Homepage: Absage an die Kultur des Wettbewerbs
Gesine Schwan setzte an der Uni Kontrapunkte
Stand:
Das alte sozialdemokratische Motto „Aufstieg durch Bildung“ vertrete sie heute nicht mehr, so Gesine Schwan. „Denn wenn jemand aufsteigt, muss auch immer jemand absteigen“, erklärte die Präsidentin der Humboldt-Viadrina School of Governance (HVSG) Gesine Schwan bei der Vorstellung ihres Buches „Bildung – Ware oder öffentliches Gut?“. Ihr Motto laute vielmehr „Teilhabe durch Bildung“, und zwar in einer „partnerschaftlichen Gesellschaft“, sagte sie unlängst zur Buchvorstellung am Uni-Campus Griebnitzsee.
Beinahe utopisch, angesichts der Hochschullandschaft, wie sie sich den rund 80 Besuchern derzeit darstellt. „Bildung und Wissenschaft sind Brandenburgs wichtigste Ressourcen, aber wir sind Schlusslicht bei der Förderung“, kritisierte Juliane Meyer von der Hochschulgruppe der Jusos, die zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristinnen und Juristen Brandenburg die Veranstaltung organisiert hatten. Sie forderte, die wirtschaftliche Ausrichtung des Bildungssystems zu beenden.
Eine Forderung, der sich Gesine Schwan gerne anschloss: „Die letzten 30 Jahre haben das Bildungsverständnis sehr eingeengt.“ Besonders die Idee des Wettbewerbs sieht Schwan mit Sorge. Sie bezeichnete in diesem Zusammenhang die Hochschul-Exzellenz-Initiative als „Irrweg“. „Wir leben in einer Kultur des manischen Wettbewerbs. Der Antrieb kommt aus der Angst davor, schlechter zu sein, als der Konkurrent.“ Diese Form der Motivation werde nicht nur von Hirnforschern kritisiert, sondern auch von Unternehmen abgelehnt: „Denn das Wettbewerbsdenken fördert gerade die Fähigkeiten nicht, die heute gefragt sind: Teamfähigkeit und Fantasie.“
Auch Hochschullehrerin Christine Färber kann davon ein Lied singen: „Meine Studenten wollen oft nicht im Team arbeiten“, beklagt sie. Sie hätten Angst, dass die anderen als Trittbrettfahrer nichts tun und am Ende doch die bessere Note bekommen. Färber kritisierte auch, dass die Fachkräfte, die in Brandenburg gebraucht werden, von den Unis nicht ausgebildet würden: „Die brandenburgische Hochschullandschaft ist ziemlich langweilig.“ Schwan ergänzte: „Die Hochschulen sind nicht nur nicht an die Bevölkerung angepasst, sondern auch nicht an die Zukunft.“ Bildung müsse auf die Globalisierung reagieren. Nicht dazu geeignet seien Bildungskanone oder einheitliche Lehrpläne, wie sie von einem Besucher der Veranstaltung gefordert wurden: „Dann kann es auch keine alternativen Ansätze wie Montessori-Schulen geben.“
Die Frage eines Studenten, ob Schwan ihre Vorstellungen nicht selber umsetzen und in die aktive Politik einsteigen wolle, musste die Hochschulpolitikerin mit Hinweis auf ihre Tätigkeit an der Viadrina School eine Absage erteilen. „Aber was kann ich selber tun?“ fragte eine Studentin von den Jusos mit Verweis auf die aktuellen Kürzungen im Uni-Haushalt. „Ich bin mit meinem Latein am Ende.“ Schwan empfahl, in der Öffentlichkeit auf die Plausibilität und Transparenz von Kürzungsmaßnahmen zu pochen. „Vor allem muss man Öffentlichkeitsarbeit machen, um die Bedeutung von Bildung klar zu machen.“ Erik Wenk
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: