Brandenburg: „Wir identifizieren uns mit dem Klimawandel“
Brandenburgs Wirtschaftsminister Junghanns will neue Tagebaue in der Lausitz und Vattenfall freut sich. Landes-Studie: Im schlimmsten Fall 30 Orte betroffen / Bedenken in Regierung
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Cottbus/Potsdam - Brandenburgs Wirtschaftsminister und Vize-Regierungschef Ulrich Junghanns (CDU) bereitet in der Lausitz die Erschließung neuer Tagebaue vor, obwohl die Braunkohle-Kraftwerke wegen der hohen Treibhausgas-Emissionen als „Klimakiller Nummer Eins“ im Land gelten. Gestern präsentierte Junghanns in Cottbus die Ergebnisse einer neuen Studie der Technischen Universität Clausthal für sieben mögliche neue Tagebaufelder ab 2030. Würden die dort lagernden acht Milliarden Tonnen Braunkohle „maximal“ gefördert, wären davon laut Studie über dreißig Ortschaften mit rund 7000 Einwohnern betroffen. Allerdings müssten bei zwei ebenfalls untersuchten Minimal-Varianten – also nur einer teilweisen Förderung der dort lagernden Vorräte – keine Orte abgebaggert werden.
Das Land stehe vor der Herausforderung, Klimaschutz und Versorgungssicherheit für Energie mit einem einheimischen und langfristig verfügbaren Energieträger sicherzustellen, sagte Junghanns. Es reiche nicht aus, allein auf erneuerbare Energien zu setzen. Die Zukunft der Braunkohle hänge jedoch davon ab, ob bei der Braunkohleverstromung das klimaschädliche CO2 abgetrennt werden könne. „Wir gehen davon aus, dass das gelöst werden kann.“
Die Kohlestudie sorgt in der Lausitz für erhebliche Unsicherheit, da Abbaggerung weiterer Ortschaften – die letzte war Horno – befürchtet wird. Der Präsident des Landesamtes für Bergbau und Geologie, Klaus Freytag, betonte, es gehe um langfristige Planungen, es sei völlig offen, ob überhaupt ein Ort umgesiedelt werden müsse. Bislang gebe es keine Anträge von Vattenfall auf die Nutzung neuer Lagerstätten.
Reinhardt Hassa, Vorstandsmitglied von Vattenfall Europe, hatte schon am Dienstagabend in Potsdam gegenüber den PNN erklärt, Vattenfall sei froh, dass das Land die Potenziale für die Braunkohle aufzeige. Der Konzern brauche neue Tagebaue und wolle auch die Nutzung neuer Lagerstätten beantragen.
Vattenfall hatte am Dienstag in Potsdam Bundestags- und Landtagsabgeordnete zu einem parlamentarischen Abend geladen. Statt der erhofften 50 Gäste waren lediglich drei (ein Bundestagsabgeordneter und zwei Landtagsabgeordnete) in der noblen Villa Kellermann am Heiligen See erschienen – alle von der SPD und alle aus der Lausitz.
Dem Vorwurf, Vattenfall nehme den Klimaschutz nicht ernst, begegnete Hassa mit dem Satz: „Vattenfall identifiziert sich mit dem Klimawandel.“
Gegen die von Junghanns ungeachtet der Klimadebatte betriebene Ausweitung der Braunkohleförderung gibt es massiven Protest. Die gestern in Cottbus präsentierte Studie, über die die PNN bereits Ende März berichtet hatten, übertreffe die „schlimmsten Befürchtungen“, sagte der Lausitzer PDS-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Nescovic. Die PDS-Opposition fordert den Ausstieg aus der Braunkohle bis 2050 – und keine neuen Tagebaue. Die Studie zementiere die starre Haltung der Landesregierung zur Braunkohle, hieß es auch von den Brandenburger Grünen und der Umweltschutzorganisation BUND. Zwar bekennt sich die SPD zur Braunkohle. Trotzdem sorgt in der Koalitionsregierung das „unabgestimmte“ Vorpreschen von Junghanns für neue Tagebaue für Verstimmungen. Die Landesregierung hat bislang alle Regierungsziele zur Senkung der Treibhausgas–Emissionen bis zum Jahr 2010 verfehlt. Auf eine neue Strategie bis zum Jahr 2020 können sich Umwelt- und Wirtschaftsministerium seit Monaten nicht einigen.
Die energiepolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, die Bergbauingenieurin Martina Gregor, verwahrte sich am Dienstagabend auf der Vattenfall-Veranstaltung gar „gegen den Eindruck, als hätte sich die Landesregierung Klimaschutzziele gesetzt“ und diese verfehlt. Auf Nachfrage räumte sie dann ein, dass die Ziele zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes Bestandteil der Energiestrategie 2010 des Landes sind.
Wenige Stunden vor dem Vattenfall-Termin hatte die SPD-Landtagsfraktion am Dienstag in Potsdam ihre Klimastrategie vorgestellt. Wesentliche Bestandteile waren Energieeinsparungen, die Forderung nach einem Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen und das Festhalten an der Braunkohle.
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