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Brandenburgs Verfassungsschutz-Chefin: "Vorschnelle Schlüsse bei NSU-Ermittlungen"

Die Pannen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU haben die letzten Monate von Winfriede Schreiber Amtszeit überschattet. Brandenburgs oberste Verfassungsschützerin hofft künftig auf mehr Sensibilität.

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Potsdam - Für Brandenburgs Verfassungsschutz-Chefin Winfriede Schreiber sind die Pannen bei den Ermittlungen zur Neonazi-Terrorzelle NSU auf vorschnelle Schlüsse zurückzuführen. "Das ist ein Problem, das wir immer wieder haben: Der Blick wird vorschnell auf Lösungs- und Erklärungsmodelle verengt", sagte Schreiber am Mittwoch in Potsdam der Nachrichtenagentur dpa. Die Juristin leitet den Verfassungsschutz in Brandenburg seit 2005. Ende Mai geht sie in Ruhestand. Das Thema NSU belastet sie: "Wir waren nicht so gut, um solche Morde zu verhindern", so Schreiber.

Frau Schreiber, ihre Behörde hat in den 1990er Jahren einen V-Mann mit dem Decknamen "Piatto" auf die rechtsextreme Szene in Brandenburg angesetzt. Von ihm kamen 1998 Hinweise auf ein Neonazi-Trio. Sein Einsatz ist heute umstritten. Petra Pau, Obfrau der Linken im NSU-Untersuchungsausschuss, bezeichnete seine Geschichte in den "Potsdamer Neuesten Nachrichten" als eine der "unappetitlichsten".

Schreiber: "Man muss die damalige Situation sehen. Der Verfassungsschutz war damals im Aufbau. In Brandenburg hatte es mehrere Morde gegeben. In dieser Situation, wo niemand was wusste, musste man nach Informationsmöglichkeit suchen. Außerdem ist alles kritisch von der Parlamentarische Kontrollkommission begleitet worden. Es gab nichts, was sie nicht wussten und nichts, was sie nicht geprüft und gebilligt haben.

"Piatto" hat eine Straftat begangen - und die Strafe dafür verbüßt. An seiner Entlassung auf Bewährung nach Zweidrittel der Haftzeit ist nichts Ungewöhnliches. Eine Sonderleistung wäre eine Halbstrafe gewesen. Der Mann hat die Informationsgewinnung auch als eine Form der Wiedergutmachung angesehen und ist heute beruflich integriert."

Wie wichtig war die Quelle?

Schreiber: "Von ihm sind weit über 250 Informationen zu geplanten Aktivitäten und Konzerten in Brandenburg gekommen. Es ging um Gewalttaten, um Waffenkäufe oder einen Rohrbombenanschlag, der verhindert werden konnte. Damals waren Informationen, die durch ihn gewonnen werden konnten, essenziell für Repressionen gegen wirklich martialische Kameradschaften. Er galt als gute Quelle, die am meisten und zuverlässig geliefert hat. Das ist damals auch von anderen Ländern so gesehen worden."

Auch mit Blick auf die NSU?

Schreiber: "Er hat etwas weniger als 10 Hinweise zu diesem Trio gegeben. Diese hat Brandenburg weitergegeben. Man hätte etwas von seinen Aussagen ablesen können. Er hatte von Waffen und von einem Überfall gesprochen. Da hätte man auch den Horizont der Betrachtung weiter ziehen können. Wenn Extremisten abtauchen, liegt es eigentlich auf der Hand, sich zu fragen, wie sie sich finanzieren. Die Schrift war an der Wand - aber sie ist nicht richtig gelesen worden."

Die Fragen stellte Marion van der Kraats/dpa

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