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Von Alexander Fröhlich: Zu den Bomben kein Wort
Verteidigungsminister verzichtet offiziell aufs Bombodrom – was aus den Altlasten wird, bleibt unklar
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Potsdam – Nun ist es offiziell: Wie die PNN berichteten, verzichtet die Bundeswehr gänzlich auf ihren Truppenübungsplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide. Das 120 Quadratkilometer große Areal im Norden Brandenburgs werde komplett aufgegeben, teilte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) am Mittwoch in Berlin mit. Bereits im Sommer 2009 hatte der damalige Ressortchef Franz Josef Jung (CDU) nach dem seit 1992 dauernden Rechtsstreit auf die Nutzung des 12 000 Hektar großen Areals als Luft-Boden-Schießplatz verzichtet. Initiativen und Anrainer hatten sich nach dem Abzug der Sowjettruppen massiv gegen die Pläne der Luftwaffe gewehrt.
Jetzt beendete zu Guttenberg endgültig Spekulationen um eine „alternative Nutzung“ des Bombodroms etwa für Bodentruppen. In einem vertraulichen Papier unterrichtete der parlamentarische Staatssekretär Thomas Kossendey den Verteidigungsausschuss des Bundestages über Untersuchungen, wonach die vorhandenen Kapazitäten auch „ohne die militärische Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock für den landgebundenen Übungs- und Schießausbildungsbedarf als ausreichend bewertet werden kann“.
Wie es mit dem enorm mit Munition belasteten Gelände weitergeht, ist aber ungewiss – vor allem wegen der Altlasten. Nach geltenden Regeln gibt das Ministerium die Fläche in das Grundvermögen des Bundes ab. „Auf Grund ihrer Zuständigkeit“ prüft die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) derzeit „die Modalitäten einer Übernahme der Liegenschaft", hieß es gestern vom Bundesfinanzministerium. Die Bima nennt Konversionsflächen „unser tägliches Geschäft“, ihre Aufgabe sei es, bundeseigene Fläche zu „verwalten, zu vermarkten und zu verkaufen“. Solche Militärgelände seien erst einmal weiße Flecken auf der Landkarte, die Gemeinden müssten dort dann Planungsrecht schaffen und festlegen, was mit dem Gelände geschehen soll.
Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte, nach 20 Jahren Protest komme es nun darauf an „kluge Konzepte für die friedliche Nutzung“ zu entwickeln. „Das ist eine Generationenaufgabe“, damit die Menschen ihre Heimat wieder in Besitz nehmen könnten. „Wichtig ist mir, den Bund als Eigentümer des Geländes nicht aus der Verantwortung für die Munitionsräumung zu entlassen“, sagte Platzeck.
Tatsächlich hatte zu Guttenberg nichts dazu gesagt. Lediglich Staatssekretär Kossendey erklärte im Ausschuss, die Frage der Entmunitionierung sei mit dem Bundesfinanzministerium zu klären. Dort aber wollte sich niemand dazu äußern. Denn bei der Beräumung geht es um horrende Summen, die Bundeswehr selbst hatte vor Jahren 220 Millionen Euro kalkuliert. Inzwischen ist bei Experten vor Ort bereits von bis 600 Millionen Euro die Rede. Die Grünen-Abgeordnete im Bundestag Cornelia Behm warf dem Verteidigungsministerium daher „klare Versäumnisse“ vor. Wer für die Munitionsberäumung zuständig ist, hätte längst geklärt sein können. Zudem warnte Behm, „es darf nicht zur Vermarktung von Teilflächen“ kommen, etwa um Waldflächen zu privatisieren. Tatsächlich gibt es handfeste Interessen, Waldareale für Holzeinschlag und Jagd wirtschaftlich zu nutzen.
Das mit Konversion befasste Landes-Wirtschaftsministerium erwartet jedenfalls schwierige Verhandlungen, davon hängt auch die Nachnutzung ab. Bislang geht es um den Erhalt der Heide für sanften Tourismus und eine Nutzung für Solar- und Windkraftanlagen. Die Unternehmervereinigung „Pro Heide“ will das „Bombodrom“ schnell touristisch erschließen und rechnet mit zahlreichen Investitionen. Tourismusunternehmen wie Reiterhöfe oder Hotels könnten jetzt endlich Kredite beantragen, sagte der Vize-Chef Bernd Purand. Daher sollten noch dieses Jahr erste Wege für Wanderungen, Radtouren oder Kutschfahrten freigegeben werden.
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