SCHWERE ZUGUNGLÜCKE: Zusammenstöße, Explosionen und menschliches Versagen Das Signal stand auf Grün
Kesselwagen mit hochexplosiver Fracht bei Unfall mit Regionalexpress nur leicht beschädigt. 13 Verletzte
Stand:
WANNSEE
Drei Tote forderte der Zusammenstoß zweier Züge am 9. April 1993 zwischen Wannsee und Griebnitzsee. Wegen der Arbeiten für die Elektrifizierung der Strecke gab es dort nur eingleisigen Betrieb. Obwohl der Zug aus Richtung Potsdam bereits unterwegs war, leitetete der Stellwerker in Wannsee am Karfreitag auch den Zug aus Berlin auf das einzige Gleis. Er erkannte seinen Fehler zwar schnell, konnte aber den Zusammenstoß nicht mehr verhindern. Per Funk waren die Lokführer damals noch nicht zu erreichen. Der Stellwerker wurde zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten auf Bewährung verurteilt, der Lokführer, der auf das Gegengleis geleitet worden war und dabei auch mehrere Vorschriften missachtet hatte, erhielt damals eine Haftstrafe von zehn Monaten auf Bewährung.
ELSTERWERDA
Zwei Feuerwehrleute starben und sieben Menschen wurden verletzt, weil am 20. November 1997 im Bahnhof Elsterwerda in Brandenburg mit Benzin gefüllte Kesselwagen in Brand geraten waren. Der Güterzug war wegen zu hoher Geschwindigkeit auf einer Weiche entgleist. Statt mit 40 war der Zug mit 80 Stundenkilometern unterwegs. Vor der Abfahrt des Zuges war in Berlin von den Verantwortlichen versäumt worden, die Bremsen zu überprüfen, weshalb der Lokführer die Geschwindigkeit des Zuges später nicht verringern konnte. Der Lokführer und der Zugfertigsteller wurden wegen fahrlässiger Tötung in zwei Fällen und fahrlässiger Körperverletzung in sieben Fällen zu Bewährungsstrafen verurteilt. Verletzte Feuerwehrleute mussten sich später vor Gericht Schmerzensgeld erstreiten.
SÜDKREUZ
Mehr als 30 Fahrgäste wurden verletzt, als am 20. November 2006 eine S-Bahn im Bahnhof Südkreuz gegen einen dort abgestellten Messzug prallte. Die S-Bahn war am Halt zeigenden Signal vorbeigerutscht, weil die Bremsen nicht richtig griffen. Das Gleis war zuvor für Messfahrten besprüht worden und deshalb schmierig. Außerdem war der Sandbehälter des Zuges leer. Bei einer Gefahrenbremse wird normalerweise Sand auf die Schienen gestreut, um die Bremswirkung zu erhöhen. Seither dürfen die S-Bahnen nur noch mit 80 statt der möglichen 100 Stundenkilometer fahren. Der Umbau der Fahrzeuge, die eine neue Steuerung für die Bremsanlage erhalten sollen, ist bis heute nicht abgeschlossen. Zu Gerichtsverhandlungen ist es hier nicht gekommen. kt
Berlin - Zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres ist die Bahn bei einem Unfall in Berlin an einer Katastrophe vorbeigeschrammt. In der Nacht zum Freitag war in Berlin-Karow ein Regionalexpress auf einen Güterzug aufgefahren, dessen Kesselwagen hochexplosives Propen sowie Propan und Butan geladen hatten. Während die Lokomotive schwer beschädigt wurde, entstand am hinteren Kesselwagen nur geringer Schaden. Im Regionalexpress wurden elf von 22 Fahrgästen sowie der Lokführer und die Zugbegleiterin verletzt.
Bei einem Unfall mit einem mit Propen gefüllten Tanklastwagen waren 1978 in Spanien 217 Menschen ums Leben gekommen; über 300 wurden verletzt. Bereits im Oktober hatte es in Berlin einen Auffahrunfall mit zwei Regionalbahnen gegeben, die zum Glück ohne Fahrgäste unterwegs waren.
Erst am Sonntagabend waren im brandenburgischen Schwedt auf dem Gelände der Raffinerie PCK zwei Kesselwaggons entgleist – mehr als 80 000 Liter Benzin waren ausgetreten, ein nahgelegenes Dorf nur knapp einer Katstrophe entgangen. Wie es Donnerstagnacht in Berlin zu dem Unfall kommen konnte, ist noch nicht geklärt.
Sieben der insgesamt 22 Fahrgäste im Regionalexpress zwischen Schwedt (Oder) und Wünsdorf-Waldstadt befanden sich am Freitagmittag noch im Krankenhaus Buch. Außerdem wurden der Lokführer und die Zugbegleiterin stationär behandelt. Bei fünf Menschen sprachen die Ärzte von schweren Verletzungen. Der Lokführer musste von der Feuerwehr mit großer Mühe aus dem völlig eingebeulten Führerhaus befreit werden; er erlitt mehrere Knochenbrüche.
Der Regionalexpress mit seinen Doppelstockwagen war rund 500 Meter südlich vom Bahnhof Karow auf einen Güterzug mit 24 Kesselwagen geprallt. Ob der Güterzug stand oder fuhr, konnten die Ermittler am Freitag noch nicht sagen. Im Normalfall hätte der Regionalexpress an einem Halt zeigenden Signal stoppen müssen, weil sich zwischen den Signalen immer nur ein Zug befinden darf. Nach bisherigen Erkenntnissen habe der Lokführer keinen Fehler gemacht, sagte Ralph Fischer, Sprecher des Eisenbahnbundesamtes. Das Signal sei auf Grün gestellt gewesen. Auch an der Lokomotive seien keine Mängel festgestellt worden.
Möglicherweise war das Signal irrtümlich auf Grün gestellt. Bei der Untersuchung konzentriere man sich derzeit darauf, ob es einen Fehler in der Technik oder im Betriebsablauf der Bahn gegeben habe, sagte Fischer weiter.
Der Unfallort am Karower Kreuz gilt als Nadelöhr im Berliner Streckennetz. Abschnittsweise gibt es dort nur eingleisigen Betrieb. Zudem wechseln Züge über Verbindungskurven von der sogenannten Stettiner Bahn auf den Berliner Außenring. Signale und Weichen werden am Karower Kreuz noch durch ein Stellwerk bedient; der Abschnitt ist bisher nicht an ein elektronisches Stellwerk angeschlossen. Beim Ausbau der Stettiner Bahn Richtung Bernau/Schwedt und Stralsund vor wenigen Jahren war das Karower Kreuz nicht erneuert worden. Der Umbau ist erst für die kommenden Jahre geplant. Dabei soll auch ein S-Bahnhof entstehen.
Wann der Lokführer des Regionalexpresses den Güterzug gesehen hat, steht ebenfalls noch nicht fest. Rote Schlusslichter an Güterzügen hat die Bahn schon seit Langem abgeschafft; gesichert sind die letzten Wagen nur noch durch Warntafeln.
Der Aufprall ist nach bisherigen Erkenntnissen bei geringem Tempo erfolgt. Trotzdem ist sogar die Rückseite der Elektrolokomotive völlig verbeult worden. Hier drückten die vier Personenwagen des Doppelstockzuges mit voller Wucht dagegen. Die Lok und der erste Wagen hinter ihr entgleisten.
Sie mussten mit einem Spezialkran, der aus Nordrhein-Westfalen angefordert werden musste, wieder aufs Gleis gehoben werden. Weil anschließend auch noch die beschädigten Gleise repariert werden mussten, rechnete die Bahn am Freitag damit, dass der Verkehr erst Sonnabend früh wieder rollen kann.
Fahrgäste im Regionalverkehr mussten auf die S-Bahn ausweichen; im Fernverkehr wurden die Züge über Neubrandenburg umgeleitet. Die S-Bahn war nur in der Unglücksnacht unterbrochen.
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