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Digitale Begleiter beim Sporttreiben: Am Puls der Zeit
Rund 100 000 Fitness- und Gesundheits-Apps gibt es auf dem Markt. Jetzt hat die AOK Nordost ein eigenes digitales Bonusprogramm im Angebot. Andere Kassen sind bei solchen Innovationen zurückhaltend.
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Wer heutzutage bei seinem Fitnessprogramm einen digitalen Begleiter sucht, hat die Qual der Wahl. Fitness-Apps gibt es wie Sand am Meer, es gibt fast nichts, was nicht getrackt – also gemessen – werden kann: Tempo, Herzfrequenz, Schrittlänge, Schrittanzahl, Fettverbrennung, Kalorienverbrauch, Höhenmeter, Distanz, Wattleistung, Schlafqualität, Stresslevel. Marktstudien zufolge gibt es inzwischen 100 000 Gesundheits-Apps.
Als gesetzliche Krankenkasse in Deutschland reiht sich nun die AOK Nordost mit einer eigenen App in die Palette der Anbieter. Mitte Januar hat die Kasse die App „FitMit AOK“, ein digitales Prämienprogramm, präsentiert – zusätzlich zu ihren bestehenden klassischen Präventionsangeboten. Mitglieder der AOK Nordost – sie zählt in Brandenburg, Berlin und Mecklenburg-Vorpommern 1,75 Millionen Mitglieder – können mit der App gesammelte Prämienpunkte einlösen – in Form von Nachlässen bei Sport- und Fitnessanbietern, beim Kauf von Sportausrüstungen oder auch in barer Münze. Im Gegenwert bis zu 325 Euro können sich AOK-Versicherte ihr sportliches Engagement bonifizieren lassen, ebenso Vorsorgeuntersuchungen oder soziales Engagement wie Blutspenden oder die Bereitschaft zur Organspende. „Der Einsatz für die eigene Gesundheit hat sich noch nie so ausgezahlt“, sagt Frank Michalak, Vorstandschef der AOK Nordost.
Überprüfung der sportlichen Aktivitäten ist schwierig
Pionier unter den gesetzlichen Kassen ist die AOK mit dem Einsatz einer App als digitales Bonusprogramm allerdings nicht. Schon die DAK Gesundheit hat es probiert, ebenso die die Barmer GEK. Letztere ermöglichte ihren Mitgliedern im Jahr 2014, mit der Fit2Go-App Prämienpunkte zu sammeln. 58 000 Mal wurde laut Brandenburgs Barmer-Sprecher Markus Heckmann die App heruntergeladen, auch Nicht-Mitglieder konnten das tun. 6 400 Versicherte haben laut Heckmann tatsächlich Bonuspunkte eingelöst. Ende 2015 hat die Barmer die Bonusphase beendet. Grund: Die mangelnde Kontrolle, ob die Nutzer ihre eingetragenen Aktivitäten auch tatsächlich absolviert haben. „Das konnten wir nicht überprüfen“, sagt Heckmann und meint: „Dies stellte eine Ungleichbehandlung anderer bonusfähiger Aktivitäten dar, bei denen sich die Versicherten die Teilnahme vom Arzt, Sportverein oder Fitnessstudio per Stempel und Unterschrift bestätigen lassen müssen.“ Daher wurde die Koppelung der App an das Bonusprogramm beendet, genutzt werden kann sie aber weiterhin.
Bei der AOK ist man sich des Problems bewusst. „Wir vertrauen darauf, dass die Nutzer ehrlich angeben, wie aktiv sie waren“, sagt Vorstandschef Frank Michalak. Zudem gibt es zahlreiche Prämienpunkte nur dann, wenn eine sportliche Aktivität auch nachgewiesen wird – etwa durch das Fotografieren und Hochladen von Startnummern, Teilnehmerurkunden oder Teilnahmebescheinigungen an Kursen.
Keinerlei Einwände hinsichtlich des Datenschutzes
Ein Grund, weshalb sich die AOK beim Einsatz ihrer App auf die ehrlichen Angaben der Versicherten verlassen muss, sind die wenigen Daten, die er- und übermittelt werden. Detaillierte Angaben wie etwa Laufdistanzen, Geschwindigkeiten oder gar sensible Gesundheitsdaten werden weder erhoben noch gespeichert. Datensparsamkeit und Vertrauensschutz nennt Michalak ein zentrales Anliegen bei der Entwicklung der App. Daher wurde bei deren Entwicklung eng mit Dirk Heckmann zusammengearbeitet – Inhaber des bundesweit einzigen Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Sicherheitsrecht und Internetrecht an der Universität Passau. Auch Brandenburgs Datenschutzbeauftragte Dagmar Hartge hatte nach ausführlicher Vorstellung des Projektes keine grundsätzlichen Einwände.
Mit dem Einsatz von Gesundheits-Apps sind Kassen wie die AOK Nordost am Puls der Zeit. Das Beratungsunternehmen PricewaterhouseCoopers (PwC) mit Sitz in Frankfurt am Main prognostiziert für 2017 einen weltweiten Umsatz mit Gesundheits-Apps von 23 Milliarden Dollar. Große IT-Unternehmen wie Telekom, IBM, Apple oder Google investieren in diesen Markt. Für die Entwicklung der FitMiT AOK-App ist der Technologie-Anbieter Cisco Deutschland, Tochter des großen US-Konzerns, verantwortlich. Cisco-Vertriebsdirektor Christian Korff macht aus seiner Freude über die Innovationsbereitschaft der AOK Nordost und der daraus resultierenden Kooperation keinen Hehl: „Das ist das, was wir uns an Engagement in der digitalen Welt wünschen“, sagt er.
Studie: Patienten glauben an die Kraft von "Mobile Health"
Nicht glücklich geworden mit ihrem Einstieg in die digitale Gesundheitswelt ist die DAK. Schon vor drei Jahren bot die Angestellten-Kasse ihren sportlich aktiven Versicherten die „Fitcheck-App“ zum Sammeln von Bonuspunkten an und stellte sie nach gut einem Jahr Laufzeit wieder ein. „Der technische Aufwand war zu groß und wir mussten Kosten und Nutzen abwägen“, erklärt DAK-Pressesprecher Rüdiger Scharf auf PNN-Anfrage. Die App sei wenig genutzt worden, sodass sich die DAK entschied, sie aus dem Bonusprogramm zu nehmen. „Wir werden in diesem Bereich keine Vorreiter mehr sein und nicht mehr aktiv werden“, so Scharf.
Die Barmer GEK indes „beobachtet die technischen Entwicklungen und Möglichkeiten auf dem Markt der Apps weiterhin, ohne derzeit konkrete Pläne für den Ausbau dieser Angebote zu haben", sagt Sprecher Heckmann. Doch genau die werden gefragt sein, meint eine internationale PwC-Studie, wonach die Hälfte aller Patienten daran glaubt, dass „Mobile Health“ das Gesundheitssystem verbessern wird. „Mobile Dienste wie Apps für Smartphones werden den Gesundheitsmarkt grundlegend verändern“, so das zentrale Ergebnis der Studie.
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