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Von Alexander Fröhlich: Woidke will Radikalkur für Gemeinden

Laut einem Ministeriumsbericht hat die Gebietsreform von 2003 kaum etwas gebracht

Stand:

Potsdam - In der Debatte um eine umfassende Reform der Verwaltungsstrukturen in Brandenburg sorgt ein Bericht des Innenministeriums zur Gemeindegebietsreform von 2003 in der rot-roten Regierungskoalition und beim Städte- und Gemeindebund auf Kritik für Unruhe. Das von Dietmar Woidke (SPD) geführte  Innenministerium schlägt in dem 82 Seiten starken Bericht eine „umfassende Verringerung der Zahl der Verwaltungseinheiten“ vor. Nach einer freiwilligen Phase für Gemeindefusionen soll es im Zuge einer umfassenden Reform eine gesetzliche Frist geben. Zudem spricht sich das Ministerium gegen bloße Kooperationsmodelle zwischen Kommunen aus, die „im Gegensatz zur Fusion immer mit Reibungsverlusten“ einhergingen. Nötig sei eine breite Debatte über neue Fusionen, Auflösung der Ämter oder Kooperationen. Fusionen müssten nicht zwangsläufig in den aktuellen Kreisgrenzen vollzogen werden. Gemeinden könnten auch Aufgaben entzogen und an zentraler Stelle erledigt werden.

Bei SPD und Linke stieß der Bericht, der derzeit mit den anderen Ressorts der Landesregierung abgestimmt wird, wegen der weitreichenden Vorschläge auf Kritik. Über die künftigen Strukturen im Land werde eine Enquetekommission entscheiden, hieß es. Zudem bezweifeln einzelne Linke-Abgeordnete den Wert des Ministeriumsberichts, in dem „weitere Diskussionen über die Ergebnisse der Gemeindegebietsreform 2003“ als „nicht zielführend“ bezeichnet werden. Karl-Ludwig Böttcher, Geschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes in Brandenburg, nannte den Bericht „bloßes Zahlenwerk“, das „nicht belastbar“ sei und nur auf „Einwohnerzahlen abstellt“. Es „gab keine gemeinsame Evaluation, wie es Innenminister Woidke zugesagt hat“, sagte er. Zudem spare der Bericht zentrale Punkte aus, darunter die zwar vorgesehene, aber im Zuge des Gemeindeumbaus 2003 nie umgesetztes Funktionalreform. Im Zuge der bevorstehenden Diskussion über die Zukunft Brandenburgs müsse nun die damals unterlassene Neuverteilung der Aufgaben zwischen Land, Kreisen und Kommunen geregelt werden.

Tatsächlich hat die Gemeindegebietsreform von 2003 nicht den damals erhofften Effekt gehabt und nicht zu einer dauerhaften Struktur der Verwaltung geführt. Das muss nun auch das Innenministerium in seinem Bericht einräumen. Beim Verwaltungspersonal konnte kaum etwas eingespart werden, obwohl die Zahl der Kommunen durch Fusionen von 1479 auf 416 gesenkt wurde. Als Grund wird angeführt, dass überwiegend amtsangehörige Gemeinden zu Großgemeinden zusammengeschlossen wurden.

Auch wurde festgestellt, dass die damals prognostizierte Entwicklung der Einwohnerzahlen viel zu optimistisch war. Daher bestehe in mehreren Regionen des Landes die Gefahr, dass die Kommunen ihre Verwaltungsaufgaben kaum noch finanziell stemmen können. Das liege aber weniger an der Zahl der Gemeinden, als vielmehr am Verhältnis von Einwohnern und Verwaltungsmitarbeitern.

Damals waren als Mindestgröße für eine Verwaltung 5000 Einwohner festgelegt worden. Derzeit liegen bereits zwölf Ämter und 27 amtsfreie Kommunen unter dieser Zielmarke. Bis 2030 werden nach aktuellem Datenmaterial 19 Ämter und acht Kommunen hinzu kommen. Böttcher kritisierte, dass die Gemeindegebietsreform auf falschen Prognosen beruht habe, sei damals schon bekannt gewesen.

Die neuesten Zahlen, die der Ministeriumsbericht aufführt, aber sind drastisch, Brandenburg schrumpft: Heute hat das Land 2,5 Millionen Einwohner, im Jahr 2060 werden es nur noch noch 1,6 bis 1,7 Millionen sein. Angesichts dieser Aussichten stellt das Ministerium mit Blick auf einige extrem dünn besiedelte Gegenden fest: „Wie auch immer der Gesetzgeber entscheidet, es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass nicht überall ideale Verwaltungsstrukturen errichtet werden können.“

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