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Brandenburg: Wo die Wände reißen

In der Lausitz zeigen sich die Folgen des Braunkohle-Abbaus an den Häusern. Entschädigungen bekommen Betroffene aber nur schwer

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Griessen - Der Braunkohleabbau in der Lausitz macht sich immer stärker in den Dörfern rund um die Tagebaue des Energiekonzerns Vattenfall bemerkbar. An den Häusern und den Straßen mit Rissen oder Sprüngen. Denn über große Flächen hat sich der Boden hier abgesenkt. Das Dorf Heinersbrück liegt jetzt zehn Zentimeter tiefer, Jänschwalde ganze zwölf Zentimeter, also etwa eine Handbreite. In Welzow gibt es auf Grundstücken Geländeabsenkungen bis zu 25 Zentimeter. „Ein Ingenieurbüro aus Welzow bestätigte uns im vorigen Jahr, dass sich Neupetershain seit Beginn des Tagebaus bereits um einen halben Meter gesenkt hat“, sagt Hannelore Wodtke. Es ist Donnerstag im Gemeindezentrum von Grießen, einem Ortsteil von Jänschwalde, es liegt am östlichen Rand des gleichnamigen Tagebaus. Hannelore Wodtke aus Welzow ist gekommen und mit ihr 60 weitere Betroffenen aus den Dörfern rund um den Tagebau. Die Grünen-Fraktion des Landtags hat eingeladen. Hannelore Wodtke beklagt sich: Alle bisher gemeldeten Bergschäden an Häusern seien von Vattenfall mit einem Standardbrief abgelehnt worden.

Dass sich der Boden über mehrere Kilometer absenkt, ist sogar behördlich bestätigt. Regelmäßig wird die Landschaft über ein sogenanntes Höhenfestpunktnetz vermessen. Für die Tagebaue muss das Grundwasser in einem riesigen Gebiet abgesenkt werden, im Untergrund sacken Sandschichten zusammen – und das nicht immer gleichmäßig, was sich an der Bodenoberfläche bemerkbar macht. Stehen Häuser an solchen Bruchkanten, entstehen in den Wänden Risse und Sprünge. Die Frage ist nur, wer für die Schäden aufkommt. Laut Bundesberggesetz ist es der Verursacher, in diesem Fall wäre das also Vattenfall. Seit 1992 wurde dort 3000 Bergschäden angemeldet, 43 Prozent wurden abgelehnt – durch Vattenfall selbst. Betroffene müssen nachweisen, dass Schäden an ihren Häusern durch den Braunkohletagebau verursacht worden sind.

Die Grünen sprechen sich deshalb für eine Änderung des Bergrechts und für die Einrichtung einer unabhängigen Schiedsstelle aus. „In Brandenburg gibt es hier keinerlei Hilfe für die Betroffenen, die häufig einem Kampf wie David gegen Goliath ausgesetzt sind“, sagt Landtagsabgeordnete Sabine Niels. Im Braunkohleland Nordrhein-Westfalen gebe es hingegen seit Ende 2010 eine Anrufungsstelle Bergschaden, die bei Streitigkeiten vermittelt. Zudem forderte die Abgeordnete im Bergrecht eine Beweislastumkehr. Falls an Häuser in der Kohleregion Schäden auftreten, die Folge des Bergbaus sein könnten, sollen demnach nicht mehr Hausbesitzer beweisen müssen, dass es sich um einen Bergschaden handelt, sondern die Braunkohleunternehmen in der Pflicht stehen. „So wie es heute schon für die Steinkohle gilt“, sagte Niels.

Hoffnung auf eine entsprechende Änderung des Bergrechts macht der Grünenabgeordnete Oliver Krischer (NRW). Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen will die Beweislastumkehr als Ziel festgeschreiben. Krischer rechnet dazu mit einer Bundesratsinitiative. Jochem von der Heide, Leiter der Schlichtungsstelle Bergschaden in Nordrhein-Westfalen, sagt, die Institution sei erfolgreich.

Brandenburgs Wirtschaftsministerium lehnt die Einrichtung einer Schiedsstelle ab und verweist auf ein Gespräch mit Vattenfall und dem Bergbausanierer LMBV. Beide hätten „keine Notwendigkeit der Einrichtung einer Schlichtungsstelle Bergschäden gesehen“, heißt es in einem Schreiben von Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (Linke) an die Lausitzer CDU-Landtagsabgeordnete Monika Schulz-Höpfner. Die Unternehmen erkennen „keinen Mehrwert durch die Einrichtung einer Schiedsstelle“, die von ihnen finanziert würde. Einer Umkehr der Beweispflicht steht Vattenfall demnach offener gegenüber. Der Konzern bietet an, an neuen Tagebauen den Zustand der Gebäude vorsorglich zu dokumentieren, um Streitfälle zu vermeiden. A. Fröhlich

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