Landeshauptstadt: Abstinente Zocker
Sie trinken wenig Alkohol und rauchen selten – die Stadt legt neue Suchtzahlen für junge Potsdamer vor. Ein neues Problem: Computerspielsucht
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Junge Potsdamer rauchen heute deutlich seltener und trinken weniger Alkohol, als das vor acht Jahren bei ihren Altersgenossen noch der Fall war. Dafür nehmen speziell Mädchen häufiger Medikamente, die die Stimmung beeinflussen – etwa Schlaf- oder Beruhigungsmittel. Ein neues Problem ist die Computerspielsucht. Das geht aus einer Umfrage hervor, die die Stadtverwaltung am Freitag veröffentlichte. Anlass: Die Sozialbehörde hat ein neues Konzept zur Suchtprävention und -behandlung für Potsdam vorgelegt.
Die Zahlen – die dem allgemeinem Trend in Brandenburg entsprechen – sind überwiegend positiv. Doch es gibt Ausnahmen. So nehmen knapp drei Prozent der Potsdamer Mädchen täglich Medikamente, die eigentlich nicht nötig sind. Dieser Anteil lag 2005 noch bei 1,3 Prozent, damals wurde die Erhebung erstmals durchgeführt. Bei den Jungen greifen aktuell 1,6 Prozent täglich in die Pillenkiste. Leicht gestiegen ist auch der Haschischkonsum, speziell bei Jungen – 7,6 Prozent von ihnen kiffen wöchentlich oder täglich. Vor acht Jahren waren es 5,8 Prozent.
Gewarnt wird auch vor einer neuen Sucht, es geht um Computerspiele. „Die Zahl derjenigen, die stationär wegen ihres pathologischen Spielverhaltens behandelt werden, steigt an“, heißt es in dem Bericht, ohne dass für Potsdam genaue Zahlen genannt werden. In der Befragung gaben 12,4 Prozent der Mädchen und 35 Prozent der Jungen an, täglich Computerspiele zu zocken.
Alle anderen Zahlen sind rückläufig. Noch 15,3 Prozent der Potsdamer Schüler rauchen täglich Zigaretten, der Anteil von Jungen und Mädchen ist dabei fast gleich. 2005 kaufte noch ein Drittel aller Jugendlichen regelmäßig Glimmstängel. Für die Statistik wurden rund 1200 Jungen und Mädchen anonym befragt, das Durchschnittsalter lag zwischen 15 und 16 Jahren. Rückläufig ist auch der Alkoholkonsum. Vor acht Jahren tranken etwa 25 Prozent der Schüler wöchentlich oder sogar täglich. Dieser Anteil liegt heute bei 14,5 Prozent – wobei Jungen etwas häufiger zum Alkohol greifen als Mädchen.
Härtere Drogen wie Kokain oder Heroin spielen in der Untersuchung keine Rolle. Einzig der Gebrauch von Ecstasy wurde abgefragt, auch dieser ist gesunken. 2005 hatten bereits rund sieben Prozent Erfahrungen mit den Pillen gesammelt. Derzeit haben nur rund 4,5 Prozent der Jugendlichen Ecstasy probiert.
Potsdam hat bereits ein Suchtkonzept – allerdings ist das fast zehn Jahre alt. Nach einem publik gewordenem Drogenvorfall an der Potsdamer Elite-Sportschule Ende 2012 hatte die Stadtpolitik eine Überarbeitung des Papiers gefordert. „Es war notwendig, neuere Erkenntnisse aus Praxis und Wissenschaft zu berücksichtigen“, sagte Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos). Dafür wurde Heino Stöver gewonnen, der Direktor des Instituts für Suchtforschung an der Fachhochschule in Frankfurt am Main. Er gilt als Kritiker einer Kriminalisierung des Drogengebrauchs, die er für schädlich, teuer und ineffektiv hält.
Das Papier ist von Stöver unter anderem mit Selbsthilfegruppen und Einrichtungen wie dem Klinikum erarbeitet worden. Das wichtigste Ziel laut dem Papier: die bestehenden Hilfe- und Präventionsstrukturen besser zu vernetzen. Es gehe in erster Linie nicht um eine Ausweitung von Budgets, sondern um eine durchdachte Verzahnung und Verschränkung von verfügbaren Mitteln, erklärte ein Sprecher der Stadtverwaltung. Henri Kramer
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