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Brandenburg: Wagenknecht unterstützt Neskovic

Parteivizechefin: Linke muss eigenständige Köpfe aushalten können. Bundestagsabgeordneter kämpft um neue Direktkandidatur in Cottbus

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Potsdam/Cottbus - Wolfgang Neskovic wird am Sonntag nicht zum Parteitag der brandenburgischen Linken kommen. Zu verhärtet sind die Fronten. Der Bundestagsabgeordnete, der 2005 über die Landesliste gewählt wurde und 2009 überraschend das Direktmandat in Cottbus holte, sieht sich einer breiten Front von Gegnern gegenüber – zumindest bei den Funktionären und Taktgebern der Partei in Bund und Land. „Meine Truppen sind Argumente und die Basis“, sagt er.

Immerhin hat Neskovic jetzt prominente Unterstützung. Partei- und Fraktionsvize Sahra Wagenknecht sagte dieser Zeitung: „Ich würde mich freuen, wenn Wolfgang Neskovic auch im nächsten Bundestag als Abgeordneter für die Linken vertreten wäre.“ Aufgrund seiner großen juristischen Erfahrung als Bundesrichter sollte auch die nächste Linksfraktion von seinem über alle Parteigrenzen anerkannten Sachverstand profitieren. „Natürlich haben eigenständige Köpfe wie Wolfgang Neskovic eine eigene Meinung, die nicht immer mit der Partei- oder Fraktionsmeinung konform geht“, sagte Wagenknecht. „Aber wenn man sich, wie die Linke entschlossen hat, auch unabhängigen Geistern eine Plattform zu bieten, muss man dies aushalten können.“

Im Reformerflügel der Linken dagegen wird das Gerücht verbreitet, Neskovic bemühe sich nach zum Teil scharfen Gegenwind im brandenburgischen Landesverband um einen aussichtsreichen Listenplatz für die Bundestagswahl in einem West-Bundesland. Auch sie habe davon gehört, sagte Dagmar Enkelmann, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion. Neskovic sei isoliert und lote offenkundig seine Chancen aus.

Neskovic weist derlei Aussagen entschieden zurück. „Hier wird mit Gerüchten und Unterstellungen gearbeitet, ich bin maximal bei den Funktionären isoliert.“ Er wolle auch wieder in Cottbus antreten – hat aber auch dort mit Widerstand zu kämpfen. Inoffiziell droht der Kreisvorstand sogar mit Rücktritt, sollte die Basis am 15. Dezember Neskovic wieder als Kandidat aufstellen; er ist dort wegen seiner geschliffenen Reden noch immer beliebt. Der Cottbuser Kreisvorstand aber hat die Landtagsabgeordnete Birgit Wöllert nominiert. Neskovic wirft Matthias Loehr, Landeswahlkampfleiter und Linke-Kreischef, deshalb vor, im Auftrag der Landespartei seine Kandidatur verhindern zu wollen. Der wiederum sagt: „Es geht um den Stil der Auseinandersetzung, wir sind nicht länger gewillt das hinzunehmen. Er geht immer über die Medien, um uns zu sagen was wir falsch machen.“

Gemeint sind Neskovics Frontalangriffe auf die Partei, seine Kritik am Verlust der Glaubwürdigkeit, insbesondere in der rot-roten Regierung in Brandenburg. Die Linke habe sich von der SPD über den Tisch ziehen lassen, sich mit anderen als orginär linken Ressorts abspeißen lassen und gefährde Rot-Rot nach 2014. Wirtschaftsminister Ralf Christoffers nannte er – wegen dessen Kurs in der Braunkohlepolitik – eine Fehlbesetzung. Im Machtkampf in der Bundespartei um die neue Führungsspitze nannte er Dietmar Bartsch, den Favoriten der Ost-Linken einen Sprechblasenfacharbeiter. Dann im Oktober verblüffte er die Partei mit einem Thesenpapier, worin er – ganz Jurist – eine Stärkung des Verfassungsschutzes fordert. Überraschend war das nicht, er hatte sich mehrfach in der Form prominent geäußert. Die Partei reagierte aufgeschreckt, Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi ging auf Distanz. Landesparteichef Stefan Ludwig genügte es, um indirekt in den Machtkampf in Cottbus einzugreifen. Er nannte Neskovic politisch verantwortungslos, seine Thesen seien geeignet die Partei zu diskreditieren.

Neskovic wirft Ludwig politisches Mobbing vor und verweist auf den Landesparteitag im Frühjahr, wo ein Antrag zur Abschaffung des Verfassungsschutzes scheiterte. Derlei Forderungen seien eine Art Überkompensation wegen der eigenen Stasi-Geschichte. „Für mich zählt nicht die Hierarchie der Personen, nicht der Kompromiss aus politischer Opportunität, sondern die Hierarchie der Argumente, entweder sind sie richtig oder falsch“, sagt er. „Diese Freiheit muss man sich auch nehmen können.“ Die Linke habe ein Problem mit anderen Meinungen. SPD und Grüne, wo er mal Mitglied war, habe er aus inhaltlichen Gründen verlassen, bei der Linken, mit der er politisch übereinstimme, wäre es der Umgang mit Kritikern, sagt er. A. Fröhlich/M. Meisner

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