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Homepage: Angriff aus dem Süden

Der Klimawandel bringt neue Stechmücken nach Deutschland, die auch tropische Krankheiten übertragen können. Die Asiatische Buschmücke hat bereits größere Populationen gebildet

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Erst kürzlich schlug ein Forscher der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung Alarm: In Hessen sei eine blutsaugende Sandmückenart entdeckt worden, die die Infektionskrankheit Leishmaniose übertragen kann. Die beigefarbene, nur wenige Millimeter große Mücke sei vermutlich aus Südeuropa eingewandert, wo sie heimisch ist. Die Etablierung der Art in Deutschland sei allerdings noch nicht abgesichert, gaben die Senckenberg-Wissenschaftler aus Frankfurt am Main nun auf dem 8. Internationalen Zweiflügler-Kongress in Potsdam zu bedenken. Anders verhält es sich hingegen mit Populationen der asiatischen Buschmücke, die in größeren Gebieten in Deutschland festgestellt wurde. Auch die Tigermücke, die in Norditalien bereits zum Ausbruch von Tropenkrankheiten geführt hat, wurde auf süddeutschen Autobahnraststätten entdeckt. Mit dem Fern- und Reiseverkehr werden die bei uns eigentlich nicht lebenden Arten eingeschleppt – und können sich bei günstigen klimatischen Verhältnissen dauerhaft ansiedeln.

Einwanderer aus den Subtropen

Der Klimawandel trägt dazu bei, dass zunehmend südliche Mücken- und Fliegenarten nach Mitteleuropa vordringen, erklärt Frank Menzel vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut im brandenburgischen Müncheberg. Menzel hat in der vergangenen Woche den 8. Internationalen Kongress für Dipterologie (ICD8), der erstmals in Deutschland stattfand, mit organisiert. Fast 400 Forscher aus der ganzen Welt waren ins Kongresshotel nach Potsdam gekommen, um sich über die Verbreitung und Entwicklung der weltweit über 155 000 Fliegen- und Mückenarten auszutauschen. Mit über 160 Familien stellen die Zweiflügler eine der vier größten Tiergruppen der Erde dar.

Aus dem Süden kommen nicht nur paradiesisch schön anzuschauende Schmetterlinge wie etwa der Kolibrifalter zu uns in den Norden. Unter den Einwanderern aus den Subtropen sind auch Insekten, die das Potenzial dazu haben, tropische Krankheiten zu übertragen, allen voran die Stechmücken. Die asiatische Tigermücke ist in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet als Krankheitsüberträger bekannt. „Wenn sie bei uns heimisch würde, wäre das ein potenzieller Auslöser von Epidemien“, sagt Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (Zalf) in Müncheberg. Etablierte Populationen von der Tigermücke sind in Deutschland allerdings noch nicht beobachtet worden, nur einzelne Funde entlang der Autobahnen in Baden-Württemberg und Bayern wurden dokumentiert. Bislang ist die Art an kalte Winter noch nicht angepasst. „Was aber noch kommen kann“, sagt Doreen Werner.

Von der asiatischen Buschmücke ist hingegen bekannt, dass sie in Baden-Württemberg größere Populationen ausgebildet hat. Mittlerweile sind Verbreitungsgebiete von bis zu 2000 Quadratkilometern auch in Nordrhein-Westfalen, dem nördlichen Rheinland-Pfalz und im Raum Hannover bekannt. „Man kann von einer großflächigen Verbreitung sprechen“, so Doreen Werner.

Überträger von Tropenkrankheiten

Die Buschmücke kann das West-Nil-Virus und Viren, die zu Entzündungen des Gehirns führen können, übertragen. Im Labor konnte auch die Übertragung von Dengue-Fieber nachgewiesen werden. In Südfrankreich, Norditalien, Griechenland, Kroatien und auf Madeira kam es in den vergangenen sieben Jahren immer wieder zu Ausbrüchen und zu einzelnen Erkrankungen von Menschen, weil die Stechmücken die Krankheitserreger übertragen können. Neben dem Dengue- und West-Nil-Fieber auch Chikungunya-Fieber sowie Malaria. Zu Malaria-Ausbrüchen kam es bis zum Mittelalter auch in Mitteleuropa. Allerdings sind es nicht nur die südlichen Zuwanderer, die uns gefährlich werden könnten. Auch unsere heimischen Stechmücken können unter bestimmten Bedingungen Krankheiten übertragen, gibt Doreen Werner zu bedenken.

Die südlichen Mücken tragen die Krankheitserreger allerdings nicht immer mit sich. Um eine Krankheit wie das Dengue-Fieber zu übertragen, müssen sie zuvor einen Menschen, der den Erreger in sich trägt, gestochen haben. Ein denkbares Szenario wäre, dass ein infizierter Tourist nach seiner Rückkehr aus den Tropen in Deutschland von einer Mücke gestochen wird, die später das Virus auf andere Menschen überträgt. Der Erreger kann dann wiederum von weiteren Stechmücken verbreitet werden. So könnte sich eine Epidemie entwickeln.

Nur wenige Mücken saugen Blut

Mücken-Forscherin Werner nimmt die Zweiflügler allerdings auch in Schutz. Sie würden in ihrer Gefahr grundsätzlich überschätzt. Von den 28 verschiedenen Mückenfamilien in Deutschland sind gerade mal vier Blutsauger. Und davon stechen bekanntlich nur die Weibchen, die das Blut für die Eireifung benötigen. Neben den bekannten Stechmücken – mit rund 50 verschiedenen Arten in Deutschland – stechen auch die Gnitzen, die Kriebel- und die Schmetterlingsmücken. Die Kriebelmücke als kleinste Mücke bereitet mitunter größere Hautirritationen. Sie reißt beim Stechen die Haut geradezu auf, was zu Infektionen führen kann. Zu den Schmetterlingsmücken, die man in Südeuropa häufig auf Toiletten antrifft, zählt auch die Sandmücke, die nun in Hessen gesichtet worden sein soll. Alle diese Mücken brauchen Wasser oder wenigsten Feuchtigkeit, um sich vermehren und entwickeln zu können.

Nützlinge mit zwei Flügeln

Auch Mückenforscher Frank Menzel bricht eine Lanze für die Zweiflügler, denen er sein Forscherleben gewidmet hat. Nicht alle von ihnen sind Schädlinge oder lästig, betont er. „Kaum jemand weiß, dass nicht alles sticht, was herumfliegt.“ Die besonders unbeliebten Schmeißfliegen sind beispielsweise wichtig für die Zersetzung von Tierkot und Kadavern. Ohne sie wäre der biologische Kreislauf unterbrochen. „Die Larven dieser Fliegen sind die größten Zersetzer in der Natur“, erklärt der Entomologe. Zudem seien sie in der Natur wichtig für die Nahrungsketten und sind als Futterquelle unerlässlich, etwa für Amphibien, Vögel und andere Kleintiere. Die Fruchtfliegen wiederum zersetzen Obstreste. Und die Schwebfliegen helfen sogar den Bienen beim Bestäuben der Pflanzen.

Auch andere Nützlichkeiten sind denkbar: Während der Potsdamer Senckenberg-Konferenz hatte einer der Fliegen-Experten an einem der Infostände einen großen Glaskasten aufgebaut, in dem es mächtig summte. Hunderte längliche Soldatenfliegen flogen in dem Käfig durcheinander. In einem anderen Laborbehälter zuckten abermals Hunderte dicke Maden. Auf einem Flyer informiert der Biologe über die Möglichkeit, die Maden als proteinreiches Viehfutter einzusetzen, was allerdings in der EU noch untersagt ist. Der Forscher sucht nun weltweit nach einer Lobby für sein Projekt.

Mückensaison noch nicht zu Ende

Eigentlich muss man in Deutschland im Frühjahr und Herbst immer mit Mückenplagen rechnen. 2014 war aber zumindest in Ostdeutschland ein ausgesprochen mückenarmes Jahr, weil das Frühjahr zu heiß und zu trocken war. Das kann sich allerdings sehr schnell ändern. Während in den heißen Sommermonaten wegen der Trockenheit deutlich weniger Mücken schlüpfen, ist im Spätsommer und Herbst Mückenzeit. „Es kann natürlich noch etwas kommen, da reichen ein paar Tage Regen aus“, sagt Frank Menzel. Vor den tropischen Blutsaugern muss man in Brandenburg allerdings keine Angst haben. Von ihnen wurden hier noch keine gesichtet. Für diese Arten ist die märkische Streusandbüchse wohl einfach zu trocken.

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