattenfall ab 2015 Braunkohletagebaue in Spremberg-Ost und Bagenz-Ost südlich von Cottbus erschließen – dort wären aber keine Menschen von Umsiedlung betroffen.

Der Kohleexperte von Greenpeace, Gerald Neubauer, warf der schwedischen Regierung Untätigkeit vor. Sie sehe zu, „wie der Staatskonzern Vattenfall in Deutschland Jahr für Jahr mehr CO2 in die Luft bläst als ganz Schweden.“ Mit fünf weiteren Tagebauen würde das über Jahrzehnte so weitergehen, kritisierte er.

Bis 2030 will Brandenburg den CO2-Ausstoß auf 25 Millionen Tonnen senken. Das entspräche laut Regierung einem Rückgang um ebenfalls 72 Prozent gegenüber 1990. In den Vorjahren hat die Emission allerdings kontinuierlich zugenommen, Kohleabbau und Stromproduktion erreichten 2012 Rekordwerte.

Alexander Fröhlich (mit dpa)

Alexander Fröhlich (mit dpa)

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