Von Alexander Fröhlich: Woidke hadert mit Stasi-Leuten in Polizei Frühere Spitzel sollen im Zuge der Strukturreform nicht mehr auf Führungsposten kommen
Potsdam - Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) will mehr als 20 Jahre nach der Wende die vielfach beklagten Versäumnisse seiner Vorgänger beim Umgang mit früheren Stasi-Mitarbeitern in der Landespolizei beheben und damit einen „Imageschaden“ abwenden. Führungsposten sollen möglichst nicht mehr mit Beamten besetzt werden, die eine einschlägige Vergangenheit haben.
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Potsdam - Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) will mehr als 20 Jahre nach der Wende die vielfach beklagten Versäumnisse seiner Vorgänger beim Umgang mit früheren Stasi-Mitarbeitern in der Landespolizei beheben und damit einen „Imageschaden“ abwenden. Führungsposten sollen möglichst nicht mehr mit Beamten besetzt werden, die eine einschlägige Vergangenheit haben. „Wenn hauptamtliche Stasi- Akteure heute in Führungspositionen sitzen, tut mir das weh“, sagte er. Zugleich kritisierte Woidke damit die in den Jahren 1990/91 von einer Kommission vorgenommene Stasi-Überprüfung in den Reihen der Polizei. „Ich bin mitunter überrascht, welche Leute da eingestellt worden sind“, sagte Woidke am Donnerstag in Potsdam. Gemeint sind mehrere schwerwiegende Stasi-Fälle, die erst jetzt – 20 Jahre später – bekannt geworden sind.
Brandenburgs Aufarbeitungsbeauftragte Ulrike Poppe begrüßte Woidkes Vorgehen. Stasi-Fälle bei der Polizei lösten „Misstrauen bei vielen“ aus. Woidke sei „offenbar entschlossen, etwas zu unternehmen, um das Image der Polizei zu verbessern“. Allerdings müsse auch geprüft werden, warum frühere Stasi-Spitzel „so lange in gehobenen Positionen bleiben konnten“, sagte Poppe. „Ich frage mich, nach welchen Kriterien die damalige Kommission gearbeitet hat.“
Aktuell betroffen sind Führungskräfte in der Region Cottbus, wo in den Wendemonaten zahlreiche Akten der Stasi vernichtet worden waren. Der bisherige Polizeisprecher Bernd Fleischer ist kürzlich beurlaubt worden, das Innenministerium hat ein Kündigungsverfahren eingeleitet, weil Fleischer nach der Wende verschwiegenen hatte, Inoffizieller Mitarbeiter (IM) gewesen zu sein. Er soll nach Aktenlage als Hauptmann im berüchtigten Cottbuser Gefängnis gespitzelt haben, wo vor allem politische Häftlinge einsaßen.
Seit Mittwoch ist ein weiterer Fall bekannt, der Woidke zu der neuen Linie im Umgang mit früheren Geheimdienst-Zuträgern veranlasst hat. Der Leiter der Cottbuser Polizeiwache, Uwe Skalske, war von 1981 bis Februar 1990 hauptamtlicher Mitarbeiter der Staatssicherheit im Bezirk Cottbus. Als Stasi-Oberleutnant war er Untersuchungsführer, als sogenannter Vernehmer zuständig für politische Gefangene. 2005 ist der heute 48-Jährige zum Wachen-Leiter aufgestiegen. Dem Beamten im höheren Dienst unterstehen rund 160 Polizisten in einer Region mit mehr als 80 000 Einwohnern.
Woidke will Skalske „zeitnah“ anhören lassen. Nach bisherigem Stand hat der Beamte – wie alle anderen Polizeibediensteten – bei der Überprüfung 1990/91 korrekte Angaben gemacht, damals wurde „im Ergebnis eine Weiterbeschäftigung empfohlen“. Die Angaben von damals würden nun erneut überprüft, hieß es.
Weitere Enthüllungen schloß Woidke nicht aus. Dem Ministerium sei bewusst, dass es eine Reihe zweifelhafter Einstellungen gegeben haben könnte. Derzeit gebe es aber wenig Spielraum für Konsequenzen – lediglich wenn jemand den Dienstherren getäuscht habe oder neue Akten auftauchten.
Die Fachleute im Ministerium arbeiten nun daran, die neue Linie juristisch umzusetzen. „Wir bewegen uns da arbeitsrechtlich auf dünnem Eis“, räumte Woidke ein. Im Zuge der Polizeireform werde für die Besetzung von Führungsposten eine Selbstauskunft verlangt. „Das beginnt beim Polizeipräsidenten und geht bis zur Besetzung der Reviere.“ Um die Selbstauskünfte überprüfen zu können, forderte Woidke, dass mit dem Gesetzgebungsverfahren für das Stasi-Unterlagengesetz die Frist zur Überprüfung von leitenden Mitarbeitern im öffentlichen Dienst bis 2019 verlängert wird. Die Novelle ist vom Bundeskabinett verabschiedet worden und soll im Bundesrat beraten werden. Außerdem ist Woidke dafür, Führungskräfte auf allen Ebenen überprüfen zu lassen, wenn es Stasi-Vorwürfe gibt. Seit 2006 ist das nur noch bei Behördenleitern möglich. Es sei ein „unhaltbarer Zustand“, wenn der Dienstherr kein Einsichtsrecht hat.
Nach 1989 wurden bei der Polizei in Brandenburg 242 ehemalige hauptamtliche und 1238 inoffizielle Stasi-Mitarbeiter festgestellt, rund 600 aus dem Dienst entfernt. Ex-Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hatte 2009 nach der Umsetzung von fünf belasteten Polizeibeamten ein Ende der Debatte gefordert. Nun beschäftigt der Umgang mit der Stasi-Altlast die Enquetekommission des Landtags zur Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit.
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