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Brandenburg: „Vollständige Sicherheit kann es nicht geben“
Der Hydrologe Axel Bronstert über Hochwasserschutz, die Rolle von Klimaänderungen und das relativ geringe Risiko für Potsdam
Stand:
Herr Bronstert, das Hochwasser ist in Brandenburg angekommen. Was kommt noch auf uns zu?
Bei der Elbe sieht es in einigen Abschnitten kritisch aus, was den zu erwartenden Maximalwasserspiegel betrifft. Bislang halten dort die, größtenteils in den letzten Jahren ertüchtigten, Deiche. Was beim Hochwasserereignis 2002 in vielen Bereichen Sachsens und Sachsen-Anhalts nicht der Fall war. An der Schwarzen Elster ist am Mittwochmorgen allerdings ein Deich gebrochen. Gefährdet sind in Brandenburg prinzipiell einige Bereiche entlang der Oder und der Elbe. Aktuell hat die Oder aber kaum Probleme.
Ist auch ein überflutetes Potsdam oder Berlin denkbar?
Potsdam und Berlin sind tatsächlich von dem hier aufgetretenen Hochwassertyp – Flusshochwasser an großen Flüssen – nicht bedroht. Das liegt insbesondere daran, dass die Spree südlich von Berlin durch den Spreewald fliest. Falls in der Spree im Gebiet oberhalb des Spreewalds ein Hochwasser auftritt – wie momentan etwa bei Spremberg und Cottbus –, wird diese Hochwasserwelle im Spreewald über die Ufer treten und in die vielen dortigen Verästelungen der Spree fließen und damit die Welle so stark dämpfen, dass in Berlin und Potsdam kaum noch ein Effekt spürbar sein wird. In Berlin und Potsdam können allerdings Überschwemmungen mit hohem Schadenspotenzial prinzipiell – wie in anderen Städten auch – durch starke Gewitter verursacht werden. Das ist aber in der aktuellen Lage nicht von Belang.
Warum ist man elf Jahre nach der letzten Katastrophe genauso schutzlos wie zuvor?
Nach den Fluten von 1997 (Oder) und 2002 (Elbe) und weiteren Ereignissen sind eine Reihe wichtiger und richtiger Maßnahmen beschlossen und großteils auch durchgeführt worden, insbesondere die Ertüchtigung maroder Deiche an Oder und Elbe. Diese sind allerdings noch nicht alle beendet. So etwas dauert eben doch längere Zeit. Zudem muss klar sein, dass es eine vollständige Sicherheit gegen Überflutungen nicht geben kann, dies gilt besonders für tiefliegende Bereiche in der Nähe großer und kleiner Flüsse.
Wurden wichtige Maßnahmen zum Hochwasserschutz versäumt?
Kaum. Allerdings gibt es vereinzelt einige tiefliegende Bereiche in Flussnähe, welche in den letzten 10 bis 20 Jahren überschwemmt und die dort gelegenen Häuser zerstört wurden. Die Wiederaufbaumaßnahmen hätte man in diesen wenigen Fällen besser an etwas höher gelegenen Standorten vorgenommen. Zudem ist wichtig, dass die Fähigkeit zu einer möglichst verlässlichen Hochwasservorhersage erhalten bzw. weiter verbessert wird. Eine gute, genaue und rechtzeitige Hochwasservorhersage erlaubt den zuständigen Einrichtungen und der Bevölkerung, sich vorzubereiten und richtig zu agieren. Dafür dürfen Messstationen für die Abflussraten an den Flüssen und für die Niederschläge nicht verringert werden, wie das zuweilen diskutiert wird, oder sogar schon erfolgt ist. Auch müssen diese Daten für Zwecke der Hochwasseranalyse und -vorhersage frei, kurzfristig und einfach verfügbar gemacht werden.
Welche Rolle spielen die Hochwasserschutzpolder?
