Brandenburg: „Zwerg Nazi“ in Gewahrsam?
Pfarrer: Polizei verbietet Anti-Nazi-Postkarten / Hitler-Karikaturen als verfassungswidrig eingestuft?
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Potsdam/Eberswalde - Politikum oder Provinzposse? Brandenburgs Polizei soll bei einem Jugendlichen in Eberswalde ironische Postkarten gegen Rechtsextremismus beschlagnahmt haben, die eine Hitler-Karikatur zeigen. Diesen Vorwurf hat Landesjugendpfarrer Karl Minkner von der Evangelischen Kirche Berlin- Brandenburg erhoben – und in Briefen an Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) gegen das Vorgehen der Polizei protestiert. Das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) lässt die Sache seit gestern prüfen, konnte den nur vage beschriebenen Vorfall selbst aber bislang nicht bestätigen. „Wir prüfen das, haben aber noch keine Ergebnisse“, sagte Sprecher Peter Salender.
Was ist in Eberswalde genau passiert? Das ist unklar. Der geharnischte Protestbrief von Landesjugendpfarrer Karsten Minkner geht allein auf die Information des Eberswalder Kreisjugend-Mitarbeiters Jens-Martin Krüger-Langhans zurück. Wie dieser den PNN sagte, hat sich der Vorfall bereits vor „zwei, drei Wochen“ – im Schreiben des Pfarrers ist von voriger Woche die Rede – zugetragen.
Ein siebzehnjähriger Jugendlicher habe ihm damals berichtet, dass die Polizei bei ihm geklingelt und um Einlass in die Wohnung gebeten habe, offenbar auf der Suche nach Raubkopien. Die Beamten seien nicht fündig geworden. Dafür entdeckte man besagte Postkarten gegen Rechtsextremismus – eine Aktion des Verbund e. V., einem Zusammenschluss sozialdiakonischer Träger aus Berlin und der evangelischen Kirche.
Eine Karte zeigt eine Hitler-Karrikatur, auf der der Diktator als Gartenzwerg dargestellt ist, darunter die Schrift: „Zwerg-Nazi“, eine andere zeigt nur die Aufschrift „Doof“ – eines der beiden „o“ ist durch Oberlippenbart und Scheitel zum Hitler stilisiert. Die Polizei habe dem Jugendlichen mitgeteilt, dass solche Motive verfassungswidrig seien und deshalb die Karten mitgenommen, berichtet Krüger-Langhans. Weitere Folgen hatte es für den 17-Jährigen nicht. Man habe ihm erklärt, dass der Fall damit erledigt sei.
Was an den Karten anstößig gewesen sein soll, falls es sich so zugetragen hat, ist ein Rätsel. Für Landesjugendpfarrer Minkner steht fest, dass es „eine Überreaktion der Polizei“ war. Materiell und juristisch sei der Vorfall vielleicht unerheblich, politisch jedoch bedeutsam, heißt es in seinem Schreiben an Schönbohm und Rupprecht. „Denn bei den Jugendlichen, die unsere Aktion mittragen und unterstützen, stößt das Vorgehen der Polizei auf Unverständnis“. Es könne leicht der Eindruck entstehen, dass ihr Engagement gegen Rechtsextremismus „nicht gewollt“ sei oder von „staatlichen Stellen“ mit Misstrauen beobachtet werde.
Merkwürdig ist allerdings, warum der Landesjugendpfarrer erst mit mehrwöchiger Verspätung Alarm schlug, was nun die Aufklärung erschwert. Das Polizeipräsidium Frankfurt (Oder) und der Schutzbereich Eberswalde versuchten gestern, die Geschehnisse zu rekonstruieren – bis Redaktionsschluss ohne Erfolg. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, würde das Vorgehen der Polizei an ein umstrittenes Urteil des Stuttgarter Landgerichtes anknüpfen, das im September einen Verkäufer von Anti-Nazi-Symbolen wie durchgestrichenen Hakenkreuzen zu einer Geldstrafe verurteilt hatte.
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