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Von Peter Könnicke: Auf 3500 Hektar Militär-Geschichte

Einstige Heeresversuchsstätte Kummersdorf nahe Berlin soll ein Museum werden

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Kummersdorf - Fachleute sprechen von einem Denkmal von internationaler Bedeutung. Was Historiker und Denkmalpfleger derart urteilen lässt, ist die Heeresversuchsstelle Kummersdorf in der Gemeinde Am Mellensee. Seit einem Jahr arbeiten Vertreter des brandenburgischen Museumsverbandes, Denkmalschutzexperten und Militärhistoriker an einer Konzeption, wie das 3500 Hektar große Areal etwa 30 Kilometer südlich der Berliner Stadtgrenze zum Museum entwickelt werden kann. Hier entwickelte sich von der Kaiserzeit über die Weimarer Republik bis zur Zeit des Nationalsozialismus ein riesiges Technologiezentrum des Militärs, das in seiner Ausdehnung größer war als der Berliner Bezirk Mitte. Bis 1994 nutzten die sowjetischen Streitkräfte das Gelände als Militärflugplatz und Logistik-Schulungsstätte. In dem Waldgebiet finden sich Hunderte Fragmente einstiger Versuchungsanlagen für nahezu alle Waffengattungen - von der Artillerie bis zur Raketen- und Atomforschung.

Grundvoraussetzung für die Einrichtung eines Museums sind geklärte Eigentumsverhältnisse. Derzeit gehört das Areal dem Bund, die Verhandlungen mit dem Land Brandenburg über eine Übertragung der Liegenschaft laufen noch. Vertreter der Projektgruppe sowie Mellensees Bürgermeister Frank Broshog mahnten am Mittwoch auf einer Podiumsveranstaltung in Luckenwalde eine schnelle Entscheidung an, denn es gebe dringenden Handlungsbedarf. Primäres Ziel müsse zunächst sein, den Verfall der insgesamt 2000 Einzelobjekte zu stoppen. Dazu gehören neben den Forschungsanlagen wie kilometerlangen Artillerieschießbahnen, Geschütztürmen, Bunkern, Laboranlagen oder Raketenversuchsständen auch Kasernengebäude, Kommandantenvillen und ein Offizierskasino. Seit Abzug der sowjetischen Streitkräfte liegt das Gelände brach.

Lange galt die Fläche als Option für den geplanten Großflughafen Berlin-Brandenburg. In den Jahren der Ungewissheit verfielen einerseits die vom Land unter Denkmalschutz gestellten Anlagen und Gebäude. Andererseits eroberte sich die Natur ihren Lebensraum zurück. Es entwickelte sich ein wertvoller Bestand an Flora und Fauna, so dass 1400 Hektar der gesamten Fläche gesetzlich geschützte Biotope sind.

„Es ist ein Denkmal in der Natur“, sagt Susanne Köstering, Geschäftsführerin des brandenburgischen Museumsverbandes. Ziel sei es, sowohl die Natur als auch die vom Verfall bedrohten Denkmale zu erhalten. „Es gibt dabei keinen Widerspruch zwischen Denkmal- und Naturschutz“, erklärt Frank Meyer vom Büro „Ökologie und Naturschutz“ in Halle/Saale. Beides könne und sollte zusammen harmonisch entwickelt werden.

Zur Finanzierung des umfangreichen Projektes hat die Projektgruppe EU-Fördermittel beantragt. Für die Sicherung einzelner Bauwerke will sie sich im kommenden Jahr um Bundes- und Landesmittel bewerben. „Die Größe des Areals ist die Schwierigkeit“, sagt Köstering. „Kein anderes Museumskonzept in Brandenburg ist so komplex.“ Doch in der Dimension der Anlage liegt auch deren Bedeutung. „Die Folgen militärischer Gewalt werden hier in besonderer Weise begreifbar, weil sich hier die Topografie des Krieges in großem Ausmaß erkunden lässt“, sagt der Militärhistoriker Markus Pöhlmann und unterstreicht damit den Leitgedanken des geplanten Museums: Ein Gelände, das ursprünglich der Vorbereitung zweier Weltkriege diente, soll zum friedlichen Ort der Bildung, kritischen Reflexion und der Renaturierung werden.

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