Brandenburg: Wohin es ohne Saskia Ludwig geht
Mit der zurückgetretenen CDU-Landeschefin verschwindet eine Zentralfigur in Brandenburgs kleinem Politikbetrieb – mit Folgen
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Potsdam - Saskia Ludwig ist als CDU-Chefin Geschichte. Doch der Führungswechsel in Brandenburgs Union verändert die politischen Koordinaten, in Fraktion, Partei und im Land für die nächste Landtagswahl in Brandenburg 2014. Die PNN analysieren, wie es zum Sturz von Ludwig kam und welche Folgen er haben könnte.
Was bleibt von Ludwig als CDU-Chefin?
Das weiß wohl derzeit noch niemand in der Union. Dafür sind die Erschütterungen des Wechsels in der Partei zu frisch. Vielleicht offenbart sich in der Tragik ihres Scheiterns im Nachhinein die größte Leistung Ludwigs: In ihrer Amtszeit hat sie mit straffer Führung zumindest dafür gesorgt, dass die vorher „blasse“ Fraktion und die zumindest nach dem Ausscheiden von Jörg Schönbohm „graue“ Partei erkennbarer geworden sind, geschlossener und damit im Grunde im Innenleben auch emanzipierter, was am Ende gegen Ludwig zurückschlug: Ludwig war immerhin seit Juni 2010 Landeschefin, seit April 2010 Fraktionschefin, ein Amt, das sie vorher bereits bis Herbst 2009 einmal inne hatte, aber nach der Landtagswahl und der rot-roten Regierungsbildung dann für die damalige CDU-Landesvorsitzende Johanna Wanka bis zu deren Wechsel nach Hannover räumte. Der Versuch, Brandenburgs Union auf „konservativ“ zu trimmen, wird definitiv nicht bleiben. Ingo Senftleben, der parlamentarische Geschäftsführer, formulierte es so: „Eine Volkspartei wie die CDU muss eine größere Meinungsvielfalt abbilden.“
Was hat Ludwig geschafft?
Es gab unter Ludwigs Führung eine Neuausrichtung der Union in vielen Feldern, bei der die Partei auch auf Distanz zu Kompromissen der Regierungsjahre von 1999 bis 2009 unter dem damaligen Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm ging. Die Union legte sich auf eine harte Linie zur Aufarbeitung des SED- und Stasi-Erbes fest, in der Agrarpolitik auf die Förderung bäuerlicher Kleinbetriebe, auf eine Kurskorrektur in der Energiepolitik, nämlich dem Veto gegen neue Windparks nahe von Ortschaften, nach dem SPD-CDU-Regierung mit CDU-Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns den Ausbau der Windkraft massiv vorangetrieben hatte. Prägnantestes Beispiel der Neuausrichtung ist der Flughafen Willy Brandt in Schönefeld, wo die Union unter Ludwig von Schönefeld abrückte, eine dritte Startbahn an einem anderen Standort forderte – und Misswirtschaft, Missmanagement und Intransparenz anprangerte. Beim BER-Skandal wird die CDU ihre Oppositionslinie nicht aufgeben.
Was hat Ludwig nicht geschafft?
Ludwig hat es nicht vermocht, der Union eine realistische Perspektive zu zeigen, wie die Partei im seit 1990 „roten“, SPD-dominierten Brandenburg spürbar Boden gewinnen kann. Zwar hat die Union in Umfragen den Tiefstwert von 19,7 Prozent (Landtagswahl 2009) hinter sich gelassen, liegt mit 25 Prozent darüber. Doch schaffte es die Partei nicht, trotz BER-Skandal, Schwäche der rot-roten Regierung und fundamentaler Opposition, den Abstand zur SPD zu verhindern. Ludwig hatte noch in der Zeit der Großen Koalition zu vier Politikern gehört, die damals eine Erneuerung der „schlechtesten CDU Deutschlands“ auch in der Opposition für kein Drama hielten.
Woran ist Saskia Ludwig gescheitert?
An mangelnder Bereitschaft, Kritik anzunehmen, an Uneinsichtigkeit, an einem Führungsstil, den Abgeordnete immer mehr als eher dirigistisch empfanden – und an zunehmend radikal-konservativen Positionen, mit denen sie die Union de facto nach Rechts zu rücken versuchte und die Partei ohne Rücksicht in Mithaftung nahm. Mit ihren Verschwörungstheorien, überall alte Seilschaften zu wittern, den Attacken gegen Medien, dem „Konservativ“-Etikett, das sie der Union verpassen wollte, auf Gegenkurs zur Merkel-CDU – mit alldem konnte die Mehrheit der Fraktion, konnten aber auch die Landräte, Bundespolitiker, Teile der engeren Parteiführung immer weniger etwas anfangen. Dass Ludwig als Plattform für ihre Positionen regelmäßig das rechtsgerichtete Blatt „Junge Freiheit“ nutzte, stieß vielen unangenehm auf, war selbst früheren Anhängern am Ende nicht mehr geheuer. Trotzdem hätte Ludwig beide Ämter verteidigen können, wenn ihr Krisenmanagement nicht versagt hätte: Hätte Ludwig eingesehen und zur Fraktionsklausur in Semlin oder danach öffentlich eingestanden, dass die jüngste Veröffentlichung mit den Angriffen gegen angeblich von der Staatskanzlei gesteuerte Medien überzogen war, hätte niemand den Putsch gewagt. Mit ihrem „Weiter so“ machte Ludwig den Stimmungsumschwung perfekt. Sie hat die Lage falsch eingeschätzt, was einer Vorsitzenden so nicht passieren darf.
Wer hat sie gestürzt?
