Brandenburg: Was anders wird
Regierungserklärung von Ministerpräsident Woidke zur Flüchtlingslage. Die AfD ist isoliert, erhält aber Stimmen von zwei CDU-Abgeordneten
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Potsdam - Nach Worten von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird die aktuelle Flüchtlingsbewegung das Land Brandenburg über Jahrzehnte nachhaltig verändern. „Unsere Zukunft wird geprägt sein von neuen Mitbürgern“, sagte Woidke am Mittwoch in einer Regierungserklärung im Landtag zu aktuellen Herausforderungen 25 Jahre nach der Wiedergründung des Landes.
Er betonte, dass „Einwanderung und erfolgreiche Integration“ der Flüchtlinge helfen könne, den demografischen Wandel und den Fachkräftemangel zu bewältigen. Woidke machte aber keinen Hehl daraus, dass die Lage angesichts der vielen Neuankömmlinge in kurzer Zeit dramatisch, wie Deutschland auch Brandenburg „in einer Ausnahmesituation“ sei. Der Winter nahe, und „kein Flüchtling, der in Brandenburg ankommt, darf auf der Straße landen“.
Doch die eigentliche Herausforderung werde die Integration vieler Menschen aus anderen Kulturkreisen sein, sagte Woidke. Es gebe Probleme, eine rosarote Brille sei fehl am Platze, „und es kommen nicht nur syrische Ärzte nach Brandenburg“, so der Regierungschef. „Aber es kommen Menschen, die hoch motiviert sind.“ Zwar gebe es auch in Brandenburg Übergriffe und Anschläge, grassierten auch hier Ängste und Vorurteile. Doch es gebe „die große Mehrheit der Anständigen und Tüchtigen“, einen breiten Konsens zur klaren Kante gegen Rechtsextremismus und Fremdenhass.
Unterstützung kam von CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben. 15 000 Menschen kämen allein 2015 nach Brandenburg, so viele wie Neuruppin Einwohner habe, sagte Senftleben. Man müsse Antworten „mit Herz, Vernunft und Nächstenliebe“ geben, nicht mit Kälte, mit Stacheldraht und Tränengas gegen Flüchtlinge. Manche Angst sei verständlich, „aber Verständnis endet dort, wo sich Neid, Missgunst und stumpfe Fremdenfeindlichkeit Bahn brechen“.
Senftleben sparte auch nicht mit Kritik an der rot-roten Koalition, an der Regierungserklärung Woidkes, der es bei Ankündigungen bewenden lasse. Das angekündigte neue Landesaufnahmegesetz „hätten wir heute beraten und beschließen können“, sagte er. „Man muss in dieser Lage manche Dinge schnell entscheiden.“ Auch die Rückführung rechtskräftig abgelehnter Asylbewerber, bei der das Land Schlusslicht sei, müsse beschleunigt werden. „So bitter es ist: Diese Plätze brauchen wir für Kriegsflüchtlinge und Asylbewerber mit Perspektive zum Hierbleiben.“
Bei der Integration gelte es, frühzeitig zu beginnen. „Schalten wir um und klagen nicht, wo Brandenburg schrumpft, sondern packen wir an, damit Brandenburg wachsen kann.“ Klar sei aber auch, den Neubürgern zu vermitteln, welche Werte in Deutschland unantastbar seien, etwa dass auch Töchter muslimischer Familien hier das Recht genießen, ihre Ehepartner frei zu wählen, dass hier jeder schwul oder lesbisch sein dürfe.
Als einziger Redner zeichnete Alexander Gauland, Fraktionschef der rechtsgerichteten AfD-Fraktion, ein düsteres Szenario: Es kämen auch Extremisten, die Flüchtlinge würden auf lange Zeit in Massenunterkünften hausen, „die Brutstätten von Gewalt und Kriminalität würden“, sagte er. Es kämen Konkurrenten für die unteren Bereiche des Arbeitsmarktes.
„Sie schüren Vorbehalte und Ängste!“, konterte Linke-Fraktionschef Ralf Christoffers. Es zeichne Brandenburg aus, dass die „politische Grundstimmung anders als in Sachsen ist“. Grünen-Fraktionschef Axel Vogel warf Gauland vor, ein „geistiger Brandstifter“ zu sein. Vogel erinnerte daran, dass in den 90er-Jahren – in einer schwierigeren wirtschaftlichen Situation nach der deutschen Einigung – in einem Jahr 650 000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen seien.
Für Brandenburg seien „die Zuwanderer die einzige Chance, wenn wir Wirtschaft und Daseinsvorsorge am Laufen halten wollen“, sagte Vogel. So brauche das Land bis 2030 rund 150 000 neue Pflegekräfte. „Im selben Zeitraum haben wir weniger als 300 000 Schulabgänger.“ Peter Vida von den Freien Wählern forderte erneut, endlich „die Direktwahl von Migrationsbeiräten zu ermöglichen“, was der der Landtag bisher abgelehnt habe. „Das ist ein falsches Signal.“
Am Ende der Generaldebatte verabschiedete der Landtag einen Entschließungsantrag von SPD, CDU, Linken, Grünen und Freien Wählern, in dem unter anderem jedwede Anschläge auf Flüchtlingsheime verurteilt werden. Abgelehnt wurde ein Antrag der AfD, in dem auch dieser Satz stand: „Der Landtag erkennt an, dass es nicht zielführend ist, jeden als Rechtspopulisten zu bezeichnen, der die bestehende Asyl- und Flüchtlingspolitik, das Versagen der politisch Verantwortlichen sowie die fehlende Durchsetzung geltender Gesetze kritisiert.“ Für den Antrag stimmten zwei CDU-Abgeordnete, die frühere Landeschefin Saskia Ludwig und Ex-Generalsekretärin Anja Heinrich.
nbsp;Thorsten Metzner
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