Brandenburg: Wenn der Lehrer krank wird
Im Schulhalbjahr 2012/2013 fielen im Land rund 130 000 Stunden ersatzlos aus – und das ist nicht alles
Stand:
Potsdam - Manchmal machen Details ein Drama aus. Vielleicht ist das auch bei den von Bildungsministerin Martina Münch (SPD) jetzt für den Landtag vorgelegten Bericht zum Unterrichtsausfall so, denen Günther Fuchs, Chef der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), im Unterschied zu früheren Erhebungen zumindest erstmals etwas Gutes abgewinnen kann. „Die Statistik nähert sich langsam der Realität an.“ Die sei, so fügt er sofort hinzu, allerdings immer noch viel schlimmer.
Tatsächlich weisen die neuesten Zahlen zu Stunden. Ausfall und kranken Lehrern im Land Höchststände aus. Nur 90,1 Prozent des regulären Unterrichts – so wenig wie nie seit 1998/1999 wurden im ersten Halbjahr 2012/2013 gegeben, wie sie nach dem Stundenplan hätten gegeben werden müssten, also vom vorgesehen Lehrer für das Fach: 660 000 der 6,6 Millionen Stunden fanden nicht nach Plan statt. Zwei Prozent – das sind rund 130 000 Unterrichtsstunden – fielen ganz aus, der höchste Wert seit 2007. Und der Anteil, den kranke Lehrer am Ausfall ausmachen, kletterte auf 6,6 Prozent – ebenfalls ein Höchstwert, seit 2004. Das Ministerium betont zwar weiter, dass flächendeckend der Unterrichtsausfall nicht dramatisch ist. „Auch im deutschlandweiten Vergleich liegt Brandenburg da relativ niedrig“, betonte Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungcamp gegenüber den PNN. Er wies auch darauf hin, dass ein Teil des Anstiegs auch auf die landesweiten Personalversammlungen im November zurückgehe, wegen denen damals fast alle Schulen ab der vierten Stunde geschlossen blieben. Und das Ministerium argumentiert auch, dass kaum ein anderes Land so transparent mit dem Ausfall umgehe: Man finde den für jede einzelne Schule im jeweiligen Schulporträt auf dem Bildungsserver Berlin-Brandenburg (www.bildung-brandenburg.de/schulportraets). Dennoch müsse man alles tun, dies weiter zu verringern, betonte Jungkamp. „Denn jede Stunde, die ausfällt, ist eine zu viel.“
Und das zeigt sich, worauf Gewerkschaften, Opposition, aber auch Eltern seit Jahren hinweisen, vor allem in den Details. Und zwar nicht allein daran, dass an „einzelnen Schulen“ der Ausfall „erheblich“ höher ist, was das Ministerium im Bericht für den Landtag einräumt. Auch bei den Schulformen gibt es deutliche Unterschiede: So fällt an den Grundschulen kaum Unterricht aus (1,2 Prozent), dafür an den Gymnasien (2,6 Prozent) und den Oberschulen (2,8 Prozent) um so mehr. Aufschlussreicher ist, was geschieht, wenn der Lehrer etwa wegen Krankheit nicht erscheint und der Unterricht nicht regulär stattfindet, aber die Kinder auch nicht nach Hause gehen – was sieben Prozent aller Stunden im Land betrifft. Zwar steht oft ein anderer Lehrer vorn, aber: In jeder vierten Vertretungsstunde ist es ein Pädagoge, der sonst zu dieser Zeit Teilungs- und Förderunterricht für andere geben würde. Diese Stunden etwa für Schüler mit Lernschwächen oder Begabungen fallen stattdessen aus. Da sie amtlich als „Zusatzangebot“ gelten, nicht zum regulären Soll zählen, tauchen sie in der Ausfallstatistik aber nicht auf. Mit Blick auf die Qualität, auf das schlechte Abschneiden Brandenburgs etwa bei Pisa, sei es „nicht hinnehmbar, das Förderunterricht ausfällt“, warnt Fuchs. „Anderswo baut man das aus.“ Im Bericht des Ministeriums heißt es dazu: „Als problematisch erweist sich hier, dass diese Form der Inanspruchnahme der Vertretungsreserve von Eltern und Schülern als ,gefühlter’ bzw. zusätzlicher Unterrichtsausfall wahrgenommen wird.“ Ein weiterer Sonderfall sind die Gymnasien, wo 71,8 Prozent der Vertretungsstunden gleich ohne Lehrer stattfinden – mit „Studienaufgaben“ und „selbstständiger Schülerarbeit“. Auch diese Vertretungsmaßnahme, so der Münch-Bericht für den Landtag, werde „in der Öffentlichkeit überwiegend nicht akzeptiert“, sei aber in der Sekundarstufe II „pädagogisch durchaus begründbar“.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: