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Die Linke in Brandenburg: Wie weiter nach Kaisers Sturz?

Nach ihrem unfreiwilligen Abtritt rechnet Kerstin Kaiser mit den eigenen Genossen ab, die gehen zur Tagesordnung über. Aber wer soll die Linken in die Landtagswahl führen?

Stand:

Potsdam - Der Sturz von Kerstin Kaiser erhitzt die Gemüter in den Reihen der Linken. Die langjährige Spitzenfrau der Genossen in Brandenburgs Parlament hatte am Montag ihre verbitterte Abrechnung mit der eigenen Fraktions- und Parteiführung, von der sie aus dem Amt gedrängt worden war, kaum über das Netzwerk Facebook, auf ihrer eigenen Homepage und per Mail an alle Führungskräfte im Landesverband publik gemacht. Und das zum Entsetzen ihrer Genossen noch während der Wahlklausur in Hermannswerder bei Potsdam, noch vor dem Beginn der Generalaussprache. Da verbreitete sich der Fall Kaiser, ihr Gegenschlag, schon wie ein Lauffeuer – und sorgte für ein geharnischtes Echo.

Einer der ersten, der im Netz empört reagierte, ihr zur Seite sprang, war etwa Andrej Hermlin, der bekannte Pianist und Bandleader, Sohn des Schriftstellers Stephan Hermlin: „Es hört nicht auf. Es hört einfach nicht auf. Was für eine vergiftete Partei.“ Eine ehrliche Debatte, Streit sei geboten, aber nicht so, nicht dieser Umgang mit Kaiser, die damit wie schon früher in ihrer Karriere, wie etwa bei ihren Stasi-Verstrickungen, nun am Ende noch einmal polarisierte. Denn in der Landtagsfraktion selbst waren, zumindest in der Mehrheit, genau entgegengesetzte Stimmen zu hören. Das „Nachtreten“ Kaisers, die „Legendenbildung“ betreibe, sei „unpolitisch“, eine „Kriegserklärung“ an Parteichef Stefan Ludwig und ihren Nachfolger Christian Görke, hieß danach von Abgeordneten, bei manchem schwang ein bisschen schlechtes Gewissen mit, und auch das: Es sei „typisch Kaiser“, keine Selbstkritik, kein Eingestehen eigener Versäumnisse, die überhaupt erst zur tiefen Entfremdung mit den eigenen Genossen geführt hätten.

Und natürlich, genau auf diesen bei der Neuwahl belegten Umstand wies sofort der Neue im Amt hin: Christian Görke, bislang parlamentarischer Geschäftsführer unter Kaiser, damit ihr engster Vertrauter, der nun am Königsmord mitwirkte. Die Linken vor einer Zerreißprobe? Gleich im ersten Satz der Pressekonferenz erinnerte Görke daran, dass der neue Vorstand sämtlich bessere Wahlergebnisse eingefahren habe als der bei der letzten Wahl vor zwei Jahren, als Kaisers Team. „Das ist ein tolles Ergebnis. Es ist ein sehr guter Tag für unsere Fraktion“, sagt er sogar.

Da guckten Vize-Fraktionschefin Kornelia Wehlan und der neue parlamentarische Geschäftsführer Thomas Domres, Liebling der Partei, doch sehr betreten. Kaiser selbst war nicht mehr dabei, auf PNN-Anfrage hatte sie sich zuvor auch nicht weiter äußern wollen. „Ich habe alles gesagt.“ So blieb ihr erspart, zu hören, wie die resolute Vize-Fraktionschefin Margitta Mächtig von einem „Problem“ sprach, dass die Fraktion, deren mangelnde Erkennbarkeit in der rot-roten Koalition beklagt worden sei, nun gelöst habe.

Sichtlich unwohl fühlte sich der Mann ganz rechts außen auf dem Podium: Stefan Ludwig, der ungeliebte Vorsitzende der Linken, seit ein paar Monaten Nachfolger des Schwergewichts Thomas Nord, der nun ausgerechnet mit den beliebtesten Politikerinnen des Landesverbandes, nämlich Kaiser und Dagmar Enkelmann, über Kreuz liegt. Die eine, nämlich Kaiser, weil sie der Neuaufstellung der Fraktion für die Landtagswahl 2014 und der angepeilten Fortsetzung von Rot-Rot im Weg stand, die andere, nämlich Enkelmann, die schon lange nicht mehr versteht, was ihre Genossen in der Potsdamer rot-roten Regierung mittragen und deshalb die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl 2013 ablehnt.

Und der Vorsitzende? Während der Sitzung wurde aufmerksam registriert, wie sich Ludwig zurückhielt, nicht auf Kaisers Vorwürfe reagierte, nach denen ihr Sturz mit seiner Hilfe eingefädelt wurde, ihr der eigene Fraktionsvorstand – Ludwig als Vize, Görke als parlamentarischer Geschäftsführer, erklärt hatten, dass sie keine Mehrheit mehr habe. Nach „informellen Einzelgesprächen“, die sie an frühere Zeiten erinnerten, wie sie beklagte. Dass Ludwig nicht einmal seiner Landesgeschäftsführerin Andrea Johlige beisprang, die von Kaiser der Lüge bezichtigt wurde. Auf der Pressekonferenz begnügte sich Ludwig damit, die Vorwürfe Kaisers allgemein zurückzuweisen. Er könne diese nicht nachvollziehen, sagte er. Man habe versucht, ihr eine Brücke zu bauen, was er nicht näher erläutert. Gemeint war das von Kaiser ausgeschlagene Angebot, ihr einen Vorstandsposten zu geben oder sie in der Rosa-Luxemburg-Stiftung unterzubringen. Ludwig sagte: „Die Brücken sind nicht gegangen worden.“ Unpersönlicher kann man es kaum formulieren.

Und doch rückt bei dem mit Querelen begleiteten Neuanfang an der Fraktionsspitze, der an frühere Machtkämpfe bei den Linken oder in der CDU erinnerte, sofort die eigentliche Frage in den Mittelpunkt, um die es geht. Nämlich mit wem Brandenburgs Linke bei der Landtagswahl 2014 in den Wahlkampf ziehen wollen, gegen SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck, gegen die knallharte CDU-Landeschefin Saskia Ludwig.

Die Personaldecke, dünn schon bei der rot-roten Regierungsbildung 2009, wo man Mühe hatte, Minister zu stellen, ist nun noch dünner geworden. Mit Kaiser und Enkelmann fallen die zwei Politikerinnen aus, die bisher im Landesmaßstab die meisten zogen, aus. Profilierte, prominente Köpfe sind rar. Die Spitzenkandidatur läuft nun auf einen der vier Ressortchefs oder auf den neuen Fraktionschef Görke hinaus, der sich am Freitag nicht festlegen wollte. Die Frage stelle sich derzeit nicht, sagte der nur.

Oder Finanzminister Helmuth Markov, Vize-Regierungschef von Matthias Platzeck, der als Finanzminister zwischenzeitlich schwer unter Druck stand, als amtsmüde galt, über 2014 nicht weitermachen wollte, inzwischen aber seine Stellung gefestigt hat? Genossen schließen neuerdings nicht mehr aus, dass sich Markov womöglich doch in die Pflicht nehmen lässt. Da wäre Ralf Christoffers, der Wirtschaftsminister, bei Unternehmen im Lande anerkannt, mit dessen braunkohlefreundlicher Linie aber weite Teile der Linke-Basis hadern. Dort hat Umweltministerin Anita Tack einen guten Stand. Allerdings wäre Tack, wenn sie 2014 aufgestellt würde – dann bereits 63 Jahre alt – nicht gerade ein „zukunftsträchtiges Aufgebot“, heißt es. Und immer wieder fällt im Zusammenhang mit der Spitzenkandidatur der Name des allgemein unterschätzten  Justizministers Volkmar Schöneburg ...

Es war eine letzte, kalkulierte Abrechnung Kaisers. Sie machte damit nicht nur die Personalnöte publik, sondern auch, dass es bei den Linken, die sich im eigenen Verständnis als „bessere“ Menschen, als Streiter für eine sozialere, gerechtere Welt sehen, mit Machtkämpfen und Intrigen, menschlichen Verwerfungen und Frustrationen auch nicht anders zugeht als in anderen Parteien.

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