Gezielt steuerbare Hochwasserschutzpolder – also Überflutungsflächen – können einen Teil der Hochwasserwelle kappen. Je größer das Hochwasser, desto geringer ist allerdings die Reduktionswirkung. Hochwasserschutzpolder können also nur zu einer gewissen Minderung des Hochwassers führen, nicht zu dessen Verhinderung. Für solche Polder benötigt man sehr viel Platz, welcher in unserem relativ dicht besiedelten Land nicht leicht bereitgestellt werden kann. Entlang der Elbe gibt es große Polderräume im Bereich der Havelmündung – die größten Flusspolder in Deutschland –, welche beim Hochwasser 2002 genutzt wurden und dabei eine Reduktion des Wasserscheitels um rund 40 Zentimeter gebracht haben. In Sachsen-Anhalt wurden in den letzten Jahren in Axien-Mauken (Elbe) und bei Rösa (Mulde) weitere Hochwasserpolder angelegt, die jeweils auch 20 bis 30 Zentimeter Absenkung des örtlichen Hochwasserscheitels bringen können. Diese Polder sind aber noch nicht fertiggestellt. Wenn sie bis heute schon verwirklicht worden wären, dann gäbe es dort jetzt etwas Handlungsspielraum zur Minderung des Hochwasserscheitels. Es sind aber große Infrastrukturprojekte, die gut geplant werden müssen und deren Finanzierung auch nicht einfach ist. Also dauert es
Kann überhaupt etwas dagegen getan werden, dass an Flüssen gelegene Städte durch Hochwasser überflutet werden?
Es gibt einige Städte, wie Grimma und Passau, die aufgrund ihrer Lage für Teilbereiche eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit der Überflutung aufweisen. Man könnte im Prinzip dort am Flussufer sehr hohe Mauern bauen. Diese will aber in Nicht-Hochwasserzeiten niemand haben, denn sie würde den Fluss und die Stadt komplett trennen, und damit die Attraktivität dieser Stadtbereiche zerstören, abgesehen von der kaum zu bewältigenden Finanzierung solcher Superdeiche.
Welche anderen Lösungen gibt es?
Es gibt auch mobile Hochwasserschutzmauern, die nur für den Zeitraum des Hochwassers installiert werden. Solche werden momentan immer öfter eingesetzt, etwa in Regensburg und in Prag. Sie sind aber ebenfalls teuer und können auch nur bis zu einer beschränkten Höhe funktionieren. Generell sinnvoll ist, dass die Gebäude in potenziell überflutbaren Bereichen der Flussstädte so ausgerüstet werden, dass sie Hochwasser mit relativ geringen Schäden überstehen. Dafür gibt es inzwischen eine recht große Maßnahmenpalette.
Wir haben nun zwei Jahrhundertfluten in einer Dekade erlebt. Kommt das nun häufiger vor als einmal im Jahrhundert?
Eine allgemeingültige Antwort lässt darauf nicht geben. Der Wert einer Jahrhundertflut ist ein Begriff aus der Wahrscheinlichkeitslehre. Um eine recht genaue Aussage über den Wert eines solchen – im Mittel – sehr seltenen Ereignisses machen zu können, benötigt man sehr lange Datenreihen. Am besten von einer Dauer von mehreren hundert Jahren. Solche Datengrundlagen sind selten gegeben, so dass wir den Wert einer „Jahrhundertflut“ tatsächlich nicht genau kennen. Zum Teil haben wir daher den Wert „Jahrhundertflut“ bislang nicht richtig abgeschätzt, so dass bestimmte Werte bzw. bestimmte Hochwassertypen eben doch häufiger auftreten können, als wir das bislang angenommen haben.
Welche Häufungen sind zu beobachten?
Es gibt für einige Flüsse Hinweise, dass große – seltene – Hochwasserereignisse häufiger auftreten als vor einiger Zeit. Dies kann beispielsweise mit Flussbaumaßnahmen zusammenhängen – etwa am Oberrhein – oder auch mit Klimaänderungen, etwa im Zusammenhang mit erhöhtem Auftreten bestimmter Wetterkonstellationen. Es gibt übrigens auch eine Reduktion von bestimmten Überschwemmungsursachen zu konstatieren, etwa Hochwasser infolge von Eisstau im Winter, oder verminderte Überschwemmungen bei mittleren Hochwasserereignissen durch Hochwasserschutzbauwerke.
Sind die aktuellen Hochwasserkatastrophen Folgen des Klimawandels?
Der Klimawandel ist bereits in Gange, keine Frage, und seine Ausprägung wird sich in den nächsten Jahrzehnten verstärken. Zu den Auswirkungen gehört vermutlich auch, dass sich die Häufigkeit und Magnitude für bestimmte Hochwassertypen ändert. Trotzdem ist es weniger zielführend, die Probleme von Überschwemmungen schwerpunktmäßig mit der Klimaänderung zu diskutieren. Von höherer Relevanz ist, welche Vorkehrungen für überschwemmungsgefährdete Bereiche entlang der Flüsse getroffen werden, wie gut die Vorhersagen und Warnungen sind und kommuniziert werden, wie adäquat bauliche Maßnahmen des Hochwasserschutzes sind, und dass keine Neubaugebiete in überschwemmungsgefährdeten Bereichen genehmigt werden.
Das Interview führte Jan Kixmüller
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