zum Hauptinhalt
Im Einsatz. Als das Mädchen in Hellersdorf verschwand, suchte die Polizei den Kiez an der Ernst-Bloch-Straße ab.

© Wolfgang Kumm/dpa

Brandenburg: Vermisst, entführt, gerettet

Das Mädchen in Berlin-Hellersdorf ging offenbar mit einem Mann mit. Als die Polizei kam, wollte er sterben

Stand:

Berlin - Es ist der Albtraum aller Eltern. Ein Kind spielt ganz in der Nähe seines Zuhauses und wird entführt. Genau das hat sich am Pfingstmontag in Hellersdorf ereignet. Das achtjährige Mädchen, das wie berichtet elf Stunden lang vermisst worden war, bevor es von selbst wieder zu seinen Großeltern zurückkehrte, ist von einem fremden, 25-jährigen Mann in dessen Wohnung gelockt worden. Dort hat der Entführer dem Kind aber nach den bisherigen Ermittlungen nichts angetan, sondern es später wieder freigelassen.

Am Dienstag sprachen Polizeiexperten mit dem Mädchen, danach führte es die Beamten zu der Wohnung des Mannes. Als dieser nicht öffnete, brachen Polizisten die Tür auf. Der Verdächtige lag schwer verletzt am Boden. Er hatte kurz zuvor einen Suizidversuch unternommen.

Der 25-Jährige liegt seither in einer Klinik. Er soll keine lebensgefährlichen Verletzungen haben, war laut Polizei am Dienstagnachmittag aber noch nicht ansprechbar. Ob er bereits wegen früherer Delikte polizeibekannt ist, konnten die Ermittler noch nicht sagen.

Das Mädchen hatte am Montagvormittag die Wohnung seiner Großeltern verlassen, bei denen es nach der Trennung der Eltern seit zwei Monaten lebt. Gemäß seiner Erzählung hatte der mutmaßliche Entführer das Kind auf dem Spielplatz angesprochen und offenbar derart eingeschüchtert, dass es seinem Willen nachkam und ihm in seine Wohnung in der Nachbarschaft folgte. Dort habe sie stundenlang mit dem Mann vor dem Fernseher gesessen, dieser habe sie nicht angefasst und nicht bedrängt, aber am Abend dann „der Wohnung verwiesen“, berichtete die Achtjährige. In dieser Zeit wurde sie von der Polizei bei einer spektakulären Aktion mit einem Großaufgebot und mit Hubschraubern gesucht.

Ein Polizeisprecher sagte am Dienstag, der Bericht des Mädchens sei „völlig glaubwürdig“. Das Kind, das von psychologisch geschulten Experten der Vermisstenstelle befragt wurde, sei sexuell nicht missbraucht worden. Deshalb sei bislang auch nicht vorgesehen, es entsprechend medizinisch zu untersuchen. Die Kollegen hätten die Achtjährige als zurückhaltend und ruhig beschrieben. Gesundheitlich gehe es dem Kind nach seiner Rückkehr zu den Großeltern gut. Die Oma des Mädchens war vor Erleichterung zusammengebrochen, als die Kleine gegen 22 Uhr wieder an der Wohnungstür klingelte.

Die Wohnung des mutmaßlichen Täters liegt an der Ernst-Bloch-Straße. Der 25-Jährige ist nach den bisherigen Erkenntnissen der Mieter. Weshalb er den Suizidversuch unternahm, war bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch unklar.

Die Ermittlungen bei Kindesentführungen koordiniert die Vermisstenstelle der Polizei. In Berlin und Brandenburg gab es in den vergangenen Jahren aber nur ganz wenige solcher Fälle. Die meisten Schlagzeilen machte im Februar 2011 die Entführung der vierjährigen Carolina in Kleinmachnow. Der Täter, ein hoch verschuldeter Zehlendorfer Geschäftsmann, hatte die Mutter vor der Kita mit einer Sense bedroht, das Kind an sich gerissen und war mit ihm im Auto davongerast. Dann erpresste er von den Eltern 60 000 Euro. Nach seiner Festnahme wurde der Mann zu neun Jahren Haft verurteilt.

Häufiger werden der Polizei hingegen angeblich versuchte Kindesentführungen gemeldet, bei denen sich später herausstellt, „dass gar nichts vorlag“. So gab es in den vergangenen Jahren mehrfach Fälle, bei denen interne Familienstreitigkeiten der Hintergrund waren oder Beobachtungen von Zeugen „falsch interpretiert wurden“. T. Buntrock und Ch. Stollowsky

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })