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Auf Angriffskurs. Innenminister Schröter wirft der Opposition Stimmungsmache vor.

© Ralf Hirschberger/dpa

Brandenburg: Wer die Stimmung macht

Plötzlich gibt es um die rot-rote Kreisreform doch eine Spardebatte. Innenminister Schröter greift die Union an. Werden Stellen in den Verwaltungen abgebaut?

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Es wird noch einmal später. Das rot-rote Kabinett von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird erst im Juni, und nicht mehr wie ursprünglich geplant im Mai, das Gesetzespaket für die umstrittene Kreisgebietsreform in Brandenburg beschließen. Das erfuhren die PNN am Freitag aus Regierungskreisen. Der weitere Fahrplan zur Befassung des Landtages, der dann über das Kreisneugliederungsgesetz und das Funktionalreformgesetz beschließen soll, sei davon nicht betroffen, hieß es.

Noch am Dienstag hatten die Fraktionschefs von SPD und Linken, Mike Bischoff und Ralf Christoffers, auf Pressekonferenzen im Landtag von einem Kabinettsbeschluss im Mai gesprochen. Mit der Vorlage will die Regierung die ursprünglichen Pläne, wonach es ab 2019 nur noch neun Kreise und Potsdam als einzige kreisfreie Stadt geben sollte, zumindest entschärfen. Die Großfusion zu einem Megakreis in der Lausitz ist (PNN berichtete) bereits gecancelt worden, ebenso der früher geplante Zusammenschluss von Dahme-Spreewald und Teltow-Fläming. Trotzdem schlagen die Pläne, gegen die 130 000 Brandenburger in einer Volksinitiative votierten, weiter hohe Wellen – jetzt wieder ums Geld.

So bemühte sich Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Freitag um Schadensbegrenzung, nachdem die Kommunikation zur rot-roten Kreisreform zuvor wieder einmal aus dem Ruder gelaufen war. In einer Pressemitteilung warf Schröter der CDU-Opposition, namentlich deren innenpolitischem Sprecher Sven Petke, „Stimmungsmache“ und eine „Verdrehung der Tatsachen“ vor. Petke hatte der Regierung vorgehalten, bei der Kreisreform den Abbau von rund 2000 Stellen zu planen. Es ist ein Vorwurf mit politischer Brisanz, da die Landesregierung bislang betont, dass man „keine Sparreform“ mache.

Prompt versuchte Schröter den Eindruck zu erwecken, dass an den Petke-Aussagen nichts dran sei. „Wahr ist, dass die Landesregierung nichts dergleichen plant“, sagte er. „Wahr ist auch, dass nichts dergleichen in den Ausschüssen seitens der Landesregierung gesagt worden ist. Stattdessen ist dort über Effizienz- und Skaleneffekte gesprochen worden.“ Er finde es „nicht in Ordnung, nun im Nachhinein die Tatsachen so auf den Kopf zu stellen“.

Dieses Dementi ist allerdings wackelig, die Zahl nicht aus der Luft gegriffen. Die Vorlage dafür hat die Landesregierung in einer Präsentation des Finanzministeriums für den Finanzausschuss des Landtages selbst geliefert. Darin werden die finanziellen Effekte der Kreisreform allein für die „Lausitzbanane“ – berechnet für den damals noch geplanten Zusammenschluss von Cottbus, Spree-Neiße, Oberspreewald-Lausitz und Elbe-Elster – langfristig mit bis zu 45 Millionen Euro jährlich beziffert. Die CDU hat diese für die Lausitz errechneten Effekte lediglich auf das Land und das Personal hochgerechnet, was schlüssig ist.

Dass es dabei zwangsläufig ums Personal geht, bekräftigt Schröter selbst regelmäßig. So hat er bei einem Vortrag in Potsdam am 6. Februar vor Unternehmern explizit darauf hingewiesen, dass es in Kreishaushalten sonst fast keine gestaltbaren Kosten gibt. „Zu den wenigen gestaltbaren Kosten überhaupt gehören die Personalkosten“, hatte er damals gesagt.

Und in seiner Standardpräsentation zur Kreisreform weist er regelmäßig auf den hohen Personalbestand von Kreisbehörden einwohnerschwacher Kreise wie der Prignitz hin – im Vergleich etwa zu Oberhavel, wo er selbst bis 2014 Landrat war, oder Potsdam-Mittelmark. „Wenn man diese gestaltbaren Kosten gegenüberstellt“, lautete Schröters Argumentation vor den Unternehmern in Potsdam zu den Kreisdifferenzen, „dann sieht man: Da gibt es ein großes Potenzial.“

Selbst der Innenexperte der Linksfraktion, Hans-Jürgen Scharfenberg, hatte am Donnerstag im Innenausschuss des Landtag Petkes Vorwurf, mit der Kreisreform werde Personal in den Verwaltungen eingespart, nicht recht entkräften können. Stattdessen sagte der Linke-Genosse diesen Satz zum Personalabbau im öffentlichen Dienst: „Das mag jetzt etwas drastisch klingen, der öffentliche Dienst ist keine Beschäftigungsmaßnahme.“

Schröter befand aber auch: Da in den nächsten Jahren viele Kreisbedienstete in Pension gehen, sei das alles ja kein Problem. So argumentierte er auch im Finanzausschuss. Ab dem Jahr 2020 „werden viele Menschen in Rente oder Pension gehen. Der Personalabbau wird ganz ohne Schmerzen vonstattengehen“. Binnen zwei Wochen will Schröter nun eine Berechnung vorlegen, wie hoch die Kosten für das Land für das Personal sind, wenn Aufgaben an die Landkreise abgegeben werden. Maximal würden es 37 Millionen Euro sein, aber das Land werde ohnehin weniger kommunalisieren als ursprünglich geplant.

Zum anderen hatte Petke kritisiert, dass in den von Einkreisung bedrohten Städten Cottbus, Frankfurt (Oder) und Brandenburg/Havel zusätzlich auch noch eine Erhöhung von Eintrittsgeldern und Steuern drohe. Er berief sich auf Aussagen der Landesregierung am Vortag im Finanzausschuss des Landtags, wonach die im Zuge der Kreisreform geplante Teilentschuldung dieser Kommunen an Bedingungen und Auflagen gekoppelt werde. Schröter hat dort selbst etwa von den Hebesätzen der Grundsteuer gesprochen, die in den entschuldeten Kommunen mindestens auf den Landesdurchschnitt angehoben werden müssten, „plus einen großen Schnaps“.

In seiner Pressemitteilung am Tag danach argumentierte der Minister vorsichtiger. Petke betreibe „Stimmungsmache“, erklärte er. „Ich habe darauf hingewiesen, dass finanzielle Hilfe von Dritten für die Begünstigten immer an gewisse Voraussetzungen gebunden ist.“ Das sei „eine Selbstverständlichkeit und hat nichts mit der Reform zu tun“. So könne sich ein Kommune, „die eine ordentliche Finanzspritze erhält, sich nicht hinterher zur Steueroase erklären“. Das wesentliche Ziel müsse es sein, „dass die kreisfreien Städte endlich von ihren hohen Kassenkrediten herunterkommen“. Die „genauen Modalitäten der zu gewährenden Finanzhilfen seitens der Landesregierung“ seien noch nicht abschließend festgelegt, „sondern befinden sich noch in der Abstimmung“.

Nun bis Juni.

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