Landeshauptstadt: Akut-Ambulanz für Gewalt-Opfer
Verein Opferhilfe will Angebot in Potsdam ausbauen
Stand:
Für viele ist danach nichts mehr wie es war. Dabei wünschen sie sich nichts sehnlicher als das alte Leben zurück, das Gefühl von Sicherheit. Wie die ältere Dame, der auf offener Straße die Handtasche entrissen wurde, und die seither ihre Wohnung nicht mehr verlässt und niemanden mehr hineinlässt. Oder der Bankangestellte, der einen Raubüberfall erlebt. Angstattacken, Schlaflosigkeit, Albträume, Depressionen – Opfer sind nach einer Straftat häufig in einem Dauerzustand der Krise, verlieren die Kontrolle.
Hilfe finden sie beim Verein Opferhilfe, der auch in Potsdam eine Beratungsstelle unterhält. Dort soll noch in diesem Jahr die brandenburgweit erste psychotherapeutische Akut-Ambulanz zur Sofort- Hilfe für Opfer von Straftaten eröffnet werden. Der Verein hat dazu bei der Aktion Mensch einen Förderantrag gestellt, um einen Psychotherapeuten einzustellen. „Es gibt eine Versorgungslücke und zu wenige Psychotherapeuten“, sagt Rosemarie Priet von der Opferhilfe. „Im Durchschnitt beträgt die Wartezeit für einen Termin fünfeinhalb Monate, in Brandenburg dauert es noch länger.“ Bei rund einem Drittel der Opfer müsse rasch gehandelt werden, bereits binnen weniger Wochen könnten schwere Traumafolgestörungen auftreten. Betroffene könnten dann psychisch erkranken. Auch das Justizministerium unterstützt das Vorhaben, ebenso der Weiße Ring, der gestern flächendeckend Trauma-Ambulanzen forderte.
Im vergangenen Jahr hat der Verein 521 Menschen beraten, allein 310 davon waren Opfer von Gewalttaten und sexuellem Missbrauch. Die zwei professionellen Helfer in der Potsdamer Niederlassung unterstützen Opfer im Umgang mit Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichten und Versorgungsämtern. Insgesamt hat der Verein landesweit acht Mitarbeiter. Neben Potsdam gibt es Beratungsstellen auch in Brandenburg/Havel, Cottbus, Senftenberg, Frankfurt (Oder) und Neuruppin.
Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) sagte bei einem Besuch der Potsdamer Niederlassung: „Man kann die Arbeit des Vereins gar nicht hoch genug schätzen.“ Dies gelte „gleichermaßen für die Linderung psychischer Leiden von Gewaltopfern sowie die Betreuung von Opfern und Zeugen“, sagte er anlässlich des Tages der Kriminalitätsopfer am heutigen Dienstag. Schöneburg überreichte einen Förderbescheid in Höhe von 253 670 Euro, „damit ist die Arbeit des Verein gesichert“. Der Betrag deckt in diesem Jahr den Finanzbedarf des Vereins zu 85 Prozent. Der Rest kommt durch Spenden und Strafgelder zusammen.
Die Opferhilfe war 1996 als Modellprojekt in Potsdam gestartet. In den ersten drei Jahren Probephase war schnell klar: Der Bedarf ist groß. Seither hat der Verein viel erreicht: Polizisten, Staatsanwälte, Richter und Behördenmitarbeiter gingen inzwischen sensibler mit Opfern um als noch vor 15 Jahren, sagte die Therapeutin Priet. Dabei gehe es in der entscheidenden Phase nach der Straftat darum, wie die Opfer befragt werden. „Da kann viel Porzellan zerschlagen werden, das Gefühl, dass die Polizei mir nicht glaubt“, so Priet. Die Folgen sind gravierend – bis hin zu psychischen Erkrankungen.
Auch Täter bekommen in Potsdam mehr Hilfe. Im Sommer soll laut Schöneburg eine forensische Ambulanz für entlassene Häftlinge eröffnen, für die Gerichte wegen Rückfallgefahr eine Therapie anordnen. Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg hätten damit gute Erfahrungen gemacht. A. FröhlichWEIßER RING]
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: