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Brandenburg: „Vattenfall- statt Pückler-Land“

Hermann Graf von Pückler, Nachfahr des Fürsten Pückler, über Brandenburgs Kohlepläne, Zerstörung von Kulturlandschaft und Überlegungen, der Internationalen Bauausstellung den Familiennamen zu entziehen

Stand:

Herr Graf von Pückler, Sie sind der Urgroßneffe des Landschaftskünstlers Fürst Pückler, des Erschaffers des Parks in Branitz bei Cottbus. Und Sie haben selbst Wald auf dem Gebiet einer der geplanten Tagebaue, bei Bagenz. Was halten Sie davon, dass nach Plänen der Landesregierung der Energiekonzern Vattenfall drei neue Tagebaue in der Lausitz schaffen darf ?

Ich bin darüber sehr überrascht. Denn noch 1993 hat die Landesregierung gesagt, dass es in keiner Weise neue Tagebaue geben wird. Nur auf dieser Basis haben wir überhaupt erst mit unserem Engagement in der Lausitz angefangen. Durch die Tagebaue wird die Lausitz derartig verunstaltet. Irgendwann sieht es hier aus wie in der Sahelzone. Denn die Rekultivierung der Tagebauflächen funktioniert nicht richtig, das ist nur ein oberflächliches Überdecken.

Inwiefern?

Ich habe mir das mal genau angesehen: Die Rekultivierung ist eine reine Katastrophe. Die Seen sind übersäuert und die Wälder kippen um, sie sind von Pilz und anderen Krankheiten befallen. Wir wissen gar nicht, ob das Grundwasser, das für die Tagebaue abgepumpt wurde, je zurückkehrt, wenn nicht, wird die Lausitz zur Wüstenregion. Das ist nicht überall so. Bei Aachen zum Beispiel hat die Rekultivierung von Abbauflächen zwar funktioniert. In der Lausitz sind aber offensichtlich die Böden zu schlecht. Und wenn es hier nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft und Technik nicht geht, dann darf man eben nicht die Böden aufschließen. Das dauert sonst hunderte Jahre, bis es dort wieder eine normale Vegetation geben kann.

Ist die Lausitz eine Region ohne Zukunft?

Wenn wir so weiter machen mit dem Braunkohletagebau, werden wir zu einer der Verliererregionen Europas schlechthin. Durch die Tagebaue löschen wir die Kultur und die Geschichte der Region für immer aus.

Auch ein Teil Ihres Waldes bei Bagenz-Ost soll in 30 Jahren abgebaggert werden.

Das ist richtig, wir haben hier nach der Wende Wald zurückgekauft, der seit 1701 in Familienbesitz war. Ich hänge da sehr dran, aber meine Situation ist nicht zu vergleichen mit der der Menschen, die in der Lausitz ihren Lebensmittelpunkt haben, bei denen die Bagger durch die Wohnzimmer fahren werden.

Ist die Existenz Ihres Forstbetrieb dadurch in Gefahr?

Wir sind eine Betriebsgemeinschaft mit 18 Angestellten. Es ist fraglich, ob diese dann weiter bestehen bleibt. In der Forstwirtschaft denken wir langfristig – 30 Jahre sind da fast nichts.

Wiederum sollen ja der Braunkohleabbau ja gerade Arbeitsplätze erhalten.

Es heißt, ohne Braunkohletagebaue wären 4000 Arbeitsplätze gefährdet. Aber das ist zu kurz gedacht. Mit den derzeitigen Tagebauen können die Arbeitsplätze mindestens 20 Jahre erhalten werden. Und Arbeitsplätze auf Ewigkeit gibt es nirgends. Die Leute, die dann noch arbeiten, müssen Flexibilität zeigen. Und in einer verschandelten Lausitz wird es dann kaum Firmenansiedlungen geben, die Arbeitsplätze schaffen.

Werden Sie für die Volksinitiative gegen neue Tagebaue unterschreiben?

Nein, das darf ich leider nicht, weil ich in Brandenburg nur meinen Zweitwohnsitz habe. Aber ich erkläre mich mit der Initiative solidarisch. Ich verstehe ja, dass Vattenfall auch an Gewinn denken muss, ich bin auch überhaupt nicht industriefeindlich. Aber man muss abwägen. Man kann nicht wegen kurzfristiger Gewinne einen ganzen Landstrich vernichten

eine Kulturlandschaft, die die Internationale Bauausstellung IBA nach Ihrem Urgroßonkel „Fürst-Pückler-Land“ getauft hat. Was würde Ihr Vorfahr wohl zu den Kohleplänen der Landesregierung sagen?

Er war ein sehr fortschrittsgläubiger, sehr industriefreundlicher Mensch, aber wenn er wüsste, was hier passiert, würde er sich sicher schaudernd abwenden. Meine Familie hat mittlerweile große Bedenken, dass auch Teile dieser Rekultivierungslandschaft ihren Namen trägt. Wir überlegen, ob wir nicht gegen die Verwendung des Namens „Pückler“ vorgehen. Das Gebiet sollte vielleicht lieber Vattenfall-Land heißen. Denn der Name Pückler steht für Landschaftsgestaltung auf Weltkulturerbe-Niveau. Und das soll auch so bleiben.

Haben Sie denn Rechte an dem Namen?

Der Name Fürst Pückler ist Allgemeingut, aber wenn er missbraucht wird, um eine misslungene Rekultivierung zu garnieren, haben wir das Recht hinter uns.

Die Fragen stellte Juliane Wedemeyer

Hermann Graf von Pückler hat 2001 das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement um die wirtschaftliche und infrastrukturelle Entwicklung Südbrandenburgs nach der Wende erhalten.

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