Brandenburg: Zeiten des Verkaufs
Vattenfalls Lausitzer Braunkohlesparte legt Jahresbilanz vor – und macht sich hübsch für Interessenten
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Cottbus - In diesen Tagen kommt es für die Lausitzer Kohlesparte des Energiekonzerns Vattenfall auf jede Zahl an, die Worte werden genau gewählt. Denn der schwedische Staatskonzern will die Braunkohlesparte bis Ende 2015 verkaufen. Und schon jetzt sprechen Vattenfall-Vertreter in der Lausitz in internen Runden von der problematischen Lage, den aufziehenden schwierigen Zeiten, wahrscheinlichen Sparmaßnahmen und der drohenden Ausgliederung von Betriebsteilen. Die offizielle Jahresbilanz liest sich dagegen weitaus zuversichtlicher. „Lausitzer Kohle sorgt für ein Zehntel deutscher Stromversorgung“, betitelt die Vattenfallsparte in Cottbus ihre am gestrigen Montag verbreitete Bilanzmitteilung.
Die Zahlen sind weitaus nüchterner, sprechen aber für sich. Demnach hat Vattenfall etwas weniger Braunkohle in der Lausitz gefördert als 2013. Aus seinen fünf Tagebauen im zweitgrößten Braunkohlerevier Deutschlands kamen 2014 rund 62 Millionen Tonnen, im Jahr davor waren es noch 63,6 Millionen. Den Rückgang erklärt der Konzern mit Witterungsverhältnissen. Anfang 2013 habe es viele kalte Wintertage gegeben, sodass der Stromverbrauch damals entsprechend gestiegen war. Folglich hat der schwedische Staatskonzern in der Lausitz 2014 mit der Braunkohle weniger Strom produziert. In den Braunkohlekraftwerken wurden rund 56 Milliarden Kilowattstunden Energie erzeugt, eine Milliarde weniger als 2013, aber immerhin ein Zehntel der deutschen Stromversorgung. Der Strom wurde in den drei Vattenfall-Kraftwerken Jänschwalde und Schwarze Pumpe in Brandenburg sowie Boxberg in Sachsen und im sächsischen Braunkohlekraftwerk Lippendorf erzeugt, an dem Vattenfall zu 50 Prozent beteiligt ist. Gespeist werden die Kraftwerke mit der Kohle aus den Lausitzer Vattenfall-Tagebauen Jänschwalde, Cottbus-Nord und Welzow-Süd in Brandenburg sowie Nochten und Reichwalde in Sachsen.
Und die Lausitzer Vattenfall-Tochter betonte in der Bilanzmitteilung zugleich noch einmal ihre Bedeutung für die Region. Demnach waren bei der Vattenfall Europe Mining AG, der Vattenfall Europe Generation AG und den für die Geschäftsfelder Braunkohle und Wasserkraft tätigen Bereichen der Vattenfall Europe Business Services GmbH zum Jahresende 2014 insgesamt 8914 Mitarbeiter beschäftigt, darunter 705 Auszubildende. Allein 8199 Mitarbeiter seien in der Braunkohleförderung und Braunkohleverstromung in Brandenburg und Sachsen beschäftigt. Hinzu kommt der wirtschaftliche Effekt für die Region. Demnach hätten etwa 4400 andere Unternehmen 2014 von Aufträgen mit einem Gesamtvolumen von 1,2 Milliarden Euro von der Vattenfall Europe Mining AG und der Vattenfall Europe Generation AG profitiert, hieß es. Daran waren Vattenfall zufolge 785 Firmen in Brandenburg mit einem Gesamtumsatz von 500 Millionen Euro beteiligt. In Sachsen waren es 846 Firmen mit einem Anteil von insgesamt 203 Millionen Euro.
Die Eigner in Stockholm haben indes einen ganz anderen Blick auf die Lausitz. Mit dem Verkauf der deutschen Braunkohleaktivitäten will der Konzern seine Bilanz beim Ausstoß des klimaschädlichen Kohlendioxids verbessern. Das Management folgt damit den Vorgaben der schwedischen Regierung. Interesse an der Kohlesparte hat der tschechische Versorger EPH angemeldet, der mit seiner Tochter Mibrag Braunkohle in Ostdeutschland fördert und Strom erzeugt. Insider berichteten, dass auch Finanzinvestoren wie KKR, Blackstone BX.N und CVC ein Auge auf die Geschäfte werfen könnten. Deren Wert wird auf zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt.
Fraglich ist, ob Vattenfall das durchsetzen kann. Wegen des bevorstehenden Verkaufs hat die Zentrale der Kohletochter in Cottbus schon mal durch intensive Gespräche mit der Kommunalpolitik in der Stadt Welzow (Spree-Neiße) erreicht, dass die Stadtverordneten in der vergangenen Woche einen Beschluss aus dem Jahr 2011 zurücknehmen, wonach alles gegen die Abbaggerung des Dorfes Proschim getan werden sollte. Dort und in weiteren Teilen der Stadt müssten 800 Einwohner für den von Vattenfall geplanten Tagebau Welzow-Süd II umgesiedelt werden, der 2025 in Betrieb gehen soll. Mit dem neuen Beschluss kann nun Welzows Bürgermeisterin Birgit Zuchold (SPD) mit dem Bergbaukonzern über mögliche Umsiedlungen verhandeln. Für Vattenfall ein gutes Signal, auch für potenzielle Käufer.
Gegenwind gibt es aber aus der Politik. Zwar kämpfen die Länder Brandenburg und Sachsen seit Monaten an allen Fronten für den Erhalt von Vattenfalls Lausitz-Tochter auch bei einem Verkauf. Doch auf Bundesebene wurde bereits ganz andere Weichen gestellt – etwa durch den Beschluss der Bundesregierung, den Kohlendioxid-Ausstoß (CO2) der Kohlekraftwerke deutlich zu senken (siehe Kasten). Alexander Fröhlich
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