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Brandenburg: „Weniger Experte für Baukunst als für Unterdrückung“
Kritik an Viadrina nach Einladung des iranischen Botschafters zu einer Ausstellungseröffnung
- Matthias Matern
- Peter Könnicke
Stand:
Frankfurt (Oder) – Die Einladung des iranischen Botschafters in Deutschland, Ali Reza Sheikh Attar, an die Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) sorgt für scharfen Protest. Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) sprach am Donnerstag von einem „Skandal“. Der Botschafter wurde für den Abend zur Eröffnung der Ausstellung „Paläste der Macht, Häuser des Glaubens – Die Verbindung von Religion und Herrschaft in der persischen Architektur“ erwartet. Die Schau ist das Ergebnis einer Studienreise von 25 Viadrina-Studenten auf den Spuren frühgeschichtlicher Hochkulturen durch den Iran.
„Mit dem iranischen Botschafter hat die Universität den falschen Mann eingeladen“, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin, Gideon Joffe, auf dem Portal „Bild.de“: „Ich meine, Herr Attar ist weniger Experte für antike persische Baukunst als für Unterdrückung von Menschenrechten und Demokratie.“ Ähnlich argumentierte auch die IGFM. „Die Regierung, die Botschafter Ali Reza Sheikh Attar repräsentiert, bestreitet das Existenzrecht Israels, bekennt sich stolz zur Unterstützung von Terrorgruppen wie der Hamas, und hochrangige Vertreter dieses Regimes haben wiederholt den Holocaust geleugnet“, heißt es in einem offenen Brief der IGFM an Viadrina-Präsident Gunter Pleuger. Angesichts der von Deutschen begangenen Verbrechen an Juden und Polen sei die Einladung des Botschafters auch ein „Schlag ins Gesicht dieser Opfer“.
Die Eröffnungsveranstaltung am Abend verlief jedoch ohne Störungen. Zuvor hatten Menschenrechtler der Initiative Flüchtlingshilfe Iran e.V aus Berlin am Nachmittag ihre angekündigte Demonstration gegen die Einladung des Botschafters abgesagt. Dennoch waren rund 100 Einsatzkräfte der Polizei vor Ort. Bei der Veranstaltung selbst gab es nach Aussagen der Polizei keine weiteren Proteste.
Vertreter der Universität zeigten Verständnis für die Äußerungen der Kritiker, verwiesen aber zugleich auf die Notwendigkeit eines kulturellen Dialogs. Der Viadrina-Historiker Andreas Graeber sagte zur Eröffnung der Ausstellung, die Europa-Universität sei immer ein Ort der Begegnung gewesen. Die Freiheit von Forschung und Lehre, die in vielen Ländern nicht selbstverständlich sei, gebe auch das Recht, Vertreter eines Landes einzuladen, das in der Kritik stehe. Der Dialog zwischen Deutschland und Iran lasse sich derzeit eher auf kultureller als politischer Ebene vertiefen. Zugleich dankte Graeber dem Botschafter für die Unterstützung bei der Vorbereitung der Reise. Auch Attar selbst rief zum kulturellen Dialog auf.
In der brandenburgischen Landespolitik dagegen stieß die Einladung Ali Reza Sheikh Attars nach Frankfurt (Oder) ebenfalls auf Empörung. „Das ist ein Skandal. Ich fühle mich persönlich betroffen, weil ich die politische Patenschaft für einen iranischen Studentenführer übernommen habe, der zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt worden ist, nur weil er im Internet seine Meinung gesagt hat“, sagte etwa der Fraktionsvorsitzende der CDU im brandenburgischen Landtag, Dieter Dombrowski. Man könne ja über die lange Tradition der persischen Baukunst sprechen, wenn gewährleistet sei, dass der Vertreter des Irans auch auf die Kultur der Demokratie angesprochen werde, so der CDU-Politiker. „Dem kann sich eine aufgeklärte Hochschule nicht verschließen“, so Dombrowski weiter. Ansonsten sei das Hofieren von Vertretern diktatorischer Staaten durch brandenburgische Institutionen eine Schande.
Dem schloss sich auch der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Axel Vogel, an. „Es ist völlig unangemessen, einen offiziellen Vertreter eines Landes einzuladen, das den Holocoust leugnet und die Menschenrechte missachtet“, kritisierte Vogel. Eine brandenburgische Hochschule könne dem Botschafter eines solchen Landes keinen Auftritt gewähren und hätte ihn wieder ausladen müssen, sagte der Grünen-Fraktionschef. „Ich hoffe, dass die Uni den Protest zum Anlass nimmt, um sich nicht nur mit der Jahrtausende alten Vergangenheit, sondern auch kritisch mit der Gegenwart des Irans auseinanderzusetzen“, so Vogel.
Deutlich zurückhaltener äußerte sich der Linke-Landtagsabgeordnete und wissenschaftspolitische Sprecher seiner Partei, Peer Jürgens. Jede Hochschule habe das Recht, Wissenschaft und Forschung nach ihren Vorstellungen zu gestalten, sagte Jürgens. „Doch hätte ich mir in diesem Fall mehr Feingespür gewünscht. Ich halte es für höchst unglücklich, den Vertreter eines Staates einzuladen, der mit martialischen Äußerungen auftritt, indem er Israel von der Landkarte fegen will“, gab der Linke-Politiker zu bedenken. „Es wäre besser gewesen, möglicherweise eine iranischen Wissenschaftler oder Vertreter einer Universität einzuladen.“
Vertreter der Studenten äußerten dagegen am Rande, dass sie die Unmutsbekundungen respektierten. Es wäre aber schade, wenn das die Intention der Schau überlagere. (mit dpa, dapd)
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