Das Bild einer Intrige ist falsch. Manches hatte sich vorher angestaut. Vor allem aber begann Ludwig ihre Mehrheit zu verspielen, als sie nach der Rückkehr aus dem Mutterschutz die Fraktion mit dem Beitrag in der „Jungen Freiheit“ überrumpelte. Als sich die Stimmung in der Fraktion nach der Klausur wegen ihrer Uneinsichtigkeit auch noch weiter gegen Ludwig verschärfte, haben der parlamentarische Geschäftsführer Ingo Senftleben und Vize-Fraktionschef und Generalsekretär Dieter Dombrowski den Wechsel vorbereitet. Beide standen vorher lange loyal zu Ludwig, am Ende aber wegen diverser Alleingänge und ihrer Kritikresistenz mit dem Latein am Ende, wie es heißt. Dass vierzehn der 19 Abgeordneten mit ihr brachen, alle CDU-Landräte, CDU-Bundestagsabgeordnete, spricht Bände.
Wer waren ihre Verbündeten?
Viele waren es zum Schluss nicht mehr, der Abgeordnete Ludwig Burkardt aus dem eigenen Kreisverband Potsdam-Mittelmark gehörte dazu, Danny Eichelbaum, Kreischef aus Teltow-Fläming, Steeven Bretz, auch Bjoern Lakemacher. Die Mehrheit in der Fraktion und in der Partei hatte Ludwig verloren.
Was macht Ludwig jetzt, kehrt in der CDU jetzt Ruhe ein oder drohen Grabenkämpfe?
Man kann darüber nur spekulieren. Ludwig bleibt Kreischefin in Potsdam-Mittelmark, dem größten Kreisverband. In der Union gibt es Sorgen vor Nachbeben, vor Störmanövern von Ludwig. Und es gibt sogar wilde Spekulationen, dass die 44-jährige die Union verlassen könnte, die ihr auf Bundesebene unter Angela Merkel zu unprofiliert, zu wenig konservativ ist, dass sie bei der immer wieder diskutierten Gründung einer rechten, demokratischen Partei neben der CDU mitmachen könnte. Konkrete Anzeichen gibt es dafür bislang aber nicht.
Wird die CDU für die SPD in Brandenburg wieder eine Koalitions-Alternative?
Das Tischtuch zur SPD war unter Ludwig wegen ihrer polarisierenden teils auch persönlichen Angriffe gegen Landeschef Matthias Platzeck völlig zerschnitten. SPD und Linke sind längst auf eine Fortsetzung der Koalition auch über 2014 hinaus eingestellt. Es gibt erste Verabredungen, welche Projekte man von 2014 bis 2019 anpacken will. Es ist Ironie der Geschichte, dass sowohl die Linken mit Kerstin Kaiser als auch jetzt die Union mit Saskia Ludwig zwei Jahre vor der Landtagswahl Fraktionsvorsitzende stürzten – beide als Hindernis für Rot-Rot II, Kaiser wegen ihrer Stasi-Vergangenheit, Ludwig als Unperson für die SPD. Eigentlich war die CDU, sollte die SPD 2014 stärkste Kraft bleiben, als Koalitionspartner aus dem Ring. Ob nun doch wieder was geht, hängt vom Zustand der Linken, von inhaltlichen Fragen und der weiteren personellen Aufstellung der CDU-Landespartei ab.
Was bedeutet der Rücktritt für das Verhältnis zu FDP und Grünen?
Entspannung, Rückkehr zu Normalität.
Wie geht es mit dem vakanten CDU-Parteivorsitz weiter?
Für November ist ein regulärer Landesparteitag einberufen, auf dem auch ein neuer Vorsitzender, eine neue Vorsitzende samt Generalsekretär gewählt werden kann. Das Prozedere wollen geschäftsführender Landesvorstand und Landesvorstand diese Woche festlegen.
Wer kommt als Nachfolger in Frage?
Die Personaldecke der CDU ist dünn, eine Außenlösung – wie einst Jörg Schönbohm als Ex-General und Berliner Senator – gilt als extrem unwahrscheinlich. In Frage kämen Brandenburgs Oberbürgermeisterin Dietlind Tiemann, die damals gegen Ludwig angetreten war – und verlor, sowie Vize-Parteichefin und Ex-Justizministerin Barbara Richstein. Beide halten sich bedeckt, sagen aber auch nicht Nein. Dagegen hat Ex-Generalsekretär Sven Petke, der sich auch wegen Ludwig aus der Führung zurückgezogen hatte, eine Kandidatur kategorisch ausgeschlossen. Möglich wäre, dass Dombrowski neben dem Fraktionsvorsitz auch den Parteivorsitz übernimmt, was nach den Erfahrungen mit Ludwigs Personalunion viele abschreckt. Die Personalie ist eng mit der Spitzenkandidatur verknüpft.
In Berlin ist die Union in der Regierung. Was kann Brandenburg von dort lernen?
Der Berliner CDU-Landeschef Frank Henkel stand stets für eine harte Opposition gegenüber dem rot-roten Senat von Klaus Wowereit, traf nach innerer Erneuerung, liberalen Öffnungen den Zeitgeist der Metropole und Mentalität in Berlin, war nah an Problemen dran, vergriff sich aber gegenüber den Regierenden als Oppositionspolitiker nie so im Ton, dass das Verhältnis irreparabel beschädigt wurde. Und vielleicht macht es gerade Henryk Wichmann aus der Uckermark im neuen Andreas-Dresen-Film vor, wie man im ländlich geprägten Brandenburg mit dem Label „CDU“ punkten kann, geduldig, nah dran, den für Brandenburg richtigen Ton treffend. Das Land ist ja eher konservativ.
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