Von Thorsten Metzner: Weniger Straftaten, aber mehr Sexualdelikte
Innenminister stellt Kriminalstatistik vor / Politiker warnen vor weiterem Personalabbau
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Potsdam - Die brandenburgische Polizei hat mit einem dramatischen Anstieg von Sexualstraftaten zu kämpfen. Das geht aus der jüngsten Kriminalstatistik hervor, die Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Dienstag in Potsdam vorstellte. Im vergangenen Jahr wurden danach 2497 Sexualdelikte registriert – 444 mehr als 2007. Waren es damals 208 Vergewaltigungen, kletterte die Zahl nun auf 306 Fälle, was einer Steigerung um 47 Prozent entspricht. „Wir haben dafür noch keine gesicherte Erklärung“, sagte Schönbohm.
Allerdings deutet nach Einschätzung von Experten vieles darauf hin, dass die auch in Brandenburg aufgelegten Programme gegen häusliche Gewalt mittlerweile Wirkung zeigen, dass Frauen sexuelle Übergriffe in den eigenen vier Wänden häufiger zur Anzeige bringen, wofür auch die hohe Aufklärungsquote bei Sexualdelikten von 85 Prozent spricht. „Es wird aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld gezogen. Die Sensibilität in der Bevölkerung hat zugenommen“, erklärte Landeskriminaldirektor Roger Höppner.
Nach der Gesamtbilanz ist Brandenburg etwas sicherer geworden. Die Kriminalität ist weiter rückläufig: Selbst an der nun offenen Grenze zu Polen sanken entgegen früheren Befürchtungen die Straftaten von 31600 auf 24748. Dort gab es zwar einen sprunghaften Anstieg der Kfz–Diebstähle von 179 (2007) auf 379. Doch die Täter, so die überraschende Erkenntnis der Polizei, sind meistens Deutsche, der Anteil polnischer Autodiebe sank auf den Tiefstwert von 12 Prozent. Noch weniger seien es aus der Ukraine, Russland oder Litauen. „Die neue EU-Ostgrenze funktioniert. Der Weg durch Polen nach Deutschland ist für Straftäter nicht ohne Weiteres möglich“, betonte Schönbohm.
Insgesamt wurden 2008 im Land Brandenburg 209 087 Straftaten registriert – 17 379 weniger als 2007. Es wurden 74 332 Tatverdächtige ermittelt, wobei davon 26 Prozent Kinder, Jugendliche und Heranwachsende waren – etwas weniger als 2007 (27 Prozent).
Auffällig ist der Rückgang der Aufklärungsquote – um 5,5 Prozent auf 51,9 Prozent. Zwar liegt diese immer noch über Schleswig-Holstein (46,8), Sachsen-Anhalt (46,2) und Nordrhein-Westfalen (46,8). Doch wurmt den ehrgeizigen Schönbohm, der nach der Landtagswahl im Herbst in den Ruhestand geht, der Trend sichtlich: „Wir wollen uns mit den Besten messen.“ Als Gründe führte der 71-Jährige unter anderem „Reibungsverluste“ durch die Umstrukturierung der Kriminalpolizei an. Für die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Linke-Opposition ist die gesunkene Aufklärungsquote vor allem eine Folge des Personalabbaus bei der Polizei, die seit 1999 bereits 1347 Stellen abgebaut hat und bis 2012 weitere 455 Stellen abbauen soll. Linke-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg prophezeite, dass wegen geringerer Erfolgsaussichten immer mehr Menschen bei kleineren Delikten wie Diebstählen keine Strafanzeige mehr stellen. „Das Bild wird verfälscht.“ Schönbohm hielt dagegen, dass Brandenburg immer noch mehr Polizisten im Einsatz hat als andere Länder, nämlich einen Beamten auf 266 Einwohner, selbst 2014 würden es 297 Einwohner je Polizist sein. In Sachsen (300), Schleswig-Holstein (373), Thüringen (293) und Baden–Württemberg (368) sei die Polizeidichte geringer. Trotzdem warnte auch Schönbohm vor weiterem Personalabbau bei der Polizei. „Das Ende der Fahnenstange ist erreicht.“ Denn mit 8246 Straftaten je 100 000 Einwohner, dem bundesweiten Barometer, ist die Kriminalitätsbelastung für ein Flächenland immer noch hoch – mit regionalen Unterschieden. In Potsdam sind es 10 000 Straftaten, in Elbe-Elster – dem ungefährlichsten Fleckchen des Landes – dagegen nur bei 5800 Straftaten. Die größte Herausförderung sei künftig, Polizeipräsenz in immer dünner besiedelten Regionen zu sichern, sagte Schönbohm. Er ließ offen, ob dafür die exotischen Tragschrauber („Gyrocopter“) angeschafft werden, wie es seine Experten empfehlen.
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