Landeshauptstadt: 20 Jahre Mauerfall
Bürgerrechtler fordern Stasi-Beauftragten für Brandenburg und haben Angst vor Sonntagsreden
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Einen Landesbeauftragten für die Unterlagen der Staatssicherheit der DDR haben Linda Teuteberg und Manfred Kruczek gestern in Potsdam gefordert. Die Mitglieder des Vereins Forum zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte im Land Brandenburg sehen den Bedarf der Koordinierungsstelle jetzt umso mehr, da die Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde zum Ende des Jahres schließt (siehe Kasten). Brandenburg ist das einzige östliche Bundesland ohne eigenen Beauftragten für die Stasi-Unterlagen.
Die Liste der Forderungen von Linda Teuteberg und Manfred Kruczek ist lang: Eine stärkere Vorbereitung der Stadt auf das kommende Jubiläumsjahr „20 Jahre Mauerfall“ wünschen sie sich, ebenso die Übernahme der Unterlagen des Bürgerkomitees von 1990 ins Stadtarchiv. Seit Jahren liegen die Blätter mit Briefen und Protokollen aus den Tagen des Umbruchs bei der Außenstelle der Birthler-Behörde, nun werden sie nach Berlin verschwinden, wenn die Stadt nichts dagegen unternimmt. „Es birgt die Gefahr, dass sie herrenlos werden“, sagt Kruczek, zwischen 1991 und 2003 Stadtverordneter in Potsdam. Vor allem aber wünschen sich die Vereinsmitglieder einen stärkeren Aufarbeitungswillen in der Stadt und im Land. „Wir brauchen einen Mentalitätswandel, einen Abschied vom Leitbild der kleinen DDR von Manfred Stolpe“, sagte Teuteberg, die im nächsten Jahr bei der Landtagswahl für die FDP antritt. Und weiter: „Unser 1968 muss noch kommen.“ Kinder müssten die Eltern fragen, „was habt ihr eigentlich gemacht?“ Die Frage, warum ihrer Ansicht nach zu wenig aufgearbeitet werde, beantwortet der Potsdamer Architekt Christian Wendland mit den Worten: „Potsdam war eine Zentrale, die Stasi-Zentrale der DDR.“
In Potsdam gebe es nicht mal einen offiziellen Ansprechpartner für die Vorbereitungen auf das Jubiläumsjahr 2009, sagte Kruczek. Zwar gebe es einige Potsdamer, die sich am Programm der Bundesregierung „Kommunen schreiben Geschichte“ beteiligen, doch keiner aus der Stadtverwaltung.
Am meisten Angst haben sie im kommenden Jahr vor „Sonntagsreden und Symbolpolitik“, sagte Kruczek. Und vor Politikern an den symbolischen „Kranzabwurfplätzen“, wie Detlef Grabert vom Vereinsvorstand es nennt. Er selbst lebt in Strausberg, in der Militärhauptstadt der DDR. Es sei noch heute ein sehr schwieriges Pflaster. Als Zeichen für den mangelnden Willen der Aufarbeitung in einigen Landesteilen nennt er den Umgang mit Systemkritikern der DDR und Maueropfern wie Michael Gartenschläger. Während in Brandenburg die Aufarbeitung nicht erfolge, sei sie in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen-Anhalt deutlich sichtbarer. Er habe für sich selbst den Anspruch, den „Genossen der SED nicht die Deutung der Geschichte zu überlassen“.
Der Verein wird im kommenden Jahr mehrere Veranstaltung anbieten. Haben sie zuletzt mit der Vorboten der friedlichen Revolution in Potsdam zwei Veranstaltungen durchgeführt, die die Situation vor 1989 in Potsdam und der DDR beleuchten sollten, werden sie im kommenden Herbst zu Themen wie „Opfer der SED-Diktatur – Garanten des Mauerfalls“ einladen. Auch eine Veranstaltung mit dem Titel „Wie Potsdamer aus Ost und West die Nacht des Mauerfalls erlebten“ ist geplant.
Als erste Veranstaltung zum Jahr des Mauerfalls wird es eine Ausstellung der Potsdam verlassenden Birthler- Behörde im Stadthaus geben: Am 8. Januar wird die Schau „Feind ist, wer anders denkt – Eine Ausstellung über die Staatssicherheit der DDR“ eröffnet. Drei Wochen lang wird sie dann in Potsdam zu sehen sein. Begleitend findet am 27. Januar eine Weiterbildung für Lehrer in der Gedenkstätte für Opfer politischer Gewalt, Lindenstraße 54, statt. Eine Forderung, die auch Kruczek und Teuteberg haben – die Sensibilisierung von Lehrer für die DDR-Aufarbeitung. jab
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