zum Hauptinhalt

Brandenburg: Vorbild Russland

Matthias Platzeck wirbt in Moskau mit Manfred Stolpe und bringt vielleicht einen Großauftrag für Rolls-Royce zurück

Stand:

Matthias Platzeck wirbt in Moskau mit Manfred Stolpe und bringt vielleicht einen Großauftrag für Rolls-Royce zurück Von Thorsten Metzner, Moskau Ach ja, da wären noch die Grüße von Manfred Stolpe, die er unbedingt ausrichten will. „Er ist bei uns jetzt Bundesminister für Verkehr. Das ist auch gut für Brandenburg“, sagt Matthias Platzeck. „Es gilt eben die alte Regel: Beziehungen sind gut für den, der sie hat.“ Verständnisvolles Nicken ringsum. Russland sei weit, lästert nur einer aus der Brandenburger Delegation leise. „Hier kann man mit Stolpe noch werben.“ Aber Boris Gromov, Platzecks Gegenüber am Konferenztisch, lächelt. Sie verstehen sich, der Gouverneur des Moskauer Gebietes und sein Gast, der zunächst von seiner Jugendliebe für sowjetische Filme schwärmte. „Leuchte, mein Stern, leuchte“; in den Augen mancher Russen blitzte es da vergnügt. Das boomende Umland um die russische Metropole, der Speckgürtel Moskaus, ist seit zehn Jahren Partnerregion Brandenburgs. Freilich, von den Zahlen, die Gromov herunterdekliniert, können seine Gäste an diesem nasskalten Wintermorgen, wo sich Moskau im Matsch statt mit der berühmten klirrenden Kälte präsentiert, nur träumen: Das Haushaltsvolumen habe sich gegenüber dem Vorjahr um das 3,5-fache erhöht, allein im Vorjahr investierten ausländische Investoren 1,25 Milliarden US-Dollar, erzählt Gromov. „Wir nehmen uns dabei immer Brandenburg zum Vorbild.“ Die Höflichkeiten sind schnell ausgetauscht, für einst übliche langatmige Freundschaftsadressen haben Platzeck und Gromow keinen Sinn. Die Uhren ticken heute schneller in Russland. So wird prompt auf offener Bühne verhandelt, sogar die Journalisten dürfen dabei sein: Punkt für Punkt spricht Matthias Platzeck die Felder an, in denen sich die mitgereisten Mittelständler und Firmenverträge Aufträge versprechen: Plattenbausanierung, Abfallentsorgung. Und Gromov, der als zurückhaltend wie einflussreich gilt, reagiert offen, weit offener als es die Brandenburger erwartet haben. Er erteilt seinem Vize-Gouverneur Aufträge, kurz, präzise. Und überrascht mit klaren Worten: Er sehe gute Chancen, dass die neue Generation von Tupolev-Flugzeugen mit Rolls-Royce-Triebwerken aus dem Brandenburgischen ausgerüstet wird. Das Werk stünde in seiner Region. Seit acht Jahren wird in dieser Angelegenheit verhandelt. Die Brandenburger rätseln: Naht wirklich der Durchbruch? Skepsis bleibt. Denn man braucht unendliche Geduld, um in Russland Geschäfte zu machen, und Diskretion. So wird während der Platzeck-Reise im Hintergrund über die Modernisierung russischer Kraftwerke verhandelt, an der das MTU-Werk in Ludwigsfelde interessiert ist. Nein, keine Auskünfte. Ein Wunsch der Russen. Matthias Platzeck hat es nicht leicht als Klinkenputzer, weil es schwer ist, für zumeist kleine märkische Firmen in Russland Fuß zu fassen. „Es ist Neuland für ihn. Aber er bemüht sich wirklich“, sagt Uwe Leuschner anerkennend. Der Logistikunternehmer weiß, wovon er spricht. Er beschäftigt heute in Moskau 300 Mitarbeiter, will weiter expandieren. Er berichtet aber auch, dass es sich bis hierher herumgesprochen hat, dass Brandenburgs Ruf durch spektakuläre Pleiten gelitten habe. Dennoch wird Platzeck, wird den Brandenburgern während der Reise viel Lob gezollt, für die kluge Verhandlungsführung, überhaupt für das Engagement des Landes in Russland. „Die Atmosphäre stimmt. Mehr ist aus solchen Gesprächen nicht herauszuholen“, sagt Hans-Friedrich von Ploetz, Deutschlands Botschafter in Moskau. Und Brandenburg habe eine wirklich „aktive Außenhandelsplattform“ in Moskau. „Die weiß, wo man ansetzen muss, wenn man hier Erfolg haben will.“ Und auch Platzeck spürt schnell, dass Brandenburg ohne diese beiden Männer in diesem fremden Land ziemlich aufgeschmissen wäre: Den Leiter Rolf Meinig, einen ostdeutschen Geschäftsmann und intimen Kenner der russischen Verhältnisse. Und Juri Semjonow, einst Abteilungsleiter im Zentralkomitee der KPdSU. Einer, so Platzeck, „der einflussreich ist, ohne ein Amt zu haben.“ Klar, andere Bundesländer griffen für Werbung im Ausland tiefer in die Tasche, erzählt Meinig. So habe Nordrhein-Westfalen jüngst eine Drei-Tage-Präsentation organisiert, die mit 70 Mitarbeitern vorbereitet wurde und rund zwei Millionen Euro teuer war. Die Vorbereitung der Platzeck-Reise habe 50 000 Euro gekostet, erzählt Meinig, an dessen Auto ein frecher Werbespruch kleben soll: „Sponsor des Landes Brandenburg.“ In Moskau öffnet er Platzeck die Türen. Donnerstagnachmittag: Der Moskauer Bürgermeister Juri Luschkov empfängt den Brandenburger Regierungschef in seiner Residenz, einem Prunksaal mit goldenen Kronleuchtern. Als Luschkov berichtet, dass in Moskau im vorigen Jahr ausländische Investoren zwölf Milliarden Dollar investierten, fragt Platzeck sicherheitshalber nach: „Wurde das auch richtig übersetzt?“ Man könne, sagt Platzeck, viel lernen in diesem so unterschätzten Russland.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })