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Kolumne Etwas HELLA: Ach Fernsehen, lass das Morden sein

Jeder Krimifan weiß, dass Donna Leon die große alte Dame der Venedig-Krimis ist. Inzwischen sind ihre Romane fast alle fürs Fernsehen verfilmt worden und man kann sie sich quasi in einer Unendlich-Schleife immer wieder angucken.

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Jeder Krimifan weiß, dass Donna Leon die große alte Dame der Venedig-Krimis ist. Inzwischen sind ihre Romane fast alle fürs Fernsehen verfilmt worden und man kann sie sich quasi in einer Unendlich-Schleife immer wieder angucken. Deshalb ist der Krimigucker besonders erfreut, wenn es mal wieder einen neuen gibt, weil er die alten wahrscheinlich schon auswendig kennt. Nun hat sich die Seniora zum Literaturfestival in Potsdam angekündigt, was garantiert viele, viele Liebhaber ihrer Bücher auf den Plan ruft und die Erwartung weckt, dass sie und Commissario Brunetti etwas Neues ausgetüftelt haben.

Das Litpom (die Abkürzung habe ich erfunden, weil sie mich so angenehm an eine andere erinnert) findet aber erst im Juli statt und bis dahin kann ich garantiert noch gefühlte 1000 Krimis ansehen, natürlich nicht nur solche, die in Venedig spielen, sondern auch deutschstämmige, englische, skandinavische und sogar türkische. Das Fernsehen quält uns inzwischen ja auf allen Kanälen mit massenhaft Leichen und es tröstet mich überhaupt nicht, dass sich der Tatort zu einem der beliebtesten Fernsehformate entwickelt hat und dass er das seit Jahrzehnten durchhält. Ich bin auch nicht hocherfreut darüber, dass sich die Kommissarsriege verjüngt hat und dass es jetzt flottere Handlungsabläufe und ganz aktuelle Fälle gibt. Dass sich ausgerechnet die in Potsdam oder im Land Brandenburg spielenden Krimis nicht richtig durchsetzen konnten und daran auch der dicke Krause nichts geändert hat, finde ich allerdings gut. Denn Brandenburg ist laut Polizeiaussage eine „überdurchschnittlich sichere Region“, jedenfalls was Mord und Totschlag betrifft. (In unserer Stadt gab es übrigens 2015 einen Mord und einen Mordversuch und 2014 gar keinen.) Dass Potsdam die Hochburg der Fahrraddiebstähle ist und dass immer öfter eingebrochen wird, steht zwar in der Statistik, taugt aber verständlicherweise nicht für einen Fernsehkrimi. Fahrraddiebe – war das nicht mal ein sehr sozialkritischer Film? Spielte auch in Italien.

Sicher doch, auch ich habe meine Lieblingskommissare und meine besonders bevorzugten Krimiserien. Ich liebe besonders die, wo so gemütlich und überhaupt nicht nervenaufreibend gemordet wird wie bei Inspector Barnaby in England oder eben auch bei Donna Leon, wo der Commissario eine so liebenswerte Familie hat, dass man glatt die unangenehmen Seiten seines Berufes mit hinnimmt. Und wie er den Vice-Questore immerfort an der Nase herumführt. Der ist zwar sehr systemangepasst, aber noch lange kein Unmensch. Was ihn zumindest teilsympatisch macht. Und es ist auch ganz wundervoll, dass die Political Uncorrectness in Italien stattfindet und nicht im verbiesterten Deutschland, wo solche Kommissare wie Brunetti sofort die Dienstaufsicht oder die investigative Presse auf dem Hals hätten.

Aber bei allem Verständnis, dass es gute Einschaltquoten bringt, wenn der Publikumsgeschmack bedient wird, ich würde mich doch freuen, wenn es auch noch andere Angebote gäbe und ich nicht schon wieder beim Fernsehen die Qual der Wahl zwischen einem Krimi, dem derzeitigen Karnevalsfrohsinn und einer Schnulze hätte, die nun wirklich bar jeder Realität ist. Ich könnte natürlich auch ein gutes Buch lesen. Vielleicht einen Potsdam-Krimi?

Unsere Autorin ist langjährige Redakteurin und jetzt freie Mitarbeiterin der PNN. Sie lebt in Potsdam

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