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Zu neuen Ufern: Zu Gast im Spreewald: Alles fließt
Wie der Spreewald, eines der beliebten Urlaubsziele der Mark, um Gäste wirbt – und um Mitarbeiter.
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Man nennt ihn auch das „Venedig der Sorben“: Der Spreewald ist mit seinem 970 Kilometer langen Netz aus Spree-Fließen und Kanälen eines der beliebtesten Ausflugs- und Urlaubsziele der Mark. Im Tourismusranking Brandenburgs hat der Spreewald, rund 100 Kilometer entfernt von Potsdam, Spitzenplätze abonniert. Voriges Jahr war er mit 713 000 Übernachtungsgästen Spitzenreiter, bei den Übernachtungen lag er mit 1,8 Millionen auf dem zweiten Platz der Reiseregionen. Das war nicht immer so. Vor einem Jahrzehnt drohte der Spreewald abzufallen: Die Zahlen stagnierten, vielleicht, weil manch Angebot zu altbacken wirkte. Diese Phase ist überwunden. Heute bemüht man sich, durch Einfallsreichtum vorn zu sein. Die PNN stellen einige Erfolgsbeispiele und Macher vor.
„Bester Whisky Deutschlands“
Die Spreewald-Gurke kennt jeder. Aber Whisky aus dem Spreewald? Die Legende geht so: Es waren drei Kerle aus Berlins Barkeeperszene. Nämlich Steffen Lohr, früher auch mal „Markenbotschafter“ für Bacardi-Rum. Er betrieb in der Hauptstadt gemeinsam mit Bastian Heuser und Sebastian Brack die Marketingagentur „Small Big Bands“. Alle hatten sich, wie sie sagen, „in den besten Bars der Welt“ umgeschaut. Brack hat die Bitterlimonadenmarke „Thomas Henry“ erfunden und Heuser den „Bar Convent Berlin“ mitgegründet. Das ist die europäische Leitmesse für die Bar- und Getränkebranche. Das Trio fuhr irgendwann in die Uckermark, auf der Suche nach einem speziellen Fass Whisky für einen Kunden, vergeblich. „Wir bekamen einen Tipp, der in den Spreewald führte und kamen von dort mit einer eigenen Destille zurück“ – so erzählt es Lohr.
Eigen-PR können die „Spreewood Distillers“, wie sie sich nennen, also schon mal. Dieses Trio hat im Herbst 2016 die Spreewald-Brennerei in Schlepzig gekauft, in der seit 2003 heimischer Whisky und Rum produziert wurde. Nun wird dort erneut kräftig investiert, um die Nummer eins zu werden. „Wir wollen Deutschlands erste Roggen-Whisky-Destille werden“, erzählt Lohr. „Und zwar reiner Roggen-Whisky.“ Schließlich sei Brandenburg das größte Roggen-Anbaugebiet in Deutschland. Das Mikroklima im Spreewald sei exzellent geeignet. Gerade ist eine neue, zweite Anlage geliefert worden. Wenn sie läuft, sollen zwei Fässer Whisky täglich abgefüllt werden. Statt bisher rund 300 können dann im Lager 1000 Fässer reifen.
Denn für die Whiskyherstellung braucht man vor allem eins: Zeit. Erst nach drei Jahren im Holzfass ist ein Whisky wirklich ein Whisky. Trotzdem kann man schon jetzt den 55-Prozentigen kaufen, im Fachhandel, im Internet oder auch vor Ort im Hofcafé – noch aus dem übernommenen Bestand des Vorbesitzers. Aus rund 200 Fässern ist schon „echter“ Whisky geworden – und das Zeug muss etwas taugen. Bei den diesjährigen Meisterschaften des Verlages Meininger, bei denen eine Jury fast 1000 Spirituosen testete, hat der „Stork Club Straight Rye Whisky“ aus Schlepzig eine Goldmedaille gewonnen – als bester deutscher Whisky. Und das soll erst der Anfang sein.
Weidenhochzeit und Aufguss-WM
Es ist so etwas wie die Philosophie dieser Unternehmung. „Alles kommt zu seiner Zeit. Oder wie man in Schlepzig sagt: Es schleppt sich, es schleppt sich“, erzählt Torsten Splanemann-Du Chesne. Er ist einer der Inhaber der Satama GmbH, die inzwischen das Spreewald-Resort „Seinerzeit“ in Schlepzig betreibt, den früheren Landgasthof „Zum grünen Strand der Spree“. Nach dem Kauf wurde der für mehr als fünf Millionen Euro modernisiert, rekonstruiert, um 26 Zimmer und Suiten erweitert, manche mit Sauna. Ein Wohlfühlort samt Kahnhafen, einem Brauhaus der Spreewälder Privatbrauerei 1788 und dem Weidendom am Spreefließ, wo in freier Natur geheiratet werden kann, amtlich, es ist eine Außenstelle des Standesamtes.
