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Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).

© dpa/Christoph Soeder

Wie geht es jetzt nach dem BSW-Knall weiter?: Der Konflikt der Brandenburger Koalition spitzt sich zu

Vier BSW-Abgeordnete sind aus der Partei ausgetreten, im Potsdamer Landtag ist die Koalition auf CDU-Hilfe angewiesen. Eine Prognose, wie die Zerreißprobe ausgeht, wagt derzeit niemand.

Stand:

In Brandenburg steht Deutschlands einzige Koalition aus SPD und Wagenknecht-Partei weiter auf der Kippe. Nachdem am Dienstag vier BSW-Landtagsabgeordnete wegen „autoritärer Tendenzen“ aus der Partei ausgetreten waren, konnte am Mittwoch im Landtag zwei Medienstaatsverträge nur mit den Stimmen der oppositionellen CDU beschlossen werden.

Eine eigene Mehrheit hatten SPD und BSW bei der Abstimmung nicht. Zwar betonte Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), gerade auf einer Wirtschaftsreise in Großbritannien: „Die Koalition steht.“ Zugleich drängte Woidke den Juniorpartner des Bündnisses zur Klärung der inneren Querelen.

„Die Diskussionen, die innerhalb des BSW laufen, haben mit der Koalition nichts zu tun. Alle Beteiligten haben betont, dass sie zur Koalition stehen“, sagte Woidke. „Die Menschen im Land erwarten, dass wir für Brandenburg arbeiten. Deswegen sollte das BSW diese Diskussionen schnell beenden.“ Das ist bisher nicht in Sicht.

Der Abgeordnete André von Ossowski – einer der vier Abweichler – forderte BSW-Fraktionschef Niels Olafs Lüders am Mittwoch zum Rücktritt auf. „Wir vier wollen in der Fraktion bleiben. Aber es muss einen Wechsel an der Spitze und auf dem Stellvertreterposten geben“, sagte von Ossowski dieser Zeitung. Das bisherige Agieren des BSW bei den Staatsverträgen sei für eine Regierungspartei nicht seriös und ein Affront gegenüber Ministerpräsident Woidke.

Am Dienstagabend hatten vier Abgeordnete – Landtagsvizepräsidentin Jouleen Gruhn, Melanie Matzies, André von Ossowski und Reinhard Simon – in einer Erklärung ihren Parteiaustritt erklärt. Sie begründeten dies unter anderem damit, dass radikalisierte Positionen im BSW dominierten und autoritäre Tendenzen zunehmend das innerparteiliche Klima prägten.

Zwar haben die vier Ex-BSW-Mitglieder erklärt, bis auf Weiteres als Parteilose in der BSW-Fraktion zu bleiben und die Fortführung der Koalition zu tragen. Doch haben SPD (32 Abgeordnete) und BSW (noch zehn Abgeordnete mit Parteibuch) im Brandenburger Landtag nun keine Mehrheit mehr. Für die Abstimmung über die beiden Staatsverträge nächste Woche verlassen sich die Sozialdemokraten nach dem Nein des BSW nun auf die Ja-Stimmen der oppositionellen Union.

Wagenknecht kritisierte die vier Abtrünnigen

Wie sich das BSW zerlegt und auf offener Bühne agiert, beobachtet die seit 35 Jahren ununterbrochen in Brandenburg regierende SPD trotz der öffentlichen Zurückhaltung sehr genau. Eine offizielle Erklärung von BSW-Landeschefin Friederike Benda zur aktuellen Lage - nach dem Austritt - löste dem Vernehmen nach auf SPD-Seite Zweifel aus, ob mit dem BSW noch ein stabiles Regieren möglich ist.

„Das BSW ist eine selbstbewusste Partei. Das muss sie auch in der Regierung sein“, erklärte Benda. „Unsere Partei und unsere Wähler erwarten zu Recht, dass wir – in Regierung oder Opposition – nicht einknicken. Wir etablieren uns durch Glaubwürdigkeit, nicht durch Anpassung.“

Benda bekräftigte das Ziel des BSW, die in fünfzehn Ländern beschlossenen Staatsverträge an Brandenburg scheitern zu lassen. „Bei geschlossenem Abstimmungsverhalten der BSW-Fraktion könnten die Medienstaatsverträge über Brandenburg gestoppt und eine echte Reform ermöglicht werden.“ Das hatte der Bundesvorstand einstimmig beschlossen.

Sahra Wagenknecht kritisierte die vier Abtrünnigen. „Ich finde es wirklich problematisch, wenn einzelne Abgeordnete hier in einer wichtigen Position – und unsere Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist eine wichtige Position – meinen, das müssten sie einfach anders machen, weil sie es vielleicht besser wissen“, sagte Wagenknecht in der ARD-Sendung Maischberger. Doch betonte sie, man werde „mit ihnen im Gespräch bleiben, und ich hoffe, dass wir das auch lösen können“.

Das BSW ist wie eine große Familie.

Finanzminister Robert Crumbach (BSW)

Bei der Abstimmung im Hauptausschuss des Landtages am Mittwoch stimmte Finanzminister Robert Crumbach (BSW) mit SPD und Union für die Rundfunkstaatsverträge, während BSW-Fraktionschef Niels Olaf Lüders zusammen mit der extrem rechten AfD mit Nein stimmte.

In der Debatte kritisierte Lüders mangelnde Meinungsvielfalt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und den Umgang der Anstalten mit der Wagenknecht-Partei, die etwa in Umfragen unter „Sonstiges“ gezählt werde. „Man fühlt sich nicht fair behandelt“, sagte er. Er kritisierte das Management und unzureichende Kommunikation auf SPD-Regierungsseite gegenüber dem BSW im Procedere zu den Staatsverträgen. Crumbach quittierte das mit einem Kopfschütteln.

Die beiden Staatsverträge waren im April 2025 vom Woidke-Kabinett mit den Stimmen der BSW-Minister beschlossen worden, ohne Widerspruch des anwesenden BSW-Fraktionschefs. Lüders steht intern weiter unter Druck, durch einen Misstrauensantrag der vier Parteilosen. „Uns hat der Austritt überrascht“, sagte Lüders und kündigte eine Sondersitzung der Landtagsfraktion an.

Robert Crumbach, der frühere Landesvorsitzende, Finanzminister und Vizeministerpräsident, bemühte sich um Schadensbegrenzung. „Die SPD-BSW-Regierung hat bisher hervorragende Arbeit geleistet“, sagte er. „Mit einer anderen Koalition wäre das so nicht möglich gewesen. Das spricht für sich.“ Auf die Frage, ob die Koalition 2026 noch besteht, antwortete Crumbach so: „Ich hoffe.“ Und auf die Frage, ob er einen Austritt aus dem BSW ausschließe, antwortete Crumbach nur: „Wir haben sehr viel miteinander zu bereden. Das sollten wir tun.“ Das BSW sei wie eine „große Familie.“

Eine Prognose, wie es weitergeht, wagt derzeit niemand. Die seit der letzten Landtagswahl nicht mehr in Brandenburgs Parlament vertretenen Grünen forderten angesichts der Erschütterungen Woidke am Mittwoch auf, im Landtag die Vertrauensfrage zu stellen und Neuwahlen zu ermöglichen. Die sind wegen der nötigen Zwei-Drittel-Mehrheit aber extrem unwahrscheinlich.

Die Chancen für den Wechsel zu Rot-Schwarz steigen hingegen. SPD und CDU kommen bisher auf 44 Sitze – und bräuchten nur eine weitere Stimme für eine Mehrheit. AfD-Fraktionschef Hans Christoph Berndt forderte SPD und CDU auf, diese längst praktizierte rot-schwarze Koalition in Brandenburg endlich offiziell zu machen. „Das wäre ehrlicher.“ CDU-Fraktionschef Jan Redmann hielt sich zurück. Er wolle „keine Haltungsnoten“ vergeben, sagte Redmann.

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