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Korrekturen. Ministerpräsident Woidke und Innenminister Holzschuher sind sich einig: Die Polizeirefom muss überarbeitet werden.

© dpa

Polizeireform: Woidkes Dramaturgie

Lange hat der Regierungschef den Abschied vom Personalabbau bei der Polizei fein orchestriert und positiv verkauft. Sein Nachfolger als Innenminister aber trat eine Debatte über das Scheitern der Reform los

Stand:

Potsdam - Vor der Landtagswahl im September setzt Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) beim Thema Innere Sicherheit alles auf eine Karte und übernimmt wieder das Ruder – vor allem die Kommunikation, das Reden über die Reform. Das Geständnis von Innenminister Ralf Holzschuher (SPD) kurz vor Weihnachten, dass Personal fehlt, die von ihm losgetretene Debatte über die Polizeireform in Brandenburg und über das Scheitern des Vorhabens haben die über Monate aufgebautete Dramaturgie des Abschieds von zentralen Reformzielen zunichte gemacht.

Woidke war schon seit Monaten klar, dass die Polizeireform mit dem radikalen Stellenabbau von 8900 auf 7000 Stellen im Jahr 2020 nicht zu machen ist. Nun hat er sie zur Chefsache erklärt und seinen Innenminister in dieser Frage faktisch entmachtet. Eine Diskussion darüber, dass die Reform vor dem Scheitern steht, wollte Woidke immer vermeiden. Jetzt ist Krisenmanagement gefragt. Der bisherige Plan, die Reform grundsätzlich zu verteidigen, aber deutlich Stück für Stück abzumildern, den Personalabbau zu stoppen und alles fein zu orchestrieren, ist dahin.

Noch als Innenminister hatte Woidke bereits vor mehr als einem Jahr begonnen, die Öffentlichkeit und auch die Landespolitik behutsam darauf vorzubereiten, dass der geplante Personalabbau angesichts hoher Kriminalitätsbelastung bei Einbruchsdiebstählen, Autoklau und Grenzkriminalität nicht zu machen ist. Die rot-rote Regierungskoalition und Woidke hatten sich längst von den Personalzahlen, dem Kernstück der von Ex-Innenminister Rainer Speer (SPD) gegen alle Widerstände durchgesetzten Polizeireform, verabschiedet. Gesichtswahrend sollte von einem Scheitern keine Rede sein. Stattdessen war alles fein geplant im Innenministerium, die Strategie bis zum Jahr 2014, in dem die Reform evaluiert werden soll, schon abgesteckt.

„Wir werden die Polizei haben, die wir brauchen“, sagte Woidke schon 2012. Da hatten Woidke und Rot-Rot schon geschickt kommuniziert, dass es wohl auf 7300 bis 7 400 Stellen bei der Polizei hinauslaufen wird, aber ohne sich offiziell festzulegen. Im April 2013 dann zeichnete sich klar ab, dass Woidke von der noch von Speer aufgestellten Vorgabe abrücken will, die Zahl der Beamten nach der Einwohnerzahl zu bemessen. Es müsse auch die hohe Kriminalitätsbelastung berücksichtigt werden, sagte der Innenminister Woidke. Die hohe Kriminalitätsbelastung kam Woidke und seinen Strategen dabei nur entgegen. Die hohe Zahl an Einbrüchen und beim Autoklau könne für die Personaldecke bei der Polizei nicht folgenlos bleiben, sagte Woidke.

Anfang Juli 2013 dann berichteten die PNN über konkrete Überlegungen im zu dieser Zeit noch von Woidke geführten Innenministerium, dass am Ende eher 7900 Stellen übrig bleiben müssen. Geschickt hatten Woidke als Innenminister und die Regierungskoalition dafür erste Weichen gestellt: Die Zahl der Polizeianwärter, die ihre Ausbildung an der Polizeifachhochschule in Oranienburg beginnen, wurde deutlich aufgestock. Damit sollten die Altersabgänge abgefedert werden. Das war Teil der Absprachen mit den Gewerkschaften über höheren Beamtensold, flexiblere Laufbahn- und Pensionsregelungen und eine Anhebung des Pensionseintrittsalters. Auf Grundlage dieses Pakets kam das Ministerium intern rechnerisch auf 7800 bis 7900 Stellen.

Doch dann geriet alles durcheinander: Woidke wurde im August vergangenes Jahres Ministerpräsident und musste das von ihm geliebte Innenressort abgeben. Ralf Holzschuher, bis dahin SPD-Fraktionschef im Landtag, übernahm das Amt. Seither läuft es nicht mehr rund mit der Kommunikation der Reform.

Konkret hatte Holzschuher eingeräumt, dass es in einigen Landesteilen erhebliche Defizite etwa beim Streifendienst gibt und dass im Wach- und Wechseldienst Personal fehlt. Und er forderte eine eine Entscheidung über eine Korrektur noch vor der Landtagswahl 2014. Das alles wäre vielleicht noch auf Woidkes Linie geblieben. Doch der war auf seine Weise immer eindeutig undeutig geblieben, hatte genau gewusst, wie er den Abschied von der Reform positiv verkauft. Holzschuher dagegen sprach offen über Inspektionen, in denen schon heute weniger Beamte ihren Dienst tun als für 2020 geplant. „Da stimmt etwas nicht“, stellte Holzschuher fest und kündigte einen Realitätscheck für die Reformvorgaben an. Er wolle die Evaluation nicht abwarten, wolle die „Unwuchten“ bis dahin nicht laufen lassen, sondern Anfang Januar entscheiden. „Wo es da Defizite gibt, werden wir entschlossen und kurzfristig für Abhilfe sorgen“, sagte der Innenminister. Und ganz nebenbei wurde deutlich, wie schlimm es wirklich steht um die Polizei in Brandenburg. Dass erwogen wird, Beamte der Kriminalpolizei in den Streifendienst zu versetzen, um „die operative Basis zu stärken“, ließ alle Dämme brechen. Gewerkschaften und Staatsanwaltschaften nannten die Pläne katastrophal. Die Grünen sprechen von wildem Aktionismus. CDU-Parteichef Michael Schierack erklärt die Reform für gescheitert und sagt: „Es ist schrecklich, wie viel Zeit die rot-rote Landesregierung benötigt, um einzugestehen, dass die Polizeireform zulasten der Sicherheit der Bürger geht.“ Und FDP-Innenexperte Hans-Peter Goetz sieht die Versäumnisse bei Woidke: „Die Polizei ist aufgrund des Personalmangels schon heute ihren Aufgaben in wesentlichen Teilen nicht mehr gewachsen.“ Den Folgen des Personalmangels hätte Woidke als Innenminister begegnen können und habe sie nun als Ministerpräsident zur Chefsache erklärt.

Kaum denkbar, dass alles mit Woidke nach all der monatelangen Vorarbeit abgesprochen war, dass Holzschuher etwas lostritt, von dem am Ende hängen bleibt, die Reform ist gescheitert. Kaum denkbar, dass der Regierungschef seinen Innenminister absichtlich düpiert und als Reformsachwalter degradiert. Oder doch? Woidke als Macher im Wahljahr?

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