HINTERGRUND: Wie das CO2 ins Endlager kommen soll Oderbruch in Aufruhr
Vattenfall will zwei unterirdische CO2-Speicher erkunden – die betroffenen Bürger sind wenig begeistert
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Anfang April hatte das Bundeskabinett Richtlinien der Europäischen Union umgesetzt und das Gesetz zur Abscheidung und dauerhaften unterirdischen CO2-Speicherung verabschiedet. Mögliche Lager in Neutrebbin (Märkisch-Oderland) und Beeskow (Oder-Spree) möchte Vattenfall ab Ende 2009 erkunden. Binnen zwei Jahren könnte der Konzern damit fertig sein.
Parallel baut der Energieriese in Jänschwalde (Spree-Neiße) bis 2015 ein Demonstrations-Kraftwerk, wo Braunkohle verstromt wird. Das dabei entstehende CO2 soll nicht mehr in die Luft geblasen, sondern mit der sogenannten CCS-Technologie abgeschieden, über eine 150 Kilometer lange Pipeline bis nach Neutrebbin oder Beeskow und dort 30 Jahre lang in tiefe Gesteinsschichten gepumpt werden. Eine Milliarde Euro will Vattenfall investieren und bis 2020 die CCS-Technologie zur Serienreife zu bringen.
Das Kraftwerk Jänschwalde soll mit einer Stromleistung von 375 Megawatt 750 000 Haushalt versorgen und 2,7 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr einsparen. axf
Neutrebbin – Thomas Lautsch gibt sich am Montagabend alle Mühe. Ruhig erklärt der Projektleiter vom Energieriesen Vattenfall, warum das Unternehmen ausgerechnet in Neutrebbin (Märkisch-Oderland) das klimaschädliche Kohlendioxid (CO2) in 1600 Meter tiefe Gesteinsformationen einlagern will. Rund 300 Bürger haben sich in der Turnhalle der Oderbruch-Oberschule versammelt – doch die meisten lehnen die Pläne ab, das Misstrauen ist groß. „Die Leute haben Angst, dass die Technik nicht sicher ist und der Wert ihrer Häuser und Grundstücke sinkt“, sagt Siegfried Link, parteiloser Bürgermeister der knapp 1600 Einwohner zählenden Kommune mitten im Oderbruch. Auch die Gemeindevertreter seien gegen das Endlager.
Mit einer Informationsoffensive will der Konzern nun Vertrauen schaffen, verteilte mehr als 15 000 Handzettel, wirbt mit Klimaschutz und beruft sich auf die ehrgeizigen Ziele der Bundesregierung zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes. Vertreter des Energiekonzerns, der Verbundnetz Gas AG und eines Erkundungsunternehmens sind nun nach Neutrebbin gekommen, drei Stunden lang sitzen sie auf dem Podium, zeigen eine bunte Multimedia-Projektion und diskutieren. Lautsch erklärt wiederholt: „Die Veranstaltung ist erst ein Anfang, der Informationsprozess geht weiter. Wir haben gerade erst begonnen mit den Planungen.“
Bei den Bürgern aus Neutrebbin und den umliegenden Gemeinden kommt das nicht an. Sie fühlen sich überrumpelt und fürchten, dass die Würfel schon gefallen sind, einige haben bereits eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen.
Erst Ende März hatte Vattenfall in Potsdam seine Pläne verkündet, unterirdische Gesteinsformationen bei Beeskow (Oder-Spree) und Neutrebbin auf ihre Eignung zur dauerhaften Speicherung von CO2 zu erkunden. Die zuständigen Behörden und Kommunalpolitiker vor Ort waren vorab nicht informiert. Nun können die Gemeinden bis 8. Mai beim brandenburgischen Bergbauamt Einwände gegen das Vorhaben erheben, es geht um Naturschutz, Emissionen und Lärm. „Diese Frist ist inakzeptabel“, sagt ein Einwohner. „Sie machen uns Hoffnung, wir könnten etwas mitbestimmen, aber das ist nicht wahr“, meint eine andere. Der Mitarbeiter einer benachbarten Gemeinde sagt, das Verfahren sei eine Farce. Verhindern könnten die Kommunen das CO2-Lager sowieso nicht. Und Karsten Birkholz, Direktor des Amtes Barnim-Oderbruch, in dem Neutrebbin liegt, sagt: „So positiv wird unsere Stellungnahme nicht ausfallen.“
Dabei hätten die Gemeinden nicht einmal gefragt werden müssen, sondern nur die Kreisverwaltungen, berichtet der Präsident des Bergbauamtes Klaus Freytag. „Uns war es aber wichtig, mit maximaler Transparenz vorzugehen. Im Land brauchen wir eine hohe Akzeptanz bei solch sensiblen Projekten.“ Die Frist für Gemeinden könnte zudem auf Antrag verlängert werden. „Es geht jetzt aber erstmal um das Exklusivrecht zur Erkundung“, betont Freytag.
Vattenfall will die möglichen Lagerstätten mit schweren Messwagen, später auch mit Bohrungen und Kleinstsprengungen erkunden. Bereits in der 1970er Jahren wurde in Neutrebbin mit schwerem Gerät nach Erdöl gesucht. Lautsch versichert nun: „Wenn das Lager nicht sicher ist, werden wir kein CO2 einbringen.“
Horst Tarnawski von der CDU-Mittelstandsvereinigung in Märkisch-Oderland mag dem nicht glauben: „Für mich ist das eine Verschleierungstaktik. Sie legen den Mittelstand lahm, wenn hier die Grundstückspreise sinken. Dann nämlich steigen die Zinsen für die Kredite.“ Andere kritisieren den Braunkohleabbau an sich oder zeichnen Horrorszenarien mit unzähligen Toten für den Fall, dass die Gesteinsschichten undicht sind und CO2 austritt. „Legen sie Karten offen auf den Tisch und sagen ehrlich, dass es sich um ein Experiment handelt“, erklärt ein Einwohner.
Am Ende reden nur noch die Bürger. Die Vertreter von Vattenfall werden immer ruhiger, Thomas Lautsch weist noch einmal auf die Klimaschutzziele der großen Politik hin. Ein aufgebrachter Mann sagt: „Wenn das Land sagt, ihr bekommt das, dann möchte ich, dass diese Leute hier vorne sitzen.“
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