Brandenburg: „Wut“: Spiel mit dem Messer
Berliner schrieb Drehbuch zu umstrittenem TV-Film
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Berlin - Der eine Jugendliche ist Türke. Er verkauft Drogen am Kottbusser Tor, klaut, schlägt, tritt, benutzt Schimpfwörter wie „Spast“ und „Hurensohn“, bricht nachts in fremde Gärten ein und spielt am liebsten mit seinem Messer. Der andere Jugendliche ist Deutscher. Er spielt Cello.
Der Spielfilm „Wut“ zeigt Migranten als Täter und Deutsche als Opfer. Eigentlich wollte ihn die ARD gestern um 20.15 Uhr ausstrahlen. Dann wurde er kurzfristig in den späten Freitagabend verschoben – offiziell aus Jugendschutzgründen.
„Das bezweifle ich“, sagt Max Eipp. Der Berliner hat das Drehbuch geschrieben. Tatsächlich habe die ARD wohl dem Druck nachgegeben, der sich in der letzten Woche aufgebaut hat. Den Vorwürfen, „Wut“ sei zu klischeehaft oder gar ausländerfeindlich. „Hasenfüßigkeit“ wirft Eipp den ARD-Verantwortlichen vor. Der Prime-Time-Sendeplatz hätte besser gepasst, sagt Eipp. Weil „Wut“ im besten Sinn „ein Familienfilm“ sei – einer, den Eltern mit ihren Kindern anschauen und diskutierten sollten. Im Film werde eine Realität beschrieben, die Jugendliche auf der Straße erleben und die viele Erwachsene nicht wahrhaben wollen. „Ich selbst habe mich auch lange gesträubt, diese Wirklichkeit anzuerkennen.“
Max Eipp ist ein Linker. Bei den Studentenprotesten Ende der 60er war er noch nicht dabei, er hat erst 1974 Abitur gemacht. Dafür war er später in der Frankfurter Spontiszene aktiv, engagierte sich gegen den Bau der Startbahn West. Und hatte Anfang der 90er Sympathien für die „Turkish Power Boys“, einer Frankfurter Jugendbande. Weil die als Minderheit Stärke zeigten. Nicht glauben wollte Eipp, als Jahre später, inzwischen in Hamburg, sein jugendlicher Sohn über gewalttätige Türken schimpfte. „Was der so von sich gab, war eindeutig ausländerfeindlich.“ Da hat Eipp gegengeredet, versucht, mit Argumenten zu überzeugen. „Irgendwann hat mich doch gewundert, warum mein Sohn so vehement seinen Standpunkt vertreten hat.“ Und dann hat er zugehört – und eingesehen, dass Migranten auch Täter sein können.
Die Erlebnisse seines Sohnes hat Eipp verfilmt. Zumindest in Grundzügen, so dramatisch wie im Film ging es im Leben nicht zu. Obwohl die Drehorte in Kreuzberg, Prenzlauer Berg und Mitte lagen, ist „Wut“ kein Berlin-Film im engeren Sinne. Die kritischen Stimmen hält Eipp aus. Auch wenn einige davon absurd sind. Zum Beispiel der Vorwurf, „Wut“ sei eine schlechte Kopie des Neukölln-Films „Knallhart“. Als Eipp von dem Detlev-Buck-Projekt erfuhr, hatte er „Wut“ schon abgedreht. Als nächstes möchte er eine „richtig schöne, sentimentale Liebesgeschichte“ schreiben. Auf Problemfilme sei er nicht abonniert. Sebastian Leber
„Wut“, Freitag, 22 Uhr, ARD
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