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Küken-Knick: Weniger Kranich-Nachwuchs
Experten in Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg sehen die Bruterfolge bei den Kranichen zunehmend durch Frühjahrstrockenheit und intensive Landwirtschaft bedroht.
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Linum/Groß Mohrdorf - Kranichexperten in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern schlagen Alarm. Weil es in der Region aufgrund der zunehmenden Frühjahrstrockenheit immer weniger Feuchtgebiete gibt und Landwirte wieder vermehrt Brachflächen intensiv bewirtschaften, fehlten den großen Zugvögeln im Nordosten Deutschlands notwendige Brut- und Rückzugsgebiete, sind sich Fachleute einig. Ohne den Schutz der Feuchtgebiete sei der Kranich-Nachwuchs oft leichte Beute für Fressfeinde wie den Fuchs, den Marder oder das Schwarzwild, mahnt etwa Günter Nowald, Leiter des Kranich-Informationszentrums Groß Mohrdorf in Mecklenburg-Vorpommern.
Erhebungen der Kranich-Experten aus Groß Mohrdorf zufolge sind in diesem Jahr rund zwei Drittel aller untersuchten Brutpaare in Zentralmecklenburg ohne Nachwuchs gewesen. Noch schlimmer sei die Lage in Nordvorpommern, berichtet Nowald. „Von den 95 Paaren waren 75 Prozent ohne Junge“, schildert Leiter des Info-Zentrums. Auch im Land Brandenburg beobachten die Naturschützer in diesem Jahr einen Einbruch beim Nachwuchs. „Die Reproduktionsraten sind in diesem Jahr deutlich geringer als 2010“, bestätigt Ekkehard Hinke, ehrenamtlicher Rastplatzbetreuer im Rhinluch (Ostprignitz-Ruppin), Brandenburgs größtem Kranichrevier. Belastbare Zahlen zum Bruterfolg im Land Brandenburg lägen jedoch noch nicht vor. „Es ist aber zu beobachten, dass in diesem Jahr viele Paare entweder nur ein oder aber gar kein Junges aufziehen“, berichtet Hinke. Üblich seien bei den Bodenbrütern eigentlich zwei Jungtiere. Zum Rückgang in diesem Jahr hätten vermutlich aber auch die heftigen Unwetter im Juli beigetragen, mutmaßt der brandenburgische Kranichexperte. Vermutlich seien etliche Jungtiere verendet, entweder weil sie ertrunken oder ausgekühlt seien, meint Ekkehard Hinke.
Das Gebiet rund um das Storchendorf Linum gilt als einer der größten binnenländischen Rastplätze des Kranichs auf seiner westlichen Zugroute. Von seinen Brutgebieten in Skandinavien, im Baltikum und in Polen kommend erholen sich im Herbst dort viele Tiere einige Tage oder Wochen. Bis zu 80 000 Vögel werden an manchen Tagen gezählt. Allerdings ist in den vergangenen Jahren auch die Zahl der Tiere gestiegen, die die Sommermonate im Nordosten Deutschlands verbringen, sich dort paaren und den Nachwuchs großziehen. Bundesweit zählten Ornithologen 2010 rund 7000 Paare, davon etwa 3500 in Mecklenburg-Vorpommern und knapp 2100 im Land Brandenburg. Bekannt sind die Kraniche für ihre Balztänze im Frühjahr, wobei sich Männchen und Weibchen mit ausgebreiteten Flügeln springend umkreisen und dabei trompetenartige Laute abgeben.
Bedeutung haben die Feuchtgebiete jedoch nicht nur für die Aufzucht der Jungen. Kraniche ernähren sich neben Getreidekörnern, Eicheln und Pflanzenwurzeln auch von kleinen Fischen, Fröschen, Schnecken und Insekten. Wegen des Wegfalls der sogenannten Flächenstilllegungspflicht 2008 für Landwirte und der wachsenden Bedeutung von nachwachsenden Rohstoffen wie Roggen und vor allem Mais für die alternative Stromerzeugung schrumpft seit Jahren die Zahl der Brachflächen. Laut des Agrarberichts 2010 des Landes Brandenburg ist deren Anteil an der gesamten Agrarfläche des Landes von zehn Prozent im Jahr 2007 auf knapp 4,6 Prozent im Jahr 2009 gesunken. Es werde davon ausgegangen, dass der Anteil auf bis zu null Prozent zurückgehen könnte, heißt es. Wie berichtet sprechen Natur- und Umweltschützer bereits von einer Vermaisung der Landschaft und warnen vor ökologischen Folgen.
Deshalb und wegen der immer trockeneren Frühjahre sind die Kranichexperten um den Fortbestand der Brutpaarbestände besorgt. Halte der Trend an, könne es möglicherweise in hundert Jahren keine brütenden Kraniche mehr in Deutschland geben, so Nowald. Vor allem die intensive Bewirtschaftung alter Brachflächen sei eine „ganz schlimme Sache“ und dem Fortbestand der Kraniche nicht zuträglich, findet Hinke. „Häufig werden Herbizide eingesetzt. Damit sind die Flächen praktisch tot.“ (mit dpa)
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