Aktuell sei noch ein „Hopfenturm“ geplant, als künftiges Wahrzeichen der Anlage, sagt Splanemann-Du Chesne. Begonnen hat alles gut 30 Kilometer weiter nördlich, nämlich in Wendisch-Rietz am Scharmützelsee. Dort ist die Wiege der jungen Firma, die er nach der Jahrtausendwende mit seiner Frau und einem Geschäftspartner gründete. Man baute am Ufer des Scharmützelsees das Sauna-Resort & Spa, einen Wellnesstempel mit zehn Saunen und dem Anspruch, „Berlins und Brandenburgs schönste Saunaanlage“ zu sein.
Besonders stolz ist Splanemann-Du Chesne auf die für 1,2 Millionen Euro errichtete Theater-Sauna für 160 Gäste, in der das Schwitzen inszeniert wird – mit Aufguss-Shows. Und für die gibt es sogar Weltmeisterschaften. Das eigene Team habe 2012 in Südtirol den WM-Titel geholt, 2013 habe man die WM selbst ausgerichtet, sagt Splanemann-Du Chesne. Gestartet zu viert, beschäftigt Satama inzwischen mehr als 100 Mitarbeiter, machte voriges Jahr einen Umsatz von 5,6 Millionen Euro. Und zwischendurch hat Splanemann-Du Chesne 2008 noch die Einkaufsgemeinschaft „Gemeinsam Besser“ gegründet, bei der inzwischen 506 Firmen vor allem der Hotellerie und Gastronomie aus Berlin, Brandenburg und anderen Ländern im Verbund ordern – zu besseren Konditionen.
Europameister Tropical Island?
Totgesagte leben länger, heißt es ja. Für Tropical Island trifft das wohl zu. 1,3 Millionen Gäste pilgern jährlich in die überdachte „Südsee“ nahe Krausnick (Dahme-Spreewald), in die größte freitragende Halle der Welt, mit dem „größten Indoor-Regenwald der Welt“, 28 Grad Lufttemperatur, über 80 Prozent Luftfeuchtigkeit, das Wasser tropisch warm.
Ursprünglich sollten hier Luftschiffe gebaut werden, das wurde ein Flop. Und auch, als eine malaysische Investorengruppe 2003 daraus Tropical Island machte, ging die Rechnung lange, lange nicht auf, Millionenverluste, Jahr für Jahr. Doch seit 2014 schreibe man schwarze Zahlen, sagt Geschäftsführer Jan Jannsen. „Das Blatt hat sich gedreht.“ Und zwar nicht nur an Regentagen, wo sich 6000 Menschen drinnen tummeln. Viele kommen schon für drei, vier Tage. Der Holländer, früher mal Entwicklungsdirektor beim Urlaubsanbieter Center Parcs, verfolgt ein ehrgeiziges Ziel: „Tropical Islands soll das führende europäische Ferienresort werden.“ Schließlich biete man hier schon jetzt „Bespaßung auf 100 000 Quadratmetern“ – mehr als anderswo.
Nun sollen aus den 1844 Betten, die es auf dem eigenen Campingplatz, in Ferienhäusern, auch in der Halle selbst schon gibt, 9000 Betten werden, vielleicht schon in den nächsten drei Jahren. „Wir werden sehr stark vom neuen Flughafen profitieren“, sagt Jannsen – genau wie das letzte von ihm geführte Hotel in Unterschleißheim, zwischen München und dem Airport dort gelegen, „wo die Spieler von Bayern München bei den Heimspielen übernachten“, was blendend laufe.
Funklöcher und Fachkräftemangel
Doch der Spreewald-Tourismus hat Sorgen, die jüngst etwa Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bei einer Rundtour eindrücklich zu hören bekam. Etwa die weißen Flecken in den Mobilfunknetzen und beim schnellen Internet, die hier – auch wegen Naturschutzrestriktionen für neue Masten – besonders verbreitet sind. Annette Ernst weiß das sehr genau. Sie leitet den Tourismusverband Spreewald, der eine Besonderheit ist. Seit 2013 betreibt die private GLC Glücksburg Consulting AG als Geschäftsbesorgerin – gegen erfolgsabhängiges Honorar – die Tourist-Infos und das Regionalmarketing für den Spreewald.
Das größte Problem der Hotels, Pensionen und Gaststätten sei es inzwischen, Mitarbeiter zu finden, berichtet Ernst. „Dabei sind wir ein guter Arbeitgeber, zahlen faire Löhne.“ So wirbt Tropical Island inzwischen in ganz Europa. Im Resort „Seinerzeit“ hat man den Biergarten teilweise auf Selbstbedienung umgestellt. „Wir schalten Anzeigen, auch in Polen“, berichtet Geschäftsführer Splanemann-Du Chesne. Man suche Möglichkeiten, um neuen Mitarbeitern gleich eine Wohnung anbieten zu können. Im Spreewald machen Erfolg und Not erfinderisch.
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