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Von Alexander Fröhlich: Windkraft aus Schutzgebieten
Umweltministerin Tack (Linke) gibt Widerstand nach Protesten auf – beharrt aber auf Einzelfallprüfung
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Potsdam – Brandenburgs Landesregierung will zum Erreichen der Klimaschutzziele künftig auch in Nutzwäldern und Schutzgebieten Windräder zulassen. Umweltministerin Anita Tack (Linke) gab jetzt ihren Widerstand auf. Nach einer Einzelfallprüfung sollen Windkraftanlagen auch in Schutzzonen ermöglicht werden. Noch Anfang Juni hatte Tack mit einem Positionspapier für den Umweltausschuss des Landtages heftige Reaktionen ausgelöst. Darin wurde „für eine Änderung der Verordnungen“ zur „Öffnung der geschützten Gebiete für bisher unzulässige Nutzungen kein Raum“ gesehen. Die „etwaige Errichtung von Windkraftanlagen in Schutzgebieten sei „nicht mit den Schutzzielen vereinbar“.
Nun ruderte Tack zurück. Derzeit stimme ihr Ressort mit anderen Ministerien einen Erlass ab, der zum 1. November in Kraft treten soll, sagte Tack. Demnach werden tierökologische Abstandskriterien aufgeweicht, denn nach neuesten Erkenntnissen stören sich etwa Kraniche an ihren Brutplätzen weit weniger an den Windparks. Diese Lockerung betrifft bislang vor allem die Regionen Barnim und Uckermark. „Gegen diese Beschränkung auf bestimmte Regionen laufen die Planungsgemeinschaften Sturm“, hieß es aus aber Regierungskreisen. Zumindest werden nun auch die Abstände zu Brutstätten anderer Vögel geprüft. Zudem sollen Schutzgebiete für Windkraft geöffnet werden, allerdings nur nach einer Einzelfallprüfung, wie Tack betonte. Die Rotoren der Windräder sollen zudem auch über den Wipfeln von Nutzwäldern drehen dürfen. Ursprünglich sollte der Erlass bereits Anfang September in Kraft treten, derzeit arbeiten die Ministerien aber noch an den juristischen Feinheiten. Immerhin hat sich damit Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) mit seiner Forderung nach einer Vorrangregelung für erneuerbare Energien bei den zunehmenden Konflikten mit Natur- und Landschaftsschutz bei der Festlegung neuer Windparks durchgesetzt.
Bislang hatte sich das Umweltressort quergestellt, besonders die mächtige Fraktion der Naturschützer im Beamtenapparat wehrte sich. Daher rührt auch Tacks inzwischen zurückgezogenes Positionspapier. Das stieß in den Regierungsfraktionen aus SPD und Linke auf deutliche Kritik. Die beiden Landräte von Uckermark und Barnim, Dietmar Schulze und Bodo Ihrke (beide SPD) protestierten in einem Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), mit diesen Vorgaben sei der gewollte Ausbau erneuerbarer Energien nicht zu erreichen. Selbst der Landesverband Windenergie beklagte immer „aufwendigere Untersuchungen zum Naturschutz, die in keinem nachvollziehbaren Verhältnis zu den vermuteten Schäden stehen“. In der vergangenen Woche hagelte es auch bei einem Treffen von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke), Staatskanzleichef Albrecht Gerber und Vertretern der Regionalen Planungsgemeinschaften Kritik.
Bereits vor Monaten hatten Experten der Fraktionen in enger Abstimmung mit Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) weitreichende Ziele formuliert. Danach wäre sogar denkbar, den Anteil erneuerbarer Energien am Primärenergieverbrauch über die bisherige Zielmarke von mehr als 20 Prozent zu steigern. Doch bisher ist noch nicht einmal das Ziel erreicht, zwei Prozent der Landesfläche für Windparks ausweisen, bislang sind es nun 1,25 Prozent. Die Planungsgemeinschaften im Land prüfen derzeit eine Ausweitung der Windeignungsgebiete und aktualisieren ihre Unterlagen, ein Wildwuchs soll vermieden werden. Dennoch fehlt es in Deutschlands fünftgrößtem Bundesland an ausreichend Fläche, wie aus den Planungsregionen zu erfahren ist. Deshalb müssten, so die rot-roten Planspiele, bestehende Windparks verdichtet, alte Militärliegenschaften, Wälder, Flächen direkt an Verkehrsachsen stärker genutzt werden – und eben Schutzgebiete.
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