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Imkersorgen: Verseuchtes Wasser
Ein Tümpel in der Uckermark ist erheblich mit Herbiziden belastet. Anwohner machen den Maisanbau dafür verantwortlich
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Boitzenburger Land - Wegen eines mit Herbiziden verseuchten Tümpels in einem Maisfeld in der Uckermark fordern Anwohner, den Anbau von Mais zur Energiegewinnung einzudämmen. Mehrfach hatten Wasserproben ergeben, dass in dem Soll bei Stabeshöhe geltende Grenzwerte um das bis zu 120-Fache überschritten worden sind. Auch Spuren verbotener Pflanzenschutzmittel wurden festgestellt. Den Landwirten werfen Anwohner der Gemeinde Boitzenburger Land vor, aus Gewinnsucht beim Anbau von Energiemais bewusst „gute fachliche Praxis“ zu missachten und so die Natur zu zerstören. Imker machen das belastete Wasser für das Sterben ihrer Bienen verantwortlich. Schwere Vorwürfe erhebt auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) im Land Brandenburg. „Es gibt sogar Bauern, die lieber auf die Flächenprämie der EU verzichten, damit sie die Umweltauflagen nicht erfüllen müssen, weil sie so für ihren Energiemais höhere Gewinne erzielen können“, meint BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat.
Tatsächlich hat der Mais-Anbau in Brandenburg stark zugenommen. Dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zufolge ist er 2011 auf den Rekordumfang von 167 000 Hektar gestiegen. Das seien acht Prozent mehr als noch 2010, teilten die Statistiker im Frühsommer mit. Der Zuwachs sei vor allem dem Einsatz des Mais in den zahlreichen Biogasanlagen des Landes geschuldet, heiß es weiter. Experten sprechen bereits von einer sogenannten Vermaisung der Landschaft.
Wie an vielen anderen Stellen in der Uckermark, etwa rund um Gerswalde oder bei Ringenwalde, wachsen auch bei Stabeshöhe seit mehreren Jahren ausschließlich Maispflanzen. Gert Müller sieht dadurch sein „Naturparadies“ bedroht. Vor rund 20 Jahren ist der Berliner Musiker mit seiner Frau nach Stabeshöhe gezogen. Seit in der Umgebung verstärkt Mais angebaut werde, habe er den Eindruck, gebe es immer weniger Sommerblumen, würden immer weniger Schmetterlinge fliegen. Er sei natürlich kein Biologe, habe aber ein „Recht auf einen laienhaften Eindruck“, findet der Berliner. Imker Udo Fetzer ist sich dagegen sicher: Der übermäßige Herbizid-Einsatz der Maisbauern tötet seine Bienen. Allein 2010 habe er 35 Völker verloren. „Die Bienen nehmen das überdüngte Wasser auf“, sagt der pensionierte Biologielehrer. Anschließend tränkten sie damit die Larven. Mit Herbiziden belastete Bienen seien für Parasiten anfällig, meint Fetzer.
Anfang Juni wollten es Müller und seine Frau genau wissen. Exemplarisch suchten beide eine Stelle, von der sie eine Probe entnehmen und von einem Labor analysieren lassen wollten. „An dem Tümpel kommen wir immer vorbei“, begründet Müller seine Wahl. Etwa 470 Euro hat das Ehepaar nach eigenen Angaben für die Untersuchung in einem Berliner Labor bezahlt. Das Ergebnis war schockierend. Nicht nur wurden zugelassene Pflanzenschutzmittel in deutlich zu hoher Konzentration nachgewiesen, auch fanden die Forscher den Wirkstoff Simazin, der seit elf Jahren in Deutschland verboten ist. Der Stoff wurde früher häufig beim Anbau von Mais verwendet, ist aber für Fische tödlich und führt bei Ratten und Mäusen zu Tumoren. Zusammen haben Müller, seine Frau und der BUND bei der Staatsanwaltschaft Potsdam Strafanzeige gegen Unbekannt gestellt und das Landesagrarministerium zum naturschutzrechtlichen Einschreiten aufgefordert.
Die Felder rund um den verseuchten Tümpel gehören zur Agrarservice Jakobshagen GbR. Geschäftsführer Stefan Fürstenau weist jegliche Schuld von sich. Wo das Simazin herkomme, könne er auch nicht erklären. „Wir haben das nicht eingesetzt“, versichert er. Derzeit baue er auf etwa 45 Prozent seiner Felder Mais an. Zwar sei der Anbau von Mais zur Energiegewinnung eine „relativ wichtige Sache“, dass sich die Bauern damit jedoch goldene Nasen verdienen würden, sei überzogen. Die Preise mit den Biogasanlagenbetreibern seien ohnehin in längerfristigen Verträgen festgeschrieben. Falsch sei auch die Annahme, die Landwirte würden übermäßig Herbizide einsetzen. „Einmal im Frühjahr und das war’s.“ Andere Kulturen wie Weizen, Roggen oder Raps müssten viel häufiger behandelt werden, sagt Fürstenau.
Die Ergebnisse des Berliner Labors hat auch das brandenburgische Landesamt für ländliche Entwicklung und Flurneuordnung (LELF) in Frankfurt (Oder) bestätigt. Eine zusätzliche Bodenprobe habe allerdings gezeigt, dass der Landwirt alle Anwendungsbestimmungen eingehalten habe, sagt Jens Zimmer vom Pflanzenschutzdienst des LELF. Etwas ratlos ist er im Bezug auf das Simazin. Die zuständige Zulassungsbehörde, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, habe mitgeteilt, dass die Spuren aus Verunreinigungen zugelassener Mittel stammen könnten, berichtet Zimmer. Ein Vergehen Fürstenaus lässt sich nach Meinung des LELF-Experten nicht nachweisen. Zumal die Grenzwerte strenggenommen für Trink- und Grundwasser, aber nicht für Oberflächenwasser wie in dem Tümpel gelten würden, sagt Jens Zimmer. Auch sei es zutreffend, dass beim Maisanbau eigentlich vergleichsweise wenige Herbizide eingesetzt würden. „Trotz allem sind die Werte nicht in Ordnung. Da muss etwas passieren.“
Fürstenau hat vom Landesamt mittlerweile die Auflage erhalten, den bereits vorhandenen Grünstreifen um den Soll um zehn Meter zu verbreitern. Damit soll verhindert werden, dass Pflanzenschutzmittel zu leicht in den Tümpel gewaschen werden. Gert Müller findet das ein „bisschen dürftig“. Zusammen mit mehreren Anwohnern hat das Ehepaar vor wenigen Tagen einen Acht-Punkte-Forderungskatalog zusammengestellt und an Biogasanlagenbetreiber, Behörden und Politiker geschickt. Unter anderem wird ein Stopp des Maisanbaus auf Hanglagen verlangt, da Mais erst spät im Jahr austreibe und deshalb abschüssige Äcker lange der Erosionsgefahr ausgesetzt seien und Herbizide bei starkem Regen somit leicht abgeschwemmt werden könnten. Auch schaffe die Förderung des Anbaus von nachwachsenden Rohstoffen über das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) falsche Anreize. Ferner fordern die Anwohner, Verkäufe und Verpachtungen von Ackerland an „Biogas-Unternehmer“ sofort zu stoppen.
Auch Jens Zimmer sieht die Vermaisung „mit gemischten Gefühlen“. Mais sei eine humuszehrende Pflanze, der Anbau in Monokulturen lauge auf Dauer die Böden aus, sagt der LELF-Experte. Darunter leide auch die biologische Vielfalt. Ob wegen des Maises auch weniger Schmetterlinge und Bienen in Stabeshöhe fliegen, ist noch nicht geklärt. Belastbare Untersuchungen zu Schäden durch die Vermaisung gibt es laut NABU bislang nicht.
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