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BIO-MARKT BERLIN-BRANDENBURG: Wachstumsschub aus Berlin Wachsende Nachfrage, wachsende Bedeutung

Brandenburgs Landwirtschaft steckt mitten in einer Öko-Wende. Besonders die Nachfrage der Hauptstädter nach Bio-Produkten macht“s möglich. Doch die Öko-Bauern produzieren viel zu wenig

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Potsdam - Vor allem umweltbewusste Berliner bescheren märkischen Bauern derzeit eine Öko-Wende: Die industrielle Landwirtschaft nach DDR-Vorbild weicht vielerorts ökologischer Landwirtschaft. „Noch vor fünf Jahren mussten viele Bio-Bauern ihre Produkte zu Billigpreisen verramschen, wurden Bio-Milch, Bio-Getreide und Öko-Fleisch meist zusammen mit konventionellen Produkten zu Billigprodukten verarbeitet, sagte Brandenburgs Umwelt- und Agrarminister Dietmar Woidke gestern in Potsdam.

Dies habe sich vor allem wegen der enorm gewachsenen Nachfrage nach regionalen Bio-Produkten in Berlin grundlegend geändert, sagte Professor Martina Schäfer vom Zentrum für Technik und Gesellschaft der Technischen Universität (TU) Berlin gestern in Potsdam. Doch in Berlin stünden noch immer zu wenig märkische Bio-Produkte in den Regalen. „Da muss in der Vermarktung und in der Verarbeitung mehr geschehen“, so Woidke.

Auch Brandenburg muss nach Ansicht von Wissenschaftlern mehr auf die Bio- und Öko-Branchen setzen als bisher. „Es muss sich mehr als Land der ökologischen Landwirtschaft und des Naturtourismus vermarkten – darin liegt die Zukunft des Landes – gerade auch in den ländlichen Regionen“, so Schäfer. Sie hatte mit einem Forschungsteam der TU und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin im Auftrag von Bund und Land über fünf Jahre die Entwicklung der Bio-Bauern in Brandenburg untersucht.

Brandenburg sei im Bio-Landbau bundesweit bereits Spitzenreiter, könne aber noch immer nicht die Nachfrage auf dem Berliner Markt befriedigen (siehe Kasten), so Schäfer gestern auf der Abschlusstagung zum Forschungsprojekt.

Für das Forscherteam ist die ökologische Ausrichtung der brandenburgischen Landwirtschaft und des Tourismus nicht allein Aufgabe Brandenburgs: „Unsere Vision ist ein Aktionsplan ,Bio-Region Berlin-Brandenburg““, so Schäfer. Beide Länder müssten enger politisch kooperieren – etwa bei der Förderung ökologischer Vermarktungs- und Verarbeitungsketten. So müsste in Berlin und Brandenburg gezielt der Anteil an Bio-Produkten in öffentlichen Einrichtungen wie Kantinen erhöht werden. Zudem müssten Kooperationen zwischen Berliner Schulen und Kitas mit Bio-Betrieben stärker gefördert werden.

Vor allem in Brandenburg müssten zudem gezielt Bio-Regionen gebildet werden. Vorbild könnten die Gentechnikfreien-Zonen sein, zu denen sich Landwirte und Verwaltungen ganzer Landkreise zusammenschließen, um den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verhindern. Denn die so genannte Grüne Gentechnik – der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen – wird zunehmend zum großen Problem für die brandenburgische Bio-Branche und den naturnahen Tourismus. „Wir bekommen sehr heftige Reaktionen sowohl von Bio-Großhändlern aber besonders von Reiseveranstaltern“, so Woidke.

Brandenburg sei eben nicht nur die Region mit dem höchsten Anteil von Großschutzgebieten, größter Produzent von nachwachsenden Rohstoffen und führend in der Solarindustrie – sondern eben auch bundesweit größtes Anbaugebiet für Gen-Mais. Woidke: „Dieses Image als Gentechnik-Standort schadet uns. Die Zukunft Brandenburgs liegt jenseits der Grünen Gentechnik.“

Zudem seien Öko-Betrieb auf dem Lande inzwischen wichtige „Wirtschaftsfaktoren, Lieferanten für einen boomenden Markt und Ausbildungsstätte und nicht zuletzt wichtige Partner bei der Gestaltung des Lebensumfeldes“, so Schäfer. „Unsere Untersuchungen haben auch gezeigt, dass sich die Öko-Betriebe überdurchschnittlich gesellschaftlich engagieren und in Netzwerken mit anderen Bereichen wie dem Tourismus, den Naturschutzgebieten zusammenarbeiten“, so Schäfer. Ihr Fazit: „Gerade in den ländlichen Regionen können diese Betriebe als Entwicklungsmotoren fungieren.“ Für Woidke haben viele Öko-Betriebe inzwischen gesellschaftliche Lücken geschlossen, die nach der Wende in den Dörfern entstanden sind: „Sie leisten einen wesentlichen Beitrag als Informations- und Begegnungsstätte und machen mit touristischen Angeboten Brandenburg als Reiseland im In- und Ausland und als Ausflugsort für Berliner attraktiv.“

Nachdem die Biobauern in den vergangenen Jahren einen wahren Boom erlebt hätten, müsste nun vor allem in regionale Wertschöpfungsketten investiert werden. Die TU-Forscher haben festgestellt: „Es fehlt in Brandenburg insbesondere an Betrieben, die Rohstoffe aus der ökologischen Landwirtschaft für den Berliner Markt in der Region verarbeiten.“ Die Wertschöpfung finde aber besonders in der Verarbeitung und im Vertrieb der Produkte statt, so Woidke. So landen märkische Bio-Rohstoffe oft in Produkten aus anderen Regionen. Der Einstieg in die Verarbeitung sichere zudem stabilere Preise.

Nur bei Milch könnten die Bio-Bauern keine kostendeckenden Preise erzielen. „Die Milch ist für uns aber die Chance, überhaupt in die Supermarktregale zu kommen“, so Peter Krenz vom Ökodorf Brodowin: „Auf die Milch, auch wenn sie eigentlich zu billig ist, satteln wir dann andere Produkte mit auf – sie ist der Ladenöffner für unsere anderen Waren.“

Der Öko-Landbau hat in Brandenburg einen Anteil von 10 Prozent an der landwirtschaftlichen Nutzfläche – bundesweit Spitze. Bis Ende 2008 soll er auf 13 bis 14 Prozent steigen.

Derzeit sind nach Branchenschätzungen knapp 6000 Menschen in der Bio-Branche in Brandenburg beschäftigt. Landesweit gibt es etwa 650 biologische Erzeugerbetriebe und etwa 140 Betriebe, die die Produkte der Öko-Bauern verarbeiten, veredeln und vertreiben.

Derzeit stammen im Jahresdurchschnitt etwa 15 Prozent der Bio-Produkte im Berliner Naturkosthandel aus der Mark. „In der Erntezeit, wenn frisches Obst und Gemüse gibt, sind es bis zu 40 Prozent“, so Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologische Landbau Berlin-Brandenburg (FÖL). Die Nachfrage in Berlin könne so nicht befriedigt werden. Nacholbedarf gebe es besonders bei Obst und Gemüse.

Berlins Bio-Bäcker decken ihren Bedarf an Bio-Getreide und -Mehl zu 80 Prozent aus Brandenburg. Wimmer: „Nur einzelne Produkte zur Veredelung kommen aus anderen Regionen.“

Der Bio-Bauern-Boom ist vor allem auf den Boom bei Bio-Supermärkten in Berlin zurückzuführen. Derzeit gibt es in und um Berlin 21 Bio-Supermärkte.

Während in Berlin und Städten wie Potsdam vor allem umweltbewusste Verbraucher gezielt ökologische-Produkte aus der Region nachfragen, kommt der Märker im Allgemeinen über den Geschmack auf den Geschmack. Die Leute erkennen, dass es einfach besser schmeckt, so Woidke.

Brandenburgs Bio-Bauern sind längst nicht mehr nur die kleinen Alternativ-Farmer. „Die Struktur bei Bio-Bauern entspricht zunehmend der der konventionellen Betriebe“, so Wimmer vom FÖL. Auch, wenn bisher kaum einstige DDR-Großbetriebe auf Öko umgestellt haben, so sind aber Bio-Bauern gewachsen. pet

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