
© FFW Freienwalde
Brandstiftungen in Brandenburg: Verbrannte Spuren
Die Ermittlungen zu Brandstiftungen sind oft langwierig. Meist fehlen der Polizei konkrete Hinweise auf die Täter – etwa in Bad Freienwalde.
- Matthias Matern
- Alexander Fröhlich
Stand:
Bad Freienwalde - Einen offenen Vorwurf macht Dietrich Lamm der Polizei zwar nicht, doch seine Ungeduld kann der Chef der Wohnungsbaugesellschaft Bad Freienwalde nicht ganz verbergen. „Immer wenn es wieder einmal gebrannt hat, wird die Ermittlungsgruppe aufgestockt, aber keiner wird gefasst. Später wird dann wieder jemand abgezogen“, sagt Lamm. Seit rund anderthalb Jahren macht der Polizei eine Reihe ungeklärter Brandstiftungen zu schaffen. Anfangs brannten Schuppen, Garagen und Mülltonen. Doch im Januar 2012 musste die Freiwillige Feuerwehr der Stadt 14 Bewohner aus einem brennenden Mietshaus retten und sie mit Rauchvergiftung ins Krankenhaus bringen. 54 Brandstiftungen seit September 2011 führt die Polizei für Bad Freienwalde in ihrer Statistik. „Zuletzt brannte ein Bungalow vollständig aus. Das war Ende Dezember. Gott sei dank ist niemand zu Schaden gekommen“, sagt Reinhard Höhne, einer von drei Ermittlern, die sich derzeit mit der Brandserie beschäftigen.
Noch vor rund einem Jahr machte die Polizei mit einer zwölfköpfigen Ermittlungsgruppe Jagd auf den oder die Täter. Bislang konnten laut Höhne zu insgesamt fünf Bränden drei Einzeltäter ermittelt werden. „Keinem konnten wir weitere Taten nachweisen“, sagt der Ermittler. Allerdings gehe man derzeit weiteren Personenspuren nach. Einzelheiten zu den gefassten Tätern will Höhne nicht nennen. Nur so viel: Ein Feuerwehrmann sei nicht dabei gewesen. „Das Thema steht bei uns an erster Stelle, brennt uns schon mehr als ein Jahr unter den Nägeln“, sagt er.
Der Hausbrand im vergangenen Jahr war bislang der spektakulärste Fall. Die Feuerwehrleute hatten damals die Situation vor Ort bei ihrem Eintreffen als chaotisch beschrieben. Im zweiten und dritten Stock des Hauses hätten Personen an den Fenstern gestanden und um Hilfe geschrien, hieß es im Einsatzbericht. Der Wohnungsbaugesellschaft hat der Brand insgesamt 2,8 Millionen Euro Schaden verursacht. „Das alte Haus mussten wir komplett abreißen. Jetzt bauen wir es wieder auf“, sagt der Chef des Kommunalbetriebs. Nach dem Brand hatte Lamm für Hinweise, die zur Ergreifung der oder des Täters führen, eine Belohnung von 1000 Euro ausgesetzt, zudem die Mieter zur gesteigerten Aufmerksamkeit aufgerufen. „Das verflacht irgendwann natürlich“, sagt er. Sowohl in der Bevölkerung als auch bei der Feuerwehr wächst der Frust darüber, dass der oder die Verursacher bislang nicht gefasst werden konnten. Man stehe ständig unter Strom, weil man immer denke, es könne wieder losgehen, hatte jüngst der Stadtbrandmeister René Erdmann gesagt.
Doch ob tatsächlich die restlichen Brände auf das Konto desselben Täters oder der selben Tätergruppe gehen, ist völlig unklar. Theoretisch könne es sich auch um lauter Einzeltäter handeln, so Ermittler Höhne. Hinweise auf eine einheitliche Vorgehensweise, etwa durch die Verwendung des gleichen Brandbeschleunigers, gebe es nicht. „Das Phänomen ist, wir haben keine Spuren, weil alles verbrannt ist“, behauptet der Ermittler zumindest. Bei der Arbeit greife man auf sämtliche Datensysteme der Polizei zurück.
Und die liefern zumindest Hinweise auf das mögliche Profil eines Täters. In den Jahren 2000 bis 2009 gab es beim Landeskriminalamt (LKA) ein Forschungsprojekt. Zuständig war Kriminalhauptkommissar Harry Jäkel, heute leitet er das LKA-Kommissariat für schwere Umweltkriminalität. Unter seiner Leitung wurden 1450 Fälle von Brandstiftung in Brandenburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern erfasst. Dazu wurden Ermittlungsakten ausgewertet und zahlreiche Merkmale erfasst: zum Tatort, zur Spurenlage, zur Tatzeit, zu den Personen. Es ist, was gemeinhin als Profiling bekannt ist, ein Werkzeug, um ein Täterprofil zu erstellen. Als Experte des LKA in Sachen Brandstiftung hatte Jäkel mit diesen Daten auch zahlreiche Brandserien aufklären können, die Trefferquote lag bei 80 Prozent. Allerdings ist das Projekt eingestellt worden, die Polizeifachhochschule des Landes Mecklenburg-Vorpommern in Güstrow führt die Datenbank fort.
Und die förderte zu den Tätern eine aufschlussreiche Statistik zutage: Im Durchschnitt sind diese 25 Jahre alt und wohnen in Tatortnähe. 76 Prozent aller Brandstiftungen begehen Einzeltäter, die Hälfte aller Taten werden von Serientätern verübt. Und 60 Prozent der Fälle von Brandstiftungsserien werden laut Jäkels Erfassung von Tatverdächtigen verübt, die in irgendeiner Beziehung zu Feuerwehren stehen. Die meisten sind Mitglieder, ein geringerer Teil will Mitglied werden oder war mal bei der Feuerwehr. Sie suchen Anerkennung bei den Kameraden oder in der Gemeinde, häufig haben sie auch Geldprobleme. Dass in vielen Fällen keine Spuren am Tatort gefunden werden, hat nach Erkenntnissen der Ermittler auch damit zu tun, dass sich die Täter auskennen: Sie wissen, wie man ein Feuer ohne Brandbeschleuniger legt und alle Spuren vernichtet. Warum aber ausgerechnet in Brandenburg die meisten vorsätzlichen Brandstiftungen verübt werden, dafür haben selbst die Ermittler keine Erklärung. Sie vermuten es nur: Perspektivlosigkeit auf dem Land und hohe Arbeitslosigkeit.
Das allein kann es nicht sein. Im Kreis Oberhavel sorgten zwischen 2008 und 2011 insgesamt 34 gelegte Brände für Unruhe. Unter anderem gingen Ferienhäuser und Scheunen in Flammen auf, ein großes Boot wurde Berichten zufolge angesteckt und auch ein denkmalgeschütztes Gebäude. Im August 2010 brannte das Kornhaus des ehemaligen Zisterzienserklosters von Himmelpfort komplett aus und ist nun vom Abriss bedroht. Immerhin mehr als zehn der 34 Brände konnte die Polizei aufklären. Die Täter seien in der Mehrzahl allein handelnde junge Männer gewesen, berichtet Polizeisprecher Toralf Reinhardt. In einem Fall habe es sich um einen Feuerwehrmann gehandelt. Zudem habe man als Täter in zwei anderen Fällen einmal zwei Judendliche und ein weiteres Mal drei Kinder ermittelt. In einem Fall zündete ein 30-Jähriger den Hof von Christian „Flake“ Lorenz, ein Musiker der Band Rammstein, in Kreuzbruch an – aber aus Eifersucht. Der Mann dachte, der Verwalter des Hofs hätte eine Affäre mit seiner Freundin. Bei den anderen Fällen tappen die Ermittler weitgehend im Dunkeln.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: