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Brandenburg: Vogel: Rot-Rot wirft Klimaziele über Bord
Wirtschaftsminister Christoffers (Linke) hält neues Kraftwerk in Jänschwalde auch ohne CCS für möglich
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Cottbus - Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) hält ein neues Braunkohlekraftwerk in Jänschwalde auch ohne die Abtrennung von Kohlendioxid (CO2) aus dem Rauchgas für möglich. Das sehe ein Szenario der geplanten Energiestrategie 2030 vor, falls es künftig kein CCS-Gesetz über die Verpressung des Klimagases CO2 gibt, sagte er am Donnerstag in Cottbus vor dem Brandenburger Braunkohlenausschuss. Die Landesregierung setze weiterhin auf die Braunkohleverstromung als Brückentechnologie, bis der Bedarf vollständig aus erneuerbaren Energien gedeckt werden kann. Die langfristige Energiestrategie soll nach breiter Diskussion im nächsten Frühjahr verabschiedet werden.
Generell will die rot-rote Landesregierung Brandenburgs an der Braunkohleverstromung festhalten. Dieser heimische Rohstoff sei als Brückentechnologie unverzichtbar, bis der Bedarf aus erneuerbaren Energien und Gaskraftwerken gedeckt werden kann, sagte Christoffers. Um die märkischen Klimaschutzziele zu erreichen, müsse die Frage der CCS-Technologie – auf Englisch Carbon Capture and Storage – zur Lagerung des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) geklärt werden, äußerte Christoffers. „Es bleibt bei der Position der Landesregierung, dass CO2 nur dann gespeichert wird, wenn es eine bundeseinheitliche Regelung und die Akzeptanz der Bevölkerung gibt.“ Das CCS-Gesetz war wegen einer Ausstiegsklausel Ende September im Bundesrat abgelehnt worden, seitdem bemüht sich der Vermittlungsausschuss um eine Lösung.
Kritik an Christoffers kam von der Grünen Liga Brandenburg. „Die Landesregierung muss sich an ihre Zusage halten, keine neuen Tagebaue zuzulassen, wenn keine CO2-Abscheidung kommt“, sagte ihr Sprecher René Schuster. Das in der Energiestrategie 2020 genannte Ziel, den Ausstoß des Treibhausgases bis 2030 auf 23 Millionen Tonnen pro Jahr etwa zu halbieren, sei – wenn überhaupt – nur durch Abschalten des Kraftwerkes Jänschwalde erreichbar.
Der Vorsitzende der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen im Brandenburger Landtag, Axel Vogel, sagte: „Jetzt ist die Katze aus dem Sack. Die Landesregierung ist bereit, ihre Klimaschutzziele über Bord zu werfen, um die Braunkohleverstromung langfristig festzuschreiben.“ Damit sei der rot-rote Koalitionsvertrag, der die Einhaltung dieser Klimaschutzziele erneut festgeschrieben hatte, Makulatur. „Brandenburg droht eine grundfalsche Weichenstellung, die das Land klimapolitisch ins Abseits stellen würde. Der CO2-Ausstoß hat vergangenes Jahr weltweit eine Rekordmarke erreicht.“
Der Chef des Energiekonzerns Vattenfall Europe, Toumo Hatakka, kündigte kürzlich an, dass der Konzern ohne CCS-Gesetz keine neuen Kohlekraftwerke mehr bauen wird. Aus der Deutschlandzentrale des Konzerns hieß allerdings ergänzend, eine Instandsetzung und Erneuerung sei aber nicht ausgeschlossen. Vattenfall betreibt in Brandenburg mehrere Tagebaue und Kraftwerke. Vattenfall plant in Jänschwalde ein 300-MW-Demonstrationskraftwerk mit CCS-Technik bis 2015. Doch nach dem vorläufigen Scheitern des CCS-Gesetzes steht diese Investition in Höhe von 1,5 Milliarden Euro auf der Kippe.
Auch Ostbrandenburger Bürgerinitiativen gegen die unterirdische Lagerung von Kohlendioxid fordern den Ausstieg aus der Braunkohle. Der Bauernbund Brandenburg verlangte von der Landesregierung eine verbindliche Zusage für die Bewohner der von Abbaggerung bedrohten Ortsteile von Welzow, Proschim, Grabko, Kerkwitz und Atterwasch, ihre Heimat nicht zu zerstören.
Christoffers betonte, auch ohne CCS-Gesetz sei eine Verpressung von Kohlendioxid in Europa nicht vom Tisch. So werde zurzeit geprüft, ob CO2 aus Kohlekraftwerken und der Industrie in Rohrleitungen zu europäischen Küstenstandorten geleitet und dort unterirdisch eingelagert werden kann, zum Beispiel in Norwegen.
Für die Erarbeitung der Energiestrategie 2030 würden zum Standort Jänschwalde drei Szenarien geprüft, berichtete der Minister. Das sei wie geplant die Stilllegung der 3000-Megawatt-(MW)-Anlage bis 2030, der Neubau eines 2000-MW-Kraftwerkes mit einem Wirkungsgrad von 50 Prozent oder der Neubau einer 2000-MW-Anlage mit einem Wirkungsgrad von 44 Prozent und einer CO2-Abtrennung von mehr als 90 Prozent. Fest steht aber bereits, dass Brandenburg die ursprünglichen, von Christoffers Amtsvorgänger Ulrich Junghanns (CDU) formulierten Klimaziele für 2030 nicht einhalten wird. axf/dpa
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