Von Alexander Fröhlich: Wachschützer statt Polizisten
In Prenzlau patrouillieren private Fußstreifen Das ist politisch umstritten, die Bürger finden es gut
Stand:
Prenzlau – Für Hendrik Sommer ist es ein erfülltes Wahlkampfversprechen. Seit Mai patrouillieren private Wachschützer in Uniform durch Prenzlau (Uckermark), die Bürger der Stadt sollen sich sicherer fühlen. Doch in Zeiten der Polizeireform in Brandenburg, die einen radikalen Stellenabbau und die Schließung zahlreicher Wachen vorsieht, wird die City-Streife zum Politikum. Der parteilose Bürgermeister hatte nach seiner Wahl vor knapp einem Jahr ein Konzept vorgelegt, „um die Sicherheit und Ordnung in der Stadt zu verbessern. Das ist Prävention.“ Denn die Kosten für Vandalismusschäden explodierten zuletzt, vier Mitarbeiter privater Wachschutzfirmen gehen nun in Zweier- Teams durch die Stadt, etwa im Plattenbau-Gebiet, „das ist unser Klein-Marzahn“. Knapp 40 000 Euro kostet das. Weitere Streifen-Teams sollen hinzukommen.
Ursprünglich hatte die Streife nichts mit dem Umbau der Polizei zu tun. Doch inzwischen sagt selbst Sommer, sein Sicherheitsprojekt hänge doch irgendwie damit zusammen. „Das ist Hilfe zur Selbsthilfe. Die Polizeireform hat schon Auswirkungen, da muss man sich als Kommune kümmern.“ Immerhin wird Prenzlau, die Landesgartenschau 2013 steht bevor, seine Wache, den Sitz des Schutzbereichs, wohl behalten. Doch die Beamten sind überlastet, Fußstreifen gibt es kaum, bald werden sie auch zuständig sein für Städte wie Schwedt, das seine Wache wohl verlieren wird. Landesweit sollen überdies 1900 von 8900 Stellen bis 2020 wegfallen. „Der Druck auf die Stadt ist hoch, für Ersatz zu sorgen. Die City-Streife ist aber nur eine Ergänzung, keine Alternative zur Polizei“, erklärt der Bürgermeister.
Tatsächlich können die Wachschützer nur Jedermannsrechte ausüben, sie tragen keine Waffen, haben aber einen Hund und Handys dabei. Wenn sie einen Straftäter auf frischer Tat ertappen, dürfen sie ihn festhalten, müssen aber gleich die Polizei holen. „Hier wird den Bürgern nur Sicherheit vorgegaukelt, das staatliche Gewaltmonopol liegt bei der Polizei, nicht bei privaten Sicherheitsfirmen“, beklagt Andreas Schuster, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Brandenburg. Die Kommunen reagierten damit aber auf den bevorstehenden Personalabbau. „Wenn die Landesregierung jetzt nicht umsteuert, werden weitere Städte folgen, wenn sie es sich leisten können. Dann wird die innere Sicherheit zu einer Geldfrage, dann haben wir bald eine Zwei-Klassen-Gesellschaft.“ Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg, hält die Idee – Wachschutz statt Polizei – für Unsinn. Es wäre nicht klug, in Vorgriff auf die Reform, die bald den Landtag beschäftigt, private Wachdienste zu engagieren. „Dann bekommen wir langsam amerikanische Verhältnisse.“ Das Innenministerium versucht, die Debatte klein zu halten und spricht von einer schiefen Argumentation. „Das ist an den Haaren herbei gezogen“, sagt Ministeriumssprecher Ingo Decker. „Prenzlau ist nicht die Bronx, die Polizei ist Manns genug, ihre Aufgaben voll wahrzunehmen, sie ist da, wenn sie gebraucht wird.“ Wenn Kommunen das nicht ausreiche, könnten sie als Ordnungsbehörde auf Sicherheitsunternehmen zurückgreifen, „das liegt allein bei ihnen“.
Ob weitere Städte Prenzlau folgen, ist ungewiss. „Mir ist nichts bekannt“, sagt Geschäftsführer Böttcher. Das Innenministerium prüft, wo noch Wachdienste eingesetzt werden. Nur Gewerkschaftschef Schuster erklärt, in einigen Kommunen gebe es konkrete Überlegungen. Wo aber, das sagt er nicht. Immerhin kommt Bürgermeister Sommer damit an: „Die Bürger sagen mir, das ist eine tolle Sache.“
Indes hat Innenminister Rainer Speer (SPD) den Kommunen gestern Kooperationsbereitschaft signalisiert. „Er hat uns Gespräche mit den Bürgermeistern aller Kommunen angeboten, die eine Wache haben“, sagte Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes. Die betroffenen Bürgermeister wollen nun ihre Forderungen bündeln. „Es geht nicht um Totalverweigerung“, sagte Böttcher. „Aber die Rasenmähermethode ist nicht das Richtige.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: