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Landeshauptstadt: „Angst, dass Todesstrafe wieder eingeführt wird" Daniel Lentfer über direkte Demokratie

Welche Themen haben die Potsdamer interessiert, mit denen sie am Montag über direkte Demokratie gesprochen haben?Unter anderem die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens und die Auslandseinsätze der Bundeswehr, mehrere haben sich über die zu hohen Mieten beklagt.

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Welche Themen haben die Potsdamer interessiert, mit denen sie am Montag über direkte Demokratie gesprochen haben?

Unter anderem die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens und die Auslandseinsätze der Bundeswehr, mehrere haben sich über die zu hohen Mieten beklagt. Manche waren auch richtig verwundert darüber, dass es auf Bundesebene gar nicht die Möglichkeit zum Volksentscheid gibt, was eine unserer Hauptforderungen ist. Zufällig kam ein Schweizer vorbei und meinte: Wenn wir diese Möglichkeit nicht hätten, würden wir einen Aufstand machen. Insgesamt hatten wir sehr positives Feedback und konnten über 50 Unterschriften für die Ermöglichung bundesweiter Volksentscheide sammeln. Wir hoffen, der Bundesregierung am 28. September, zu Beginn der Koalitionsverhandlungen, mindestens 100 000 Unterschriften übergeben zu können; derzeit haben wir 90 000.

Gibt es auch Vorbehalte gegen direkte Demokratie?

Ja, meist geht es dann um die Angst, dass per Volksentscheid die Todesstrafe wieder eingeführt wird oder nationale Minderheiten diskriminiert werden. Aber unser Gesetzesentwurf zur Einführung eines bundesweiten Volksentscheids sieht vor, dass nur Dinge entschieden werden können, die auch das Parlament entscheiden kann – und das ist an das Grundgesetz und die internationale Grundrechte-Charta gebunden, welche etwa die Todesstrafe verbietet.

Wie sieht es mit direkter Demokratie in Potsdam aus?

Initiativen hier sind natürlich an Landesgesetze gebunden, allerdings werden in Potsdam immer wieder direkt-demokratische Mittel ausprobiert, zum Beispiel der Bürgerhaushalt oder die Bürgerbefragung zum Standort des Stadtschlosses.

Sie sprachen auch mit Lokal-Politikern?

Ja, wir laden alle Direktkandidaten für den Bundestag ein, um sie vor Ort zu fragen, wie sie zu direkter Demokratie stehen. Hier in Potsdam sind Norbert Müller von der Linkspartei, Annalena Baerbock von den Grünen und Cornelius Everding von den Piraten gekommen.

Worüber hätten die Drei denn gerne direkt-demokratisch abgestimmt?

Herr Müller meinte, im Asylrecht bestehe dringender Handlungsbedarf, wohl auch wegen des aktuellen Falls um den Whistleblower Edward Snowden. Frau Baerbock wollte damit gerne das Wahlalter auf 16 Jahre senken, und Herr Everding wollte direkte Demokratie in Bezug auf die Europäische Union. Das ist in der Tat für viele Menschen ein großes Thema, weil EU-Politik von vielen nicht mehr nachvollzogen werden kann. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass sie wirklich für direkte Demokratie brennen. Viele Politiker spüren, dass sie die Menschen nicht mehr erreichen, und dass direkte Demokratie eine Möglichkeit ist, sie wieder mehr einzubinden.

Was hat der Verein Mehr Demokratie bislang in Brandenburg bewirkt?

In Brandenburg hat es bislang acht Volksbegehren gegeben, und bis auf das erfolgreiche Volksbegehren zum Nachtflugverbot im Februar sind alle gescheitert. Wir hatten uns im Vorfeld dafür eingesetzt, dass in Brandenburg nicht nur vier, sondern sechs Monate lang Unterschriften gesammelt werden können und das Unterschriften auch per Brief eingesandt werden können – diese Forderungen wurden von der Landesregierung 2011 umgesetzt. Ohne die brieflichen Unterschriften wäre das Volksbegehren gescheitert. Doch es gibt noch weiteren Reformbedarf: Am besten wäre, wenn wir – wie in Berlin – direkt auf der Straße Unterschriften für Volksentscheide und Volksbegehren sammeln könnten. Bislang ist das nur in öffentlichen Ämtern und per Brief möglich.

Funktioniert die jetzige Demokratie noch?

In vielerlei Hinsicht ja, aber es gibt einige Stellen, wo man nachbessern könnte, zum Beispiel wirksamere Gesetze gegen Abgeordnetenbestechung.

Die Fragen stellte Erik Wenk

Daniel Lentfer (25) ist Landesgeschäftsführer des Vereins „Mehr Demokratie“ in Hamburg. Der Verein wurde 1998 gegründet und hat rund 40 Mitarbeiter.

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