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Von Jana Haase: Zweite Front gegen Braunkohleabbau

Initiative gegen Bundesbergrecht / Forscher warnt vor verschlepptem Strukturwandel in der Lausitz

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Potsdam - Die Grünen machen eine zweite Front gegen neue Braunkohleabbaue auf: Während das Volksbegehren gegen neue Tagebaue in Brandenburg noch bis Anfang Februar 2009 läuft, setzt sich der Bundestagsabgeordnete Peter Hettlich (Bündnis90/Die Grünen) aus Sachsen jetzt für eine Änderung des Bundesbergrechts ein. Das so genannte Bundesberggesetz regelt die Eigentumsverhältnisse an Bodenschätzen und ermöglicht unter anderem die Enteignung von Grundstücken für Bergbauvorhaben. Hettlich fordert die Änderung der Regelungen und die Aufnahme des Gesetzes in ein Umweltgesetzbuch. „Wir wollen Druck aufmachen von einer Stelle, wo sie nicht erwartet wird“, sagte Hettlich am Mittwochabend im Potsdamer „Haus der Natur“. Dorthin hatten die Brandenburger Bündnisgrünen zum Auftakt einer bundesweiten Informationskampagne zum Thema „Energieperspektiven ohne Braunkohle“ eingeladen.

Hettlichs Hauptkritikpunkt am Bergrecht: Es räume den Bergbau-Unternehmen „fatale Sonderprivilegien“ ein. Die betroffenen Menschen – wie aktuell etwa die Bewohner der von der Abbaggerung durch das Energieunternehmen Vattenfall bedrohten Dörfer Atterwasch, Grabko und Kerkwitz in der Lausitz – würden nicht an der Entscheidung beteiligt, ihre Interessen nicht berücksichtigt, so Hettlich. Zu diesem Ergebnis kommt auch das von der bündnisgrünen Bundestagsfraktion in Auftrag gegebene Gutachten zum deutschen Bergrecht von Rechtsanwalt Dirk Teßmer.

Zur Lösung der Probleme schlägt Teßmer für Bergbauvorhaben die Genehmigung per Planfeststellungsverfahren vor – wie etwa beim Autobahnbau üblich. Dafür müssten die Interessen der Anwohner einbezogen und abgewogen werden. Denkbar sei auch ein generelles Verbot von Bergbau unter besiedelten Flächen. Genehmigungen könnten dann nur ausnahmsweise möglich werden, wenn das Unternehmen belegen kann, dass andernfalls eine „besorgende schädliche Auswirkung auf die Volkswirtschaft“ entsteht.

Das Bergbaurecht betrifft nicht nur Braunkohle-Regionen wie die Lausitz, so Hettlich: Auch Steinkohle-, Kalk-, Schiefer- oder Kaliabbau und die Ölförderung im Wattenmeer fallen unter das Gesetz. „Wir wollen die Solidarisierung der Regionen“, so Hettlich. Er rechnet jedoch nur langfristig mit Erfolg der Gesetzänderungsinitiative im Bundestag.

Uwe Leprich vom Institut für Zukunftsenergiesysteme (Izes) Saarbrücken warnte bei der Diskussion davor, den Strukturwandel in der Lausitz „zu verschleppen“. Zahlen des Prognos-Zukunftsatlas belegten, dass in Braunkohleregionen sehr wenig investiert wird und überproportional viele junge Frauen abwanderten. „Da gibt es keine Dynamik jenseits der Braunkohle“, so Leprich. Die Izes hatte erst im Mai eine von den Grünen beauftragte Studie vorgestellt, nach der Ostdeutschland in 25 Jahren auf Braunkohle-Energie verzichten kann.

Was die momentane Rechtslage für Betroffene bedeutet, zeigte der Film „Wer anderen eine Grube gräbt...“, der am Mittwochabend Premiere feierte. „Selbst die letzte Ruhe wird zur vorletzten“, steht unter dem Foto eines Friedhofes, der im Ernstfall umgesiedelt wird.

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