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Landeshauptstadt: Alles nur getrickst
Kulisse oder Computertechnik? Bei Filmdrehs verschwinden die Grenzen von Illusion und Realität
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Babelsberg - Eine schwarze Halle. Kabel am Boden, ein paar Scheinwerfer. Eine Kamera glotzt auf eine grüne Wand. Der Blick durch die Linse offenbart ein anderes Bild: ein Leuchtturm am Meer, Wüste in Afghanistan oder die historische Fassade des Reichstages in Berlin. Beim Filmen mit dem sogenannten Greenscreen lassen sich bereits beim Dreh Hintergründe live einspielen. Eine Technik (Virtual Backlot), derer sich beispielsweise die Macher des TV-Films „Nacht über Berlin – Der Reichstagsbrand“ für die ARD bedient haben. Während die Schauspieler Anna Loos und Jan Josef Liefers vor der grünen Wand agieren, sieht sie der Regisseur bereits vor dem Reichstag. Möglich macht es ein virtuelles Set mit einem Winkel von 180 Grad.
„Für den Zuschauer sind die Bilder kaum vom Dreh an einem Originalschauplatz zu unterscheiden“, sagt Matthias Haase, Kreativdirektor der Stargate Germany GmbH. Das Potsdamer Unternehmen hat die Technologie entwickelt. Dafür gab es 2012 den Innovationspreis Brandenburgs. Erstmals eingesetzt wurde das Verfahren 2012 für die Telenovela „Wege zum Glück – Spuren im Sand“. Die Technologie ist interessant für Film und Fernsehen: Dreharbeiten vor Originalmotiven sind mit hohem Aufwand und Kosten verbunden. Der Nachbau als Kulisse kommt nur infrage, wenn die Kosten-Nutzen-Rechnung aufgeht. Bei dem Virtual-Backlot-Verfahren wird das Originalmotiv abgefilmt, digitalisiert und beim Dreh als virtuelles Set bereitgestellt. So können auch im „grünen Studio“ stimmungsvolle Bilder entstehen. „Wir bieten die Möglichkeit, Geschichten zu erzählen, wo früher das Geld gefehlt hätte“, erklärt Haase. Zudem sind Formate möglich, bei denen keinerlei Nachbearbeitung nötig ist. Einmal im Kasten, kann das Material im Fernsehen gezeigt werden. Angesichts des Kostendrucks in der TV-Branche – aber auch beim Film – sind kostengünstige Verfahren gefragt. Ohne digitale Tricks und Spezialeffekte geht nichts mehr. „Natürlich hat das auch etwas mit Finanzen zu tun“, sagt Kirsten Niehuus, Chefin der Filmförderanstalt Medienboard Berlin-Brandenburg. „Einen Film wie ,Cloud Atlas’ hätte man ohne diese Möglichkeiten nicht machen können.“ 3D-Filme wie „Avatar“, „Hobbit“ oder „Life of Pi“ verdeutlichen, was Technik inzwischen erreichen kann: Die Grenzen von Illusion und Realität verschwinden derart, dass computeranimierte Gestalten kaum noch von echten zu unterscheiden sind. Eine Entwicklung, von der die Region Berlin-Brandenburg profitiert: „Es hat sich eine Vielzahl von Unternehmen angesiedelt, die die Branche maßgeblich im Bereich Visual Effects prägen“, so Niehuus. Rund 800 Unternehmen mit etwa 9000 Mitarbeitern sind im Bereich der Herstellung und Nachbearbeitung von Filmen sowie für sonstige Filmtechnik in der Region aktiv. Ihr Umsatz liegt nach Erhebungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung bei etwa 400 Millionen Euro jährlich.
Oft sind es Selfmade-Firmen, die klein angefangen haben und nun international agieren. „Da hat sich ein Branchenstandort entwickelt, der großes Potenzial hat“, meint Niehuus. „Hier sind viele kreative Köpfe – und andere bekommt man hierher, weil Berlin als attraktiv gilt und spannend ist“, berichtet Robert Pinnow, Geschäftsführer der Rise-fx GmbH. Seit der Gründung 2007 hat sich das Unternehmen zum größten Anbieter für visuelle Effekte in Berlin entwickelt und für Streifen wie „Harry Potter und die Heiligtümer des Todes“ gearbeitet. Mit „Cloud Atlas“ gelang endgültig der Sprung auf das internationale Parkett. „Der Kunde war sehr angetan, dass er so viele Spezialisten gebündelt an einem Ort hatte“, berichtet Pinnow von der Teamarbeit mit anderen deutschen Experten. Ein Vorteil sei zudem die Nähe zum Filmstudio Babelsberg.
Wichtig dafür sei das kreative Umfeld, betont Studiosprecher Eike Wolf. „Der Kulissenbau muss immer Hand in Hand gehen mit den Visual Effects.“ Bei 3D-Filmen sei ein hochwertiger Kulissenbau besonders wichtig wegen der größeren Raumschärfe, erklärt Wolf. Angst, von der Technik verdrängt zu werden, hat das Studio nicht: Viele Stoffe seien nach wie vor ohne Kulisse nicht machbar, sagt Wolf. Beispiel „Cloud Atlas“: Dafür haben die Kulissenbauer über 170 Innensets gebaut.
RISE FX GMBH]
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