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SPD-Parteitag in Brandenburg: Vergessenes Gedenken
Regierungschef auf Parteitag mit 83 Prozent an SPD-Spitze gewählt. Sonst lief es nicht so glatt.
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Potsdam - Nur keine Pleite. So probierten Brandenburgs Sozialdemokraten lieber erst einmal die ausgereichten Abstimmungs-Smartphones aus, ehe sie Regierungschef Dietmar Woidke am Wochenende in Potsdam auf einem Parteitag erneut zum SPD-Vorsitzenden wählten. „Testwahl Supersozi“, flimmerte es beim Übungs-Voting auf der Leinwand. Und angezeigt wurde ein Ergebnis von 53 Prozent, kleiner Schreck am Rande.
Die Wiederwahl per Tastendruck an die Spitze der Landes-SPD gelang Woidke dann aber überraschend klar. Er erhielt 105 von 126 gültigen Stimmen, 83,3 Prozent. Das sei ein „sehr gutes Ergebnis“, sagte er selbst. Es war besser, als er wohl selbst erwartet hatte angesichts des Unmuts auch in den eigenen Reihen über die von ihm vorangetriebene Kreisreform. Dieser Unmut artikulierte sich auch auf dem Parteitag, verdeckt oder offen etwa im Grußwort des Potsdamer Oberbürgermeisters Jann Jakobs, der zu den bisherigen Plänen sagte: „Wenn man es schon macht, dann bitte richtig!“ Allerdings ist die Landeshauptstadt von der Reform, bei der Potsdam einzige kreisfreie Stadt bleibt, nicht betroffen. Und Jakobs selbst bediente auch noch den ohnehin verbreiteten Eindruck, wie abgehoben Potsdam ist. Die Landeshauptstadt habe jetzt 170 000 Einwohner, sagte er zu den aus ganz Brandenburg angereisten Delegierten. „Potsdam wächst, soll ja nicht überall so sein.“ Das kam nicht gut an.
Woidkes Ergebnis war besser als beim letzten Parteitag 2014, als er mit 79,8 Prozent einen Denkzettel bekommen hatte. Den bekamen diesmal andere, wohl auch stellvertretend für ihn.
Zwar hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der in Brandenburg seinen Wahlkreis hat, in seiner Rede für Woidke geworben. Vom Parteitag müsse ein Signal ausgehen, sagte er. „Wir halten zusammen!“ Aber auch das hat in der SPD seine Grenzen. Unmut sucht sich Ventile. So erhielt die alte, neue Generalsekretärin Klara Geywitz aus Potsdam nur ein Ergebnis von 60,8 Prozent – was Woidke selbst auf die Kreisreform zurückführte und als „ungerecht“ bezeichnete. Bei der letzten Wahl 2014 hatte Geywitz, die innerparteiliche Umstrukturierungen vorantreibt, noch 67 Prozent bekommen. Geywitz hatte in ihrer Rede die Partei auf die Bundestagswahl 2017 eingeschworen, nachdem in Brandenburg das letzte Mal die Union fast alle Wahlkreise geholt hatte. „Wir werden angreifen und Wahlkreise zurückerobern.“ Brandenburgs CDU habe damals nur von Merkel profitiert. „Wer mit Merkel den Fahrstuhl hochfährt, fährt mit ihr auch wieder runter.“
Allerdings: Selbst Geywitz’ Vorgänger, der verstorbene langjährige SPD-Generalsekretär und Fraktionschef Klaus Ness, hatte meist nur 60er-Wahlergebnisse geschafft. Es war der erste Parteitag der SPD nach seinem Tod. Und die Genossen vergaßen, das war die schwerste Panne in der Regie, die Gedenkminute für den jahrelang wichtigsten Strategen der SPD, ohne den die Fraktion prompt an Einfluss und Kompetenz verlor.
Und auch die eigentliche Abstimmungs-Überraschung des Parteitages war alles andere als eine Woidke-Unterstützung. Als neuer Schatzmeister der Landes-SPD setzte sich Harald Sempf, Haupt- und Finanzdezernent in Falkensee (Havelland), gegen die vom Woidke- Vorstand nominierte Storkower Bürgermeisterin Corinna Schulze-Ludwig durch – womit Woidke, Geywitz und der SPD-Landesvorstand zum zweiten Mal patzten. Der Posten war vakant geworden, weil der langjährige Schatzmeister und Havelland-Landrat Burkhard Schröder in den Ruhestand gegangen war. Im ersten Anlauf war danach Wirtschaftsminister Albrecht Gerber nominiert worden, der später zurückzog, um den Anschein von Interessenkollisionen mit seinem Ministerjob zu vermeiden, wie es hieß. Für Sempf hatte der Unterbezirkschef des Havellandes, Staatssekretär Martin Gorholt, geworben, der seit Kurzem die Landesvertretung Brandenburgs beim Bund leitet. Die anderen Spitzen-Personalien gingen glatt durch, als Vize-Parteichefs wurden Innenstaatssekretärin Katrin Lange und Daniel Kurth gewählt.
Mit seiner Rede hatte Woidke gleich zu Beginn den Nerv der Delegierten getroffen. Wacklige Knie wie 2013 habe er nicht mehr, aber aufgeregt sei er immer noch, sagte er. Inhaltlich bekräftigte er den Führungsanspruch der SPD im Land. „Wir sind die Brandenburg-Partei“, sagte er. Deshalb werde man auch die nötige Kreisreform umsetzen, die natürlich „kein augenblicklicher Publikumshit“ sei. Man betreibe eben keine „billige Gefälligkeitspolitik“ wie die märkische Union, so Woidke. „Die Brandenburger CDU ist saft- und kraftlos.“ Die revanchierte sich am Wochenende prompt mit einer Presseerklärung, in der sie der SPD angesichts der Wahlergebnisse das „Bild einer zerrissenen Partei“ attestierte.
Im Kampf gegen den Rechtsextremismus grenzte der Regierungschef Brandenburg zu den Verhältnissen im benachbarten, CDU-regierten Sachsen ab. „Nie dürfen wir in unserem Land Bilder wie in Freital, Bautzen oder Heidenau zulassen“, sagte er. „In Brandenburg gibt es eine starke Zivilgesellschaft. Wir wissen, dass man Nazis nicht Straßen und Plätze überlassen darf.“
Auf dem Parteitag wurde zudem – die wichtigste Entscheidung – beschlossen, bis 2018 ein Modell für die künftige Kita-Betreuung zu entwickeln, das Familien entlaste. Einstieg in die Beitragsfreiheit soll noch in dieser Legislatur sein, zugleich soll die Kita-Qualität verbessert werden. Woidke: „Das wird das größte sozialpolitische Programm der nächsten Jahrzehnte.“ Der Vizeparteichef des Linke-Koalitionspartners, Sebastian Walter, forderte die Einführung eines beitragsfreien Kitajahres noch in dieser Legislaturperiode: „Warum also warten? Die parlamentarische Mehrheit dafür ist vorhanden.“
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