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Brandenburg: Wirrwar am Ackerrain

Brandenburg hat Abstände von Gen-Feldern zu Schutzgebieten definiert – nicht jeder Kreis hält sich dran

Stand:

Wildberg/Potsdam - Beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais herrscht im Land Brandenburg offenbar ein Regelungs- und Genehmigungschaos. Nach PNN-Informationen wird eine bundesweit einmalige Verordnung des Landesumweltministeriums, in der der Abstand zwischen Genmais-Feldern und Schutzgebieten geregelt ist, im Land unterschiedlich gehandhabt. Auf Nachfrage räumte die Naturschutz-Referentin des Agrarministerium, Barbara Pabelick, gestern ein, dass die Landkreise den Erlass unterschiedlich anwenden.

Als erstes Bundesland überhaupt hat Brandenburg im März nach einer gescheiterten Bundesratsinitiative einen Mindestabstand von Genmais-Flächen zu Schutzgebieten festgelegt. Weil das Gentechnik-Gesetz des Bundes den Schutz gefährdeter Schmetterlingsarten und ihrer Lebensräume sowie die genauen Abstandsflächen nicht genau regelt, sah sich das brandenburgische Agrarministerium zu diesem Alleingang gezwungen. So müssen Genmais-Felder in Brandenburg mindestens 800 Meter von Schutzgebieten entfernt sein. Der Genmais MON 810 des US-Agrarkonzerns Monsanto produziert jedoch ein Gift gegen den Maiszünsler, eine Schmetterlingsart, die Landwirten erhebliche Ertragseinbußen beschert. Doch auch andere Schmetterlings- und Insektenarten können durch die Gen-Pflanze geschädigt werden. Wirklich unabhängige Langzeitstudien zu den Auswirkungen des Genmais-Anbaus gibt es weltweit nicht eine einzige – zumindest keine einzige.

Den PNN vorliegendes Kartenmaterial belegt jedoch, dass zahlreiche Genmais-Felder die landesweit vom Ministerium vorgeschriebene 800-Meter-Zone um Schutzgebiete herum verletzen oder gar bis in die Schutzgebiete hineinreichen.

So auch eine Anbaufläche bei Wildberg in der Nähe von Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin), auf der Gentechnik-Gegner bei einer Protestveranstaltung am Wochenende 60 Quadratmeter Acker niedertrampelten. Die Polizei in Neuruppin ermittelt wegen Sachbeschädigung, nachdem mehr als 200 Umweltschützer am Sonntag gegen den Genmais-Anbau in der Nähe eines Naturschutzgebiets „Temnitztal“ protestiert. Thomas Janoschka vom Barnimer Aktionsbündnis gegen Gentechnik erklärte gegenüber den PNN, der Anbau der Maissorte MON 810 am Rande des Schutzgebietes sei illegal, weil sich das Feld innerhalb der von der Landesregierung verordneten 800-Meter-Zone von 800 Metern befinde. Daher fordert Gentechnik-Gegner Janoschka: „Das Land muss endlich seinen eigenen Erlass durchsetzen.“

Nach den, den PNN vorliegenden Karten reicht der Acker bei Wildberg bis auf 300 Meter an das Schutzgebiet „Temnitztal“ heran, das als typisches Biotop für Schmetterlinge ausgewiesen ist.

Dass in Wildberg trotz der Verstöße Genmais angebaut wird, liegt offenbar an der Unteren Naturschützbehörde des Landkreises Ostprignitz-Ruppin. Die Behörde in Neuruppin müsse zum Fall Wildberg nun Stellung nehmen, erklärte das Agrarministerium in Potsdam gegenüber den PNN. Allerdings sagt auch Ministeriumssprecher Jens-Uwe Schade, dass der Erlass seine volle Wirkung erst 2009 entfalten werde: Denn als das Schreiben mit dem Abstandserlass Ende März verschickt wurde, hatten die Landwirte die Aussaat von Genmais längst angemeldet.

Während in Wildberg der Bauer seine Gensaat bis ins Naturschutzgebiet streuen durfte, wurde im Nachbralandkreis Oberhavel einem Bauer genau das verwehrt – und nun klagt er als erster Bauer der Mark gegen den Minister-Erlass. Christoph Plass aus Liebenwalde hat die Klage gegen die Naturschutzbehörde des Landkreises eingereicht. Das Amt hatte dem Bauern den Anbau von Genmais untersagt – alle Felder und der gesamte Betrieb des Landwirts liegen im oder grenzen an das Schutzgebiet „Schnelle Havel“. Und dort soll der „Große Feuerfalter“ leben. Nur für einen Acker hat Plass eine Ausnahmegenehmigung erhalten. „Das ist kalte Enteignung“, sagt der Landwirt, der auch gentechnisch veränderte Kartoffeln anbauen will. Dem Erlass zufolge müsste Plass nun über eine Verträglichkeitsprüfung nachweisen, dass der Genmais den Falter nicht gefährdet. Doch die ist teuer und von den Landwirten kaum zu leisten, wie selbst auch dem Ministerium heißt. Das will der Bauer nicht hinnehmen: „Ich will das ein für allemal geregelt haben, was man darf oder auch nicht. Mir geht es um die Sicherung des Standorts.“

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