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Brandenburg: Widersacher im eigenen Haus?

Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein heute vor Rechtsausschuss

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Brandenburgs Justizministerin Barbara Richstein heute vor Rechtsausschuss Von Michael Mara und Thorsten Metzner Potsdam. Es war kein guter Fernseh-Auftritt. Barbara Richstein muss es gespürt haben. Brandenburgs CDU-Justizministerin wirkte unsicher, als die Fragen des RBB-Moderators zu Misshandlungen in der Jus-tizvollzugsanstalt Brandenburg immer boh-render wurden. „Ziehen Sie persönliche Konsequenzen?“ Da geriet Richstein, mit 38 Jahren die jüngste im Kabinett, aus der Fassung. Doch die Frage wird immer lauter gestellt. Nicht nur PDS, FDP und Grüne fordern ihren Rücktritt. Auch Sozialdemokraten, die gemeinsam mit der CDU regieren. Dabei hat die Anwältin, die im Sommer 2002 als politische Seiteneinsteigerin überraschend Nachfolgerin des über eine Immobilienaffäre gestürzten Kurt Schelter wurde, zumindest nach Bekanntwerden der Vorwürfe keinen Fehler gemacht: Sie suspendierte sofort fünf Vollzugsbeamte, die am 13. Januar einem herzkranken Häftling trotz eines schweren Herzinfarkts ärztliche Hilfe verweigerten und den 55-jährigen stattdessen fesselten und in eine Arrestzelle sperrten. Sie leitete gegen acht Beamte Disziplinarverfahren ein. Und sie will die Anstaltsleitung zur Verantwortung ziehen. Trotzdem wird sie sich auf der heutigen Sondersitzung des Rechtsausschusses unbequeme Fragen gefallen lassen müssen: Wie konnten dem Ministerium Strafanzeigen von Häftlingen über Misshandlungen verborgen bleiben? Warum hat sie erst durch eine RBB-Sendung von der unterlassenen Hilfeleistung im Januar und den schon vor zwei Monaten eingeleiteten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erfahren? Wieso konnten in der JVA Brandenburg jahrelang Wärter mit Sturmmasken vermummt gegen renitente Häftlinge vorgehen? „Das ist mir nicht bekannt gewesen", sagt Richstein, die das Tragen der noch unter Justizminister Hans-Otto Bräutigam 1994 angeschafften Masken umgehend verboten hat. Sie verschärfte inzwischen auch per Erlass die Berichtspflichten der Anstaltsleitungen. Und sie lässt frühere Anzeigen von Misshandlungen überprüfen. „Was hätte ich denn noch tun sollen?“, fragt die Ministerin – überrascht von der Wucht der Anwürfe. „Den Vorwurf, dass ich vertusche, lasse ich mir nicht machen.“ Schon bei der Trennungsgeld-Affäre griff sie hart durch, veranlasste eine Überprüfung der gesamten Justiz – und machte sich damit dort viele Feinde. Denn hochrangige Juristen stehen jetzt im Visier der Staatsanwaltschaft. Ließ der Apparat sie deshalb ins offene Messer laufen? Selbst Parteifreunde räumen ein, dass Richstein „geschwächt ist“. Schon seit längerem wird in der CDU beklagt, dass die Vize-Parteichefin, die bereits als potenzielle Nachfolgerin von Parteichef Jörg Schönbohm galt, „politisch blass geblieben“ sei. Bereits vor dem Gefängnis-Skandal gab es Störfeuer aus den eigenen Reihen: Sie vernachlässige die Europapolitik, für die sie zuständig ist, habe keine offensive Öffentlichkeitsarbeit betrieben. Dennoch glauben nur wenige, dass die Partei sie jetzt fallen lässt, wo Wahlkampf herrscht und Ge-schlossenheit angesagt ist. Auf die Zeit nach der Landtagswahl wollen sich Christdemokraten nicht festlegen, zumal immer wieder eine Verkleinerung des Kabinetts diskutiert wird. Aber Barbara Richstein, die Marathonläuferin, sieht sich nicht als „Wackelkandidatin“ bei einer Neuauflage der Großen Koalition. „Ich habe die Ausdauer, das durchzustehen.“ Allerdings weiß sie, dass keine neuen „Minen“ hochgehen dürfen